Geldgebern erst einmal zu bekommen, und in der Folge auch zu amortisieren, bei einer Rakete, die wegen der beinharten Konkurrenzsituation auf dem Kleinträgermarkt nicht mehr als vielleicht fünf bis sieben Millionen Euro kosten darf, gelingt ausschließlich mit hohen Startzahlen. Astra in den USA beispielsweise plant auf lange Sicht mit einem Start täglich. Auch Rocket Lab müsste, um wirtschaftlich sein zu können, mehrere Dutzend Starts pro Jahr absolvieren. Momentan liegt das Unternehmen bei 8-9 Starts jährlich. Nächstes Jahr sollen es 20 – 24 werden. Sehen wir einmal in die USA, dann wird schnell klar, warum es dort vergleichsweise einfach ist, ein Raketen-Startup hochzuziehen. Das Land ist technik-affin, Raumfahrt steht hoch im Kurs und wird von der Regierung als zukunftsweisende Schlüsseltechnologie verstanden. Die Regularien sind überschaubar, klar und industriefreundlich. Genehmigungsprozesse laufen zügig, und werden nicht, wie hierzulande, oft über viele Jahre verschleppt. Es gibt eine ganze Auswahl von möglichen Startplätzen und mit das Wichtigste: Es gibt dort Investmentgesellschaften, die sich darauf spezialisiert haben, Startups an die Börse zu bringen, und ihnen somit das nötige Kapital zur Serienreifmachung zu verschaffen. Ein weiteres deutsches Problemfeld ist die Vermarktung. Wann immer man sich durch die Veröffentlichungen der deutschen Raketenstartups liest, trifft man auf Aussagen der jeweiligen Geschäftsleitungen, dass man jetzt erstmal die Rakete entwickeln werde und dann schon schauen werde, was sich auf dem Markt so ergibt. Devise: Erst bauen, dann schauen. Doch das ist eine komplett falsche Einstellung. Die Vermarktung ist ein Gebot der ersten Stunde. Gwynne Shotwell, die heute das Unternehmen SpaceX wirtschaftlich leitet, gehörte zu den ersten 10 Angestellten, die Elon Musk im Jahre 2002 einstellte. Schon wenige Wochen nach ihrer Einstellung war sie beim „Klinkenputzen“ bei den potentiellen Kunden, auch wenn danach noch Jahre bis zum ersten erfolgreichen Start vergingen.
Neue Entwicklungen
Und noch ein Problemfeld für Deutschlands und Europas Kleinraketenbauer: Der Markt ist dynamisch und baut sich ständig um. Europäische und deutsche Reaktionszeiten auf diese Marktdynamik sind viel zu langsam. Für Kleinnutzlasten, die nicht sensitiv für spezielle Anforderungen an ihre Umlaufbahn sind, bietet beispielsweise SpaceX seit einer Weile einen für Raumfahrtverhältnisse revolutionären Service an: Mehrmals jährlich regelmäßige Transportflüge zu festen Terminen. Sie gehen stets auf dieselbe sonnensynchrone polare Umlaufbahn in 500 Kilometer Höhe, denn das ist der beim Kunden beliebteste Orbit. Sie finden statt, egal ob sie ausgelastet sind oder nicht (doch es ist kein Geheimnis: Sie SIND komplett ausgelastet). Aufgrund der enormen Nutzlastkapazität dieser Rakete können dabei pro Flug 100 oder mehr Kleinsatelliten mitgenommen werden. Zu – für Raumfahrtverhältnisse – sensationell niedrigen Preisen. Die ersten 200 Kilogramm Nutzlast kosten den Kunden des Transporter-Programms von SpaceX eine Million Dollar, somit 5.000 Dollar (oder etwa 4.000 Euro) pro Kilogramm. Mit diesem unschlagbaren Angebot saugt SpaceX momentan einen großen Anteil der klassischen Nutzlasten der Kleinträger vom Markt. Dieser Markt wächst zwar laufend, aber SpaceX hält hier mit seiner nahezu unbegrenzten Startkapazität mühelos dagegen. Damit bleiben für die Mikro-Launcher nur zwei Lösungen. Zum einen die Startaufträge für die maßgeschneiderten Lösungen, die den Einschuss in spezielle Bahnen und besondere Orbithöhen erfordern, und die deswegen auch etwas teurer sein können, und zum anderen die Möglichkeit noch billiger zu sein als SpaceX. Das Letztere erfordert ein technisch enorm simples Konzept in Verbindung mit sehr hohen Startraten.
Chance im Geschützten Markt?
Ist es also vergebliche Liebesmüh, in Deutschland oder in Europa Kleinraketen entwickeln zu wollen? Tatsächlich scheint es nicht gut auszusehen. Deutschland und Europa sind für derlei Technologien, man muss es so hart sagen, weder dynamisch noch mental dafür gut genug aufgestellt. Sie würden, so wie sich die Situation gegenwärtig darstellt, in der „freien Wildbahn“ des offenen weltweiten Marktes nicht überleben. Ein Ausweg wäre es, in die USA zu gehen, wo die Voraussetzungen wesentlich besser sind. Dort hätte man dann auch Zugang zum US-Markt mit seiner generell sehr dynamischen privaten und institutionellen Raumfahrtszene. Zusätzlich könnte man damit auch die strikten US-Technologietransfer-Regularien umgehen, die heute einem außeramerikanischen Unternehmen Starts technologisch sensitiver US-Nutzlasten verhindern. Den Weg einer US-Registrierung haben beispielsweise das neuseeländische Unternehmen Rocket Lab oder das britische Unternehmen Virgin Orbit beschritten. Ein Sonderfall mag in Deutschland die Rocket Factory Augsburg sein. Sie hat ihren finanziellen und technologischen Rückhalt bei der OHB Gruppe, die selbst Kleinsatelliten baut. Allerdings momentan nur einige wenige pro Jahr. Wenn dieses Geschäft bei OHB aber wächst, wäre für diese Rakete zumindest eine gewisse Grundauslastung aus dem eigenen Haus gegeben.
Im Prinzip müssen wir aber zur eingangs gemachten Betrachtung zurückkommen. Europa braucht schon alleine aus geostrategischen Überlegungen eine vollständige Palette moderner und leistungsfähiger Raumfahrtträger. Angefangen von der Schwerlastrakete bis zum Mikro-Launcher. Die Chancen für Deutschlands Kleinraketen wären also vor allem innerhalb eines geschützten europäischen Binnenmarktes gegeben. Allerdings müsste man dazu alle institutionellen Nutzer solcher Träger dazu verpflichten, nur das europäische Produkt zu nehmen und nicht zum günstigeren Anbieter außerhalb des EU-Raumes zu gehen. Es wäre dann ein ähnliches Konstrukt, wie es beispielsweise auch für die Ariane 6 gefordert wird.
Aber schön ist so eine Lösung nicht. Es ist ein Eingeständnis der Schwäche, des Nicht-mithalten-könnens. Hoffen wir also, dass ich mich hier mit meiner Einschätzung irre und sich die neuen deutschen Kleinträger in Zukunft auf dem freien Markt behaupten können.
Der Flug der Friendship 7 – Bericht des Piloten
John Glenn war der bekannteste Astronaut der Mercury 7, wie sich die sieben Astronauten des ersten bemannten US-Raumfahrtprogramms selbst bezeichneten. Am 20. Februar 2022 jährt sich der Tag des ersten US-Orbitalfluges zum 60. Mal. Bei seinem Flug mit der Mercury-Raumkapsel Friendship 7 wurde Glenn zum fünften Menschen im Weltraum, und zum ersten Amerikaner, der die Erde umkreiste.
John Glenn war der Einzige der Mercury-Astronauten, der schon vor seiner Zeit als Astronaut eine nationale Berühmtheit war, seit er am 16. Juli 1957 einen neuen Geschwindigkeitsrekord für die Überquerung der USA aufgestellt hatte. An diesem Tag war er von der Los Alamitos Naval Air Station in Kalifornien aufgestiegen und war danach in seiner Vought F8U Crusader in drei Stunden und 23 Minuten nach New York geflogen. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1.167 Kilometern pro Stunde, entsprechend Mach 1,1 war dies der erste Transkontinentalflug mit Überschallgeschwindigkeit.
Kurz nach seinem Raumflug schrieb John Glenn für das damals (wie heute) führende US-Luftfahrtmagazin Aviation Week & Space Technology einen Flugbericht, der in der Ausgabe vom 23. April 1962 erschien. Stilistisch bewegt er sich zwischen den üblichen Testflugberichten der damaligen Zeit, einem wissenschaftlichen Paper und einem Erlebnisbericht. Der generelle Duktus ist technisch-nüchtern, lässt aber dennoch überall die Erstmaligkeit des Erlebnisses und emotionale Momente durchscheinen. Der Report enthält Einzelheiten, die heute selbst unter gewieften Raumfahrthistorikern nicht mehr bekannt sind. Und er lässt in jedem Detail spüren, wie sehr man sich damals im bemannten Raumflug auf unbekanntem Gelände bewegte. Von diesem Bericht gibt es keine deutsche Fassung. Ich habe ihn übersetzt und um etwa 40 Prozent gekürzt. Die Kürzungen betreffen vor allem Schilderungen technischer Details sowie die sehr ausführlichen Beobachtungen der Erde, das Wahrnehmen von Oberflächenmerkmalen, Siedlungen, Schiffen und Verkehrswegen, der Morphologie von Wolkenformationen und Ähnlichem. Glenn sollte insgesamt 15 Experimente durchführen. Vier betrafen Meteorologie, sieben Astronomie und vier waren medizinische Versuche. Unter anderem gab es da eine Position die „drinking“ hieß, also einfach „trinken“, da man seinerzeit noch annahm, dass Schlucken in der Schwerelosigkeit problematisch sein könnte. Eine Reihe dieser Experimente konnte er aber wegen seines andauernden Problems mit der automatischen Lageregelung nicht wahrnehmen, da er während der letzten beiden Erdumkreisungen die Kapsel manuell fliegen musste.