du prince. BLICK als zweite Gewalt, als Exekutive des Volkswillens, die Zeitung als Staat und Hirnpolizei.
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Jürg Bürgi, SPIEGEL-Korrespondent für die Schweiz, hat jetzt ein Buch herausgebracht über den BLICK. Fünfzehn Autoren haben Beiträge dafür geschrieben, einige wurden nachgedruckt, u.a. das bekannte WOZ-Interview von Res Strehle mit BLICK-Vize und Bundeshauskorrespondent Jürg Zbinden (Lenos-Verlag, Basel, 279 Seiten, Fr. 25.–). Verschiedene Prominente wurden um statements angegangen. Erstaunlich, oder vielleicht doch nicht, wie vor allem die (auf BLICK angewiesenen) Politikerinnen von Gerwig bis Uchtenhagen das Blatt schonen bzw. loben. Wer zuhanden des SPIEGEL-Mannes Bürgi kein statement abgeben wollte und ihm das mitteilte, figuriert im Buch jetzt namentlich unter der Rubrik «Keine Zeit, kein Interesse oder keinen Mumm, an diesem Buch mitzuschreiben, hatten diese 35 Damen und Herren: …» Weitere «26 Damen und Herren» haben gar die Frechheit gehabt, die Einladung Bürgis «ohne Reaktion» vorbeigehen zu lassen, auch diese sind namentlich aufgeführt. (Man wird so an den Pranger gestellt wie im BLICK ein Politiker, welcher der Zeitung kein Interview geben will.)
Ich bin aufgefordert worden, über «Die Sprache des Blick» ein Kapitel zu schreiben, und wollte nicht. Ich fand es komisch, für den SJU- und SPIEGEL-Mann Bürgi, der das kaputteste Binnendeutsch, nämlich die garstige SPIEGEL-Sprache, propagiert (in dem von ihm redigierten «Klartext»), über die BLICK-Sprache herzufallen. Bürgi, ein Spezialist der Sprachzerstörung und Puscher des öden Magazinstils, hätte besser eine Studie über den toten Stil der linken SJU-Journalisten bestellt, z.B. seinen eigenen.
Im Buch sind lesenswerte Beiträge, jener von Bürgi (trotz seiner Sprache!) über die Geschichte des BLICK, das Uebersax-Portrait von Margrit Sprecher, die Durchleuchtung der BLICK-Finanzen von Fredy Haemmerli; und der Beitrag von Werner Jehle über die «Ästhetik der Strasse» bzw. «Die Versprechen der Boulevard-Typographie» ist brillant. Jehle zitiert Dziga Vertov, den sowjetischen Pionier des Film-Dokumentarismus, und zeigt, dass das BLICK-Layout eine revolutionäre Tradition hat, die pervertiert worden ist.
PS: Uebersax telefoniert, kaum ist der Artikel erschienen. Was will der harte Knaller? Einen Kafi mit mir trinken. Und bietet mir eine Kolumne im BLICK an. Er gäbe mir zwei Themen, über die man dort nicht schreiben könne: Religion und Militär (schöne Offerte). Und ich hatte ihn übrigens zutreffend charakterisiert, sagt er. Wie gesagt, der Mann lebt in Harmonie mit seinem Ideal: dem Zynismus. Es glitscht ihm alles mühelos hinunter, sogar das Epitheton «Glitschiger Ringier-Aal».
Eine Adventsansprache, gehalten vor den Mitgliedern des Art Directors Club Zürich, der Dachorganisation für Reklamiker, am 12. Dezember '88
(anlässl. der Vernissage des neuen ADC-Jahrbuchs)
Liebe Gemütsingenieure und Seelenmasseure, Soul-Brothers und Eisschrankverkäufer,
liebe Weltgeistverwalter,
geschätzte Zeitgeistsurfer und Whiskyschlörfer;
verehrte Agenten aller Agenturen,
liebe Seelengerber und Schönfärber, Flüstermaschinen und Produktesouffleure,
verehrte Marketingmakler, Art Directors, Printproducers, Creative Directors, Illustrators, Texters, Gesamtverantworters, Cutters, Grafikers, Kamerapeople, Psycho-Directors,
ihr fleissigen Versprüher der creativsten und creatifigsten Kreativität,
ihr Einpeitscher und Vorsteher des gesunden Geschmacks,
ihr schmatzenden Köche der allgemeinen Bouillabaisse,
ihr subtilen Spezialisten der Sinngebung,
ihr Semantiker des rasenden Konsumismus,
verehrte Agenten der Agenturen Jux und Rubikon, Ogilvy & Nahtlos, Farmer Pubertis, Busch, Putz und Bums, Stulder und Sater,
Marti und Zarti, Eberhupf und Schwartenstein, CASH Mash & Trash, Saatchi und Pflaatschi, Aeby u. Schnaeby: kurzum,
liebe Reklamiker –
im ersten Jahre Belsazars, des Königs von Babylon, hatte Daniel einen Traum, und was er auf seinem Lager vor Augen schaute, ängstigte ihn. Da schrieb er den Traum nieder: Ich, Daniel, schaute bei Nacht ein Gesicht, und siehe, die vier Winde des Himmels erregten das grosse Meer, und es stiegen vier grosse Tiere aus dem Meere herauf, ein jedes verschieden vom anderen. Das erste sah aus wie ein Löwe und hatte Adlerflügel. Ich schaute hin, und auf einmal wurden ihm die Flügel ausgerissen, und es wurde von der Erde aufgehoben und wie ein Mensch auf zwei Füsse gestellt, und Menschenverstand ward ihm gegeben. Und siehe, ein anderes Tier erschien, ein zweites, das glich einem Bären, es war nur auf einer Seite aufgerichtet und hatte drei Rippen im Maul zwischen den Zähnen, und es ward ihm geboten: Auf, friss viel Fleisch! Darnach schaute ich, und siehe, ein weiteres Tier erschien, das glich einem Panther und hatte vier Vogelflügel an seinen Seiten, auch vier Köpfe hatte das Tier, und Macht ward ihm gegeben. Darnach schaute ich in den Nachtgesichten, und siehe, ein viertes Tier erschien, furchtbar und schrecklich und überaus stark. Es hatte grosse eiserne Zähne, es frass und zermalmte, und was übrigblieb, zerstampfte es mit den Füssen; es war anders als alle die Tiere vor ihm und hatte zehn Hörner. Und ich gab acht auf die Hörner: siehe, da wuchs zwischen ihnen noch ein kleineres Horn empor, und drei von den ersten Hörnern wurden ihm ausgerissen; und siehe, an diesem Horn waren Augen wie Menschenaugen und ein Maul, das redete grosse Dinge (Weissagungen Daniels, Kap. 7, Vers 1–8).
Fürwahr und parbleu, diese Tiere haben ein grosses Maul und fressen viel Wortfleisch und zermantschten unser Sprachgemüt zwischen ihren eisernen Zähnen, und was übrigbleibt, schmeissen sie uns an den Kopf und nehmen uns auf die Hörner, und der Panoramablick ihrer Augen hat uns überall unter Kontrolle, ob wir nun lesenderweise in Zeitungen und Magazinen schneuggen wollen und mühsam die Artikel aus der happy Reklamewelt herausklauben müssen oder uns in der Landschaft ergehen und dabei von der Freilandreklame heimgesucht werden und die Landschaft nur noch so sehen können, wie die Landschaftsreklamiker sie uns serviert haben. Unsere Zukunft ist rosa, unser Stuhlgang ist gelb, es gibt kein Entrinnen weder auf dem Abtritt Haklelujah noch im Kino; den Filmen, die wir gern sehen möchten, ist das obligatorische Reklameklistier vorgeschaltet. figugegl, ob wir wollen oder nicht. Hands up Jogup. Wir möchten gern leer schlucken, aber unsere Mäuler werden gestopft wie Mastgänseschnäbel.
Gibt es noch Örtchen, wo wir Ruhe finden? Aber nicht doch. Aus dem Radio schallt's und knallt's und prallt's –
(Vater erzählt, Kind möchte etwas fragen)
«Ja also dann würd ich sägä gömmär hindärä is Jakobstäli vielleicht det am Furzbächli verbii det chöntemer ä chlini Rascht machä uf dä Grill chöntat mär an Cervelat, Suppä, Wurscht und» –
«Papi!»
«Brot brätä, ja, dann gömmar da Wanderwäg hindärä, lueg da hindärä» –
«Aber Papi iiii –»
«Da hämmär äs wunderbars wart jetzt» –
«Aber Papiiiii»
«Alpäpanoramaaaaa»
«Aber Papi, wo schlafäd mir?»
«Ja uf äm Hirschörli am Waldrand bim Majelisgrättli im Zelt vom VILAN» (darauf Musik VILAN).
Jawohl, so schallt's und prallt's, und erfunden ist es nicht von mir, sondern von Frank Baumann und von der Firma ASGS/BBDDO kreativ verwirklicht, und dieses am Furzbächli ersonnene Reklamefürzchen wurde vom ART DIRECTORS CLUB auf den Schild erhoben und mit Gold prämiert, wie Sie im ART-DIRECTORS-JAHRBUCH, Jahrgang 1988, auf Seite 279 unschwer feststellen können. Tatsächlich, le beaujolais nouveau est arrivé. Und ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen dieses ART-DIRECTORS-BUCH druckfrisch vorzustellen, worin sich Dutzende von Produkten befinden, die etwa auf demselben Niveau liegen wie das eben zitierte sample.
Also wie gesagt, im Kino hat man keine Ruhe vor euch. In der Aussenwelt auch nicht. Ihr beschallt uns ausserdem auch zu Hause unablässig und bespringt uns mit aggressiven Bildern, die der ART DIRECTORS CLUB ebenfalls prämieren