Evelyna Kottmann

Kreuz Teufels Luder


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es nur Frauen, die mit sich tun und machen lassen mussten, was der Mann haben wollte. Die eigene Lust kannte sie nicht. Lilith wusste nichts von der Welt und kannte ausser einem Haufen Männer eigentlich nur ihre Mutter, ihr Häuschen, den Wohnwagen und die paar Kneipen, in denen sie verkehrte und wiederum nur Männer traf. Diese Männer erzählten ihr allerhand über ihre Frauen, doch waren es immer dieselben Geschichten. Sie gaben Lilith das Gefühl, nur sie sei eine richtige Frau, weil sie alles mit sich machen liess. Sie machte sich nicht viele Gedanken darüber, dass sie der Macht und Gewalt dieser Männer ausgesetzt war. Doch seit Jakob in ihre Welt getreten war, begann sie sanft, sich gegen die Mutter aufzulehnen. Und je mehr sich Jakob in ihren Kopf, ihr Herz und ihren Bauch schlich, desto stärker wurde ihre Rebellion.

      Lilith wurde immer wütender auf ihre Mutter, weil sie, ­Lilith, die Männerarbeit erledigen musste. Ihre Mutter hatte nur noch selten Kunden, und wenn einmal einer für die Mutter kam, dann musste sie mit in den in den Wohnwagen, um die Hauptarbeit zu erledigen und den Kunden samt Mutter zu ­befriedigen. Das Geld, das sie so verdiente, steckte die Mutter ein. Um jeden Rappen musste sie betteln. Die Mutter kaufte mit dem Geld Alkohol und grosse Mengen Kaffee. Auch Lilith war sich das Trinken gewohnt, es liess sie ihre Arbeit mit den Männern leichter ertragen.

      Liliths Herz sehnte sich sehr nach Jakob und Jakobs Herz nach Lilith, und beide wussten es nicht voneinander. Doch ihre Herzen wussten es. An einem Samstag machten Lilith und Jakob sich schön füreinander, in der Hoffnung, ihre Wege würden sich in der Stadt zufällig kreuzen oder sie könnten sich in einer Kneipe wiederfinden. Jakob hatte sich am Geld seiner Eltern vergriffen, um sich, wenn das Schicksal es wollte, grosszügig zu zeigen. Lilith hatte sich heimlich einen letzten Rest Geld aus der Dose genommen. Der Mutter sagte sie, sie gehe auf Werbetour für ihre Geschäfte. Sie glaubte ihr, weil Lilith sich besonders schön gemacht hatte.

      Jakob und Lilith gingen beide gleichzeitig los. Das Städtchen war klein, und die Zahl der Kneipen war es auch. Doch Glück mussten die beiden trotzdem haben. Sie wussten, sie sollten die Finger voneinander lassen. Jakobs Familie war ebenso bekannt wie die stadtbekannte Hure. Jakob und Lilith gingen in Kneipen und tranken im Glauben, ihre Sehnsucht bringe sie einander mit jedem Schluck einen Schritt näher. Es blieb nicht bei einem Glas.

      Lilith war in jeder Kneipe bekannt für ihre Dienste, und man zahlte kräftig, um sie vielleicht einmal etwas günstiger in Anspruch zu nehmen. Wenn Lilith schnelles Geld verdienen konnte, so hatte sie nichts dagegen. Um einen ihrer Freier auf die Schnelle zu bedienen, gab es immer wieder Gelegenheit. So musste sie der Mutter auch keine Rechenschaft ablegen und ihr das Geld nicht geben. Hatte Lilith einmal genug getrunken, konnte sie viele Männer auf die Schnelle befriedigen.

      Lilith und Jakob hatten beide bis spät in die Nacht getrunken, ohne sich zu begegnen. Die Polizeistunde nahte, die Stühle wurden auf die Tische gestellt und die übrig gebliebenen Gäste gebeten, sich auf den Heimweg zu machen. Vereinzelt bewegten sich dunkle Gestalten durch die Schatten der Nacht, nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. Manche pinkelten an die Strassenlaternen wie Hunde auf ihrer Nachtrunde. Doch in dieser Nacht konnte man zwei singende Stimmen hören. Die eine war ein bisschen höher als die andere, und beide tönten nicht ganz klar. Die höhere Stimme sang: «Er stand im Tor im Tor und ich dahinter!» Die tiefere sang: «Rote Lippen soll man küssen, denn zum Küssen sind sie da!»

      Hin und wieder verstummten die Stimmen, wenn ein Auto vorbeisauste oder ein Hund zu bellen begann. Und dann war plötzlich Ruhe, kein «Er stand im Tor im Tor» mehr, keine «roten Lippen». Die zwei standen unter einer Laterne, Lilith und Jakob. Sie sahen sich an, und vier Sterne funkelten in diesem Augenblick so hell, dass man die Laterne getrost hätte löschen dürfen. Sie standen da und glaubten an ein Wunder. Ihre Hände bewegten sich aufeinander zu, berührten sich und hielten sich fest. Sie wollten sich nicht mehr loslassen, um den anderen nie mehr zu verlieren. Dann verschwanden Lilith und Jakob Arm in Arm glücklich schwankend in die Nacht, bis die Dunkelheit die beiden verschlang. Nach dieser glückseligen Nacht waren sie für immer verstossen.

      Jakob und Lilith

      Ohne Familienbande, versuchten Jakob und Lilith, einander Familie zu sein, so gut es ging. Lilith ohne ihre Mutter, die ihre Lebensbahn bestimmt hatte, und Jakob ohne seine Eltern und die jüdische Gemeinde, die für ihn stets die Kohlen aus dem Feuer geholt hatten. Beide waren nach dieser einen Nacht ganz auf sich selbst gestellt. Jakob und Lilith fanden ein kleines Zimmer mit Platz für ein Ehebett und einen Tisch mit vier Stühlen. Dusche und Toilette waren im Treppenhaus, ein Stockwerk höher. Warmes Essen gab es nicht, da eine Kochgelegenheit fehlte. Man ging für warmes Essen in eine Wirtschaft, was Jakob und Lilith nur recht war, hatten sie doch ausser ihren Saufkumpanen keine Freunde.

      Jakob hatte als Tagelöhner nur wenig Geld zur Verfügung, und manchmal gab es für ihn keine Arbeit. Doch er wollte Lilith beweisen, dass er als Mann für sie sorgen konnte. Lilith gefiel es, dass sie nun keiner Arbeit nachgehen musste, dass sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Am Tag schlief sie, und die Nacht schlug sie sich mit Trinken um die Ohren. Damit sie beide genug zu trinken hatten, musste aber auch genügend Geld durch ihre Hände fliessen. Sie sparten beim Essen, weil sie beim Alkohol nicht sparen konnten, da er ihnen das Leben erträglicher machte.

      Es kam der Zeitpunkt, da Jakob nicht mehr für Lilith sorgen wollte und sie bedrängte, sich eine Arbeit zu suchen. Er verbot ihr jedoch, sich zu prostituieren. Lilith versuchte, mit Putzen Geld zu verdienen. Doch sie hatte bald keine Lust mehr, diese Arbeit für andere zu verrichten. Sie sah auch nicht ein, weshalb die Menschen es so sauber haben wollten, und verlor immer wieder ihre Arbeit. Lilith trieb sich lieber in den Kneipen herum und liess sich von anderen aushalten. Das war nicht anstrengend und an keine Zeit gebunden. Sie konnte zu Bett gehen und aufstehen, wann sie wollte. Und ausserdem war Lilith zum ersten Mal schwanger und sollte sich schonen, nicht arbeiten.

      Je runder Lilith wurde, desto mehr musste sie an so manches denken. Aber Denken und Nachdenken war für Lilith und Jakob eine anstrengende Sache und gehörte nicht in ihre Welt. Jakob und Lilith tranken lieber Bier, und je mehr sie tranken, desto ausgelassener und entspannter waren sie. Nur so konnten sie vergessen, was am Tag zuvor gewesen war. Und nur so liess es sich einigermassen miteinander leben. Lilith und Jakob wurden abhängig voneinander, denn sie hatten beide ihre Familien verloren. Sie glaubten, zusammen zu sein sei nun ihr Schicksal für den Rest ihres Lebens.

      Jakob wusste, dass man den Bund der Ehe eingehen sollte, wenn man Kinder in die Welt setzte. Lilith brauchte keinen Altar, denn ihr genügte ein Gebet vor der schwarzen Madonna, die ihre Schutzpatronin war. Jakob war dieser Schutz zu wenig. Am liebsten wollte er eine jüdische Hochzeit, die ihm jedoch verwehrt blieb. So beschlossen Lilith und Jakob, katholisch zu heiraten. Nur – mit welchem Geld und welchen Gästen? Das Geld, das sie hatten, reichte ja kaum bis zum Ende des Monats.

      Sie begannen am Stammtisch über ihren Heiratswunsch zu reden und hofften auf einen Weg, damit die Hochzeit doch stattfinden könnte. Sie versuchten es mit Lotto und anderen Spielen, bei denen sie auch das wenige Geld, das Jakob verdiente, verloren. Schulden wurden gemacht und häuften sich an. Und weil der Schuldenberg immer höher wurde, schauten Lilith und Jakob immer tiefer in ihre Gläser.

      Lilith und Jakob sahen bald nicht mehr über den Berg hinaus. Sie hatten keine Ahnung mehr, wem sie was schuldeten, und lange Zeit war es ihnen auch egal. Doch unter den Stammtischfreunden regte sich Unmut, sie wollten ihr Geld zurück und übten Druck aus auf Jakob und Lilith. Jakob sah, dass er auf dem Weg ins Verderben war, wenn er sich nicht um eine feste Arbeit bemühte. Er suchte wie ein Verrückter. Doch man konnte seine Neigung zum Alkohol meilenweit riechen und wollte ihn nicht haben.

      Da Lilith schwanger war und Jakob der Überzeugung, für sie sorgen zu müssen, koste es, was es wolle, schloss er einen Pakt mit dem Teufel. Er wusste, dass Lilith nichts dagegen haben würde, denn sie war glücklich, bei ihm zu sein. Sie sah in Jakob ihren Befreier, der ihr ein kleines Haus bot, ohne dass sie einen Finger krümmen musste. Als Gegenleistung dafür hätte er ihren Körper also ganz für sich allein haben können.

      Lilith wusste nicht, dass Jakob einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Und Jakob wusste nicht, dass Lilith mit dem Teufel schon längst einen Pakt hatte. Wenn er allein auf Kneipentour ging, traf er nicht selten ihre