Sonja Müller

Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle


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b. Morgen, da fahren wir nach Pfullingen.

      Die Ausdrücke im Zug und morgen referieren ohne Zweifel auf einen Ort bzw. einen Zeitpunkt. Wenn den Ausdrücken derartige referenzielle Kraft nicht zuzuschreiben ist, eignen sie sich auch nicht als Topik. Dies gilt z.B. für das Adverbial der Art und WeiseAdverbial der Art und Weise in (88a) sowie das unspezifische lokale Adverbial in (88b).

(88) a. *Schön, so hat Stefan Klavier gespielt.
b. ??Irgendwo, da habe ich einen Pfau gesehen.

      Auch SatzadverbialeSatzadverbial wie leider oder wahrscheinlich, die eine Bewertung des ausgedrückten Sachverhalts durch den Sprecher vornehmen – die aber allein aus syntaktischen Gründen nicht in LVen vorkommen können, weil es keine geeigneten Pronomen für ihren Aufgriff gibt – bieten sich nicht als Topiks an. In (89) handelt es sich nicht um Aussagen über leider oder wahrscheinlich.

(89) a. Leider wird der FC absteigen.
b. Wahrscheinlich komme ich am Dienstag zur Probe.

      Das Topik eines Satzes ist unserer Definition nach die Einheit, über die der Satz eine Aussage macht (Aboutness TopikAboutness Topik). Topiks können sich aber auf die folgende Weise weiter voneinander unterscheiden:

(90) 1758 hat [Topik Carl von Linné, der ernstzunehmende Systematiker,] [Kommentar die nahe Verwandtschaft von Menschen, Affen und Menschenaffen offiziell anerkannt]. [Topik Er] [Kommentar fasste alle drei zur Ordnung der Primaten (Herrentiere) zusammen und hob damit ihre hohe Stellung im Tierreich hervor].
(Musan 2010: 28)

      

In (90) z.B. bleibt das Topik (Carl von Linné) in beiden Sätzen beibehalten. Nur der Kommentar ändert sich. In der Literatur wird ein solches Topik als Continued TopikContinued Topik bezeichnet.

      In (91) hingegen sind ganz verschiedene Referenten Topik, die in diesem Abschnitt immer wieder wechseln. Man spricht von Switch TopiksSwitch Topik oder Shifting TopiksShifting Topik.

(91) Dann schliefen [Topik1 sie] ein, und am andern Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen herangefahren, mit acht weißen Pferden bespannt, [Topik2 die] hatten weiße Straußfedern auf dem Kopf und gingen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. [Topik3 Der treue Heinrich] hatte sich so betrübt, als sein Herr war in einen Frosch verwandelt worden, daß er drei eiserne Bande hatte um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. [Topik4 Der Wagen] aber sollte den jungen König in sein Reich abholen; [Topik5=Topik3 der treue Heinrich] hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf und war voller Freude über die Erlösung.
(Märchen der Brüder Grimm, Der Froschkönig)
(Breindl 2011: 37)

      In (92) wiederum tritt ein sogenanntes KontrasttopikKontrasttopik auf.

      

Das Kontrasttopik vereint in gewissem Sinne die Kategorien Topik und Fokus: Das TopikTopik ist beteiligt, da es den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen die folgende Information verankert werden soll (die Nachbarn). FokusFokus ist beteiligt, weil aus diesem komplexen Topik jeweils Möglichkeiten ausgewählt werden, die in diesem Beispiel als Alternativen auch schon vorerwähnt sind.

      Die IntonationIntonation ist ein entscheidender Faktor bei diesem Typ von Topik. Man sieht in (92), dass der Tonhöhenverlauf steigt, konstant bleibt und wieder fällt. Man spricht aufgrund dieser Form von der HutHutkontur- oder BrückenkonturBrückenkonturHutkontur.

      Wir haben in diesem Abschnitt bisher angenommen, dass das Topik die Einheit ist, über die ein Satz eine Aussage macht. Genau genommen haben wir damit bisher das SatztopikSatztopik (ST) charakterisiert. Es ist aber auch möglich, über das zu reden, wovon ein Textabschnitt oder der größere Diskurs handelt. Der Bereich, über den man redet, wird somit vergrößert. In diesem Fall spricht man von einem DiskurstopikDiskurstopik (DT). In (93) z.B. ist das ST in den Sätzen jeweils ein anderes. Im ersten Satz ist es Paula, im zweiten Satz Paulas Gemüsesuppe und im dritten Satz die ganze Familie. Das DT ist hingegen dasselbe, etwa Paulas Kochkünste.

(93) Paula ist eine tolle Köchin. Ihre Gemüsesuppe ist eine Delikatesse. Die ganze Familie lässt sich gerne bekochen.

      Die Bestimmung des DTs lässt in der Regel etwas mehr Spielraum als die Festlegung des STs.

      

Wir haben in diesem Abschnitt mit der Fokus-HintergrundFokus-Hintergrund-Gliederung- und der Topik-Kommentar-GliederungTopik-Kommentar-Gliederung zwei informationsstrukturelle DomänenInformationsstrukturelle Dimension kennengelernt. Die Funktionen des Fokus, die wir in Abschnitt 1.2.1 ausgemacht haben, wie die Antwort auf eine Frage zu geben, eine Aussage zu bestätigen oder zu korrigieren bzw. Dinge zu kontrastieren, kann man als pragmatischePragmatik Funktionen auffassen, denn sie dienen der gelungenen Kommunikation im Diskurs. Die Fokussierung dieser Elemente nimmt keinen Einfluss auf die WahrheitsbedingungenWahrheitsbedingung der Sätze. Fokussiert ein Sprecher eine andere Phrase, gibt er beispielsweise immer noch eine Antwort auf die Frage (die dann ggf. unpassend ist). Letzteres ändert aber nichts an der prinzipiellen Fokusfunktion in diesem Kontext. Wie wir zu Beginn dieses Abschnitts zur Informationsstruktur gesehen haben, liegt das Augenmerk der InformationsstrukturInformationsstruktur nicht auf dem ausgedrückten, sondern auf dem vermittelten Inhalt. Es geht um die Verwendung von Äußerungen im Zuge der Diskursorganisation. Korrigieren, bestätigen, informieren etc. sind hier bestimmte Operationen im Verlauf einer Konversation. Im gleichen Sinne leistet auch die Topik-Kommentar-GliederungTopik-Kommentar-Gliederung einen Beitrag zur Diskursorganisation, indem sie eine Äußerung in den Satzgegenstand und die Aussage über diesen unterteilt. Aus der Perspektive, dass alle angeführten Mittel dem Zweck dienen, die Verwendung von Äußerungen im Diskurs anzuzeigen oder zu beeinflussen, fällt die Informationsstruktur in den Teilbereich der linguistischen PragmatikPragmatik, der sich mit der Verwendung von Äußerungen im Kontext beschäftigt. Diese Zuordnung ergibt sich ebenfalls aus dem Blickwinkel, dass die Informationsstruktur keinen Beitrag zu den Wahrheitsbedingungen eines Satzes leistet (s.o.) und in diesem Sinne nicht an der wörtlichen Bedeutung von Sätzen teilhat. Pragmatische Phänomene vereint gerade, dass die Natur ihrer Bedeutung nicht-wörtlich ist bzw. über die wörtliche Bedeutung hinausgeht.