Sonja Müller

Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle


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in einem Satz jede Konstituente akzentuiert werden (im Folgenden angezeigt durch Großschreibung). Der Satz in (47) kann realisiert werden wie in (48).

(47) Hans wird morgen nach Köln fahren.
(48) a. HANS wird morgen nach Köln fahren.
b. Hans wird MORgen nach Köln fahren.
c. Hans wird morgen nach Köln FAHren.
d. Hans WIRD morgen nach Köln fahren.
e. Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

      

AkzenteAkzent sind lokale Modifikatoren der IntonationskonturIntonationskontur, die man als Prominenz wahrnimmt. Phonetisch entspricht dies einer Veränderung der GrundfrequenzGrundfrequenz (Tonhöhe), es geht aber auch eine größere Intensität (Lautstärke) und Dauer (Länge) der akzentuierten Silben einher (vgl. Baumann 1999: 3).

      In Abbildung 1 sieht man, dass die zweite Silbe von Berlin einen TonhöhenakzentTonhöhenakzent erhält. Auf der x-Achse ist die Zeit aufgetragen, auf der y-Achse die Frequenz.

      Abbildung 1: Tonakzent (Féry 1993: 66)

      Strukturell sind die Sätze in (48) identisch. Es treten jeweils die gleichen Wörter und Konstituenten auf, die zudem dieselbe syntaktische Funktion erfüllen. Die Sätze drücken auch alle dieselbe PropositionProposition aus, nämlich dass Hans am folgenden Tag nach Köln fahren wird. Aus diesem Grund sind alle Sätze aus (48) unter genau denselben Umständen wahr. (48a) ist wahr, wenn Hans morgen nach Köln fahren wird. Gleiches gilt für (48b) bis (48e). Dennoch sind die Sätze aber nicht komplett identisch. Sie sind nicht – was die Voraussetzung für SynonymieSynonymie wäre – in jedem Kontext füreinander austauschbar. Die Sätze haben vielmehr unterschiedliche Verwendungsbedingungen. (48e) kann z.B. eine Antwort auf die Frage in (49) sein.

(49) A: Wohin wird Hans morgen fahren?
B: Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

      Man kann auf die Frage in (49) aber mit keinem anderen der Sätze aus (48) antworten, wie (50) zeigt.

(50) A: Wohin wird Hans morgen fahren?
B: #HANS wird morgen nach Köln fahren.
B': #Hans wird MORgen nach Köln fahren.
B'': #Hans wird morgen nach Köln FAHren.
B''': #Hans WIRD morgen nach Köln fahren.

      Die Antworten in (50) sind nicht ungrammatisch, doch man hat das Gefühl, dass sie nicht recht passen.

      

Wenn Sätze nicht ungrammatisch, sondern eher inadäquat sind, zeigt man dies durch die Raute # an. Man sagt auch, die Sätze sind markiertMarkiertheit.

      Ändert man die Frage, ist ein anderer Satz aus (48) passend, die anderen eignen sich aber wiederum nicht als Antwort (vgl. z.B. (51)).

(51) A: Wer wird morgen nach Köln fahren?
B: HANS wird morgen nach Köln fahren.
B': #Hans wird MORgen nach Köln fahren.
B'': #Hans wird morgen nach Köln FAHren.
B''': #Hans WIRD morgen nach Köln fahren.
B'''': #Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

      Man stellt fest, dass die Sätze völlig akzeptabel sind, wenn man mit der akzentuierten (man sagt auch fokussiertenFokus) Konstituente die Antwort gibt. Nimmt man an, dass das, was durch eine w-Frage erfragt wird, fehlende, unbekannte, unerwartete Information ist, während der Rest des Satzes bekannt, akzeptiert und erwartbar ist, lässt sich über einen Satz wie den zweiten Satz in (52) sagen, dass er in zwei Teile zerfällt.

(52) A: Wer wird morgen nach Köln fahren?
B: [Fokus HANS] [Hintergrund wird morgen nach Köln fahren].

      Dies ist zum einen akzeptierte und erwartbare Information (wird morgen nach Köln fahren) und zum anderen neue und unerwartete Information (Hans). Eine derartige Gliederung fällt unter die InformationsstrukturInformationsstruktur eines Satzes.

      

Information der ersten Art gehört zum HintergrundHintergrund, Information der letzten Art zum FokusFokus. Diese Dichotomie von Fokus und Hintergrund stellt eine informationsstrukturelle DimensionInformationsstrukturelle Dimension dar. Notationell kann man die jeweilige Information klammern und durch Indizes auszeichnen (vgl. (52)).

      In den obigen Beispielen haben wir zur Diagnostik des Fokusbereichs eines Satzes w-Fragenw-Frage verwendet. In der Regel erfragt ein w-Pronomenw-Pronomen eine neue Information, während über den Rest des Satzes Einigkeit besteht. Die Korrelation zwischen neuer Information und Fokus wird gerne angenommen, es gibt aber auch Beispiele, die zeigen, dass auch Bekanntes fokussiert sein kann. In (53) ist Charlotte durch die erste Äußerung vorerwähnt und somit bekannte Information, dennoch ist diese Konstituente im zweiten Satz akzentuiert und bildet den Fokus.

(53) Charlottes Foto ist schön.
– Nein, [Fokus CharLOTte] [Hintergrund ist schön]. (Musan 2010: 52)

      

Aufgrund derartiger Beobachtungen ist vorgeschlagen worden, Fokus nicht als neue Information zu charakterisieren, sondern als Thematisierung