das Überprüfen von Leistungen in der Fremdsprache lernersprachensensibel auszurichtenForderung nach lernersprachensensiblem Testen, werden jedoch immer stärker (vgl. u.a. Larsen-Freeman 2009; Van Moere 2012) und weisen in eine anstrebenswerte Richtung. Bei entsprechender Vorlage ausreichender empirischer Forschungsergebnisse aus der Spracherwerbs-, Sprachlehr- und Sprachtestforschung könnte Spolskys psycholinguistisches Paradigma des Sprachentestens auch erfüllt werden und möglicherweise den Zugang zum „gelobten Land“, im Sinne Morrows, eröffnen, in dem Fremdsprachenunterricht und das Bewerten fremdsprachlicher Leistungen von Lernenden an einer realistischen Lernersprachentwicklung ausgerichtet sind.
In Anbetracht dessen erscheint es daher unter Einbeziehung des aktuellen Forschungsstandes adäquater, Spolskys dritte Periode des Sprachentestens nicht als „psycholinguistisch-soziolinguistisch“, sondern als „kommunikativ-handlungsorientiertkommunikativ-handlungsorientiertes Sprachentesten“ zu bezeichnen. Damit kann auch auf die richtungsweisenden Sprachmodelle von Canale (1983), Canale & Swain (1980), Bachman (1990) sowie Bachman & Palmer (1996) verwiesen werden, die kommunikative Sprachkompetenzen umfassend definieren und Kriterien für ihre Überprüfbarkeit vorlegen. Das Einbeziehen aller sprachlichen Fertigkeiten und das Bemühen um eine adäquate Überprüfungintegriertes Aufgabenformat von Wortschatz und Grammatik (s. Abschnitt 8.1) stehen aktuell im Mittelpunkt der Sprachtestforschung. Mit Davies (2014, 12) kann darauf verwiesen werden, dass die folgenden Fragen nach wie vor wesentlich für das Sprachentesten sind:
Wie wird getestet?
Was wird getestet?
Wer sind die PrüferInnen?
Der hier knapp skizzierte Abriss einer historischen Entwicklung des Sprachentestens leitet über zu Fragen der sozialen und politischen VerantwortungSoziale und politische Verantwortung im Umgang mit Sprachtests, die in Bezug auf den Umgang mit Sprachtestergebnissen und den Zweck von Sprachtests gestellt werden müssen. Diese Forderung gilt in besonderem Maße für large-scale Sprachprüfungen, auf die sich die hier vorgelegten Beschreibungen grosso modo auch beziehen. Die Geschichte des Testens und Bewertens von Fremdsprachen, wie sie im schulischen Alltag in Form von schriftlichen Klassen-/Schularbeiten, mündlichen Prüfungen, Mitarbeitsüberprüfungen oder Hausübungen erfolgen, muss nämlich erst geschrieben werden. Dieses Desiderat in Bezug auf das schulische Überprüfen fremdsprachlicher Leistungen gilt sowohl hinsichtlich seiner geschichtlichen Aufarbeitung als auch hinsichtlich der aktuellen Forschungslage. Erste Ansätze einer eingehenderen, forschungsbasierten Beschäftigung mit schulischem Sprachentesten fokussieren im Moment eher auf Definitionsversuche der sog. Assessment literacy von Lehrpersonen als aktuelles Desiderat der Sprachtestforschung assessment literacyassessment literacy von Sprachlehrpersonen und grenzen diese von Erfordernissen für professionelle SprachtesterstellerInnen ab (s. Kapitel 10 und 11). Dabei spielt jedenfalls im österreichischen Kontext die Etablierung der neuen SRDP für die Fremdsprachen insbesondere im Hinblick auf den WashbackWashback-Effekt für den schulischen Sprachunterricht eine entscheidende Rolle, in Deutschland kommt diese Rolle vor allem den Bildungsstandards zu (vgl. u.a. Rossa 2016). Das Überprüfen und Testen sprachlicher Leistungen sollte sich generell in den Dienst demokratischer Chancengleichheit für die TestteilnehmerInnen auf der Basis kriterienorientierterkriterienorientierte Bewertung und transparenter Bewertungsverfahren stellen, die Lernende dabei unterstützen, ihr Potential sichtbar zu machen (s. u.a. Spolsky 1976, 21ff.).
Arbeitsaufträge und Diskussionsfragen
1 Haben Sie Erfahrungen in einem der drei genannten Sprachtestparadigmen gesammelt? Wenn ja, welches Paradigma trifft eher auf Sie als Sprachlernende, welches eher als Sprachlehrende zu? Nennen Sie jeweils mögliche Gründe dafür.
2 Finden Sie sich vielleicht in mehr als einem dieser Sprachtestparadigmen wieder? Wenn ja, welche Gründe können Sie dafür anführen?
3 Denken Sie an Ihre eigene Praxis als Prüfende: Erkennen Sie Grundlagen, anhand derer Sie mündliche Prüfungen und schriftliche Klassen-/Schularbeiten bewerten? Lassen sich diese sprachwissenschaftlich begründen? Gibt es dafür psychologische Gründe?
4 Stellen Sie sich vor, Sie müssen die Art Ihrer Prüfungen und Klassen-/Schularbeiten einem/einer neuen KollegIn erklären: Wie gehen Sie vor? Welche Parameter nennen Sie? Führen Sie Gründe für die Wahl Ihrer Parameter an und erklären Sie diese Ihrem/Ihrer neuen KollegIn anschaulich.
Weiterführende Literatur
Davies, A. (2014): „Fifty Years of Language Assessment“. In: Kunnan, A.J. (Hrsg.): The Companion to Language Assessment I:1:1. John Wiley & Sons, 1–19. Der Beitrag gibt einen sehr guten Einblick in die wichtigsten Debatten der letzten 50 Jahre im Bereich des Sprachentestens, stellt umfassende Literaturangaben bereit und ist von einem der international anerkanntesten Sprachtestexperten verfasst.
Fulcher, G. (2010): Practical Language Testing. London: Hodder Education. Insbesondere das erste Kapitel beschäftigt sich mit geschichtlichen Bedingungen und Entwicklungen des Sprachentestens. Das Abwägen unterschiedlichster Positionen und das Anführen von Pro- und Kontraargumenten beeindruckt ebenso wie die historische Einbettung in politische Rahmenbedingungen und der Verweis auf allgemeine Prüfsysteme.
Spolsky, B. (1995): Measured Words. Oxford: Oxford University Press. Spolsky erläutert die Geschichte des Sprachentestens umfassend, anschaulich und unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Vorgaben und Bedingungen. Das Werk ist ein Standardwerk für jene, die sich mit der historischen Entwicklung des Testens von Sprache näher beschäftigen möchten.
2. Der GeR und die Orientierung am sprachlichen Output der Lernenden
Barbara Hinger
Kann-Beschreibungen
Ich kann
den Entstehungskontext des GeR erläutern.
die Niveaubeschreibungen des GeR und die Kritik an ihnen erklären.
die Bedeutung des GeR für das Testen und Überprüfen von fremdsprachlichen Leistungen beschreiben und kritisch betrachten.
Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) wurde vom Europarat im Jahr 2001 herausgegeben und blickt auf Vorarbeiten von mehr als 30 Jahren zurück. Er hat sich im Großen und Ganzen als Erfolgsgeschichte erwiesen. Dies zeigt sich u.a. an der stattlichen Anzahl von Übersetzungen in 40 Sprachen, darunter viele nichteuropäische Sprachen aber auch Minderheitensprachen wie etwa das Romani. Rezipiert wird der GeR in Ländern wie Japan, Korea, Ägypten, Kolumbien oder Kanada, um nur einige zu nennen, und damit weit über den europäischen Kontext hinaus. Dieser Erfolgsgeschichte als Referenzwerk für das Erlernen, das Vermitteln und das Überprüfen von Sprachen stehen auch kritische Einschätzungen gegenüber, die unten wie in weiteren Kapiteln angesprochen werden. Zunächst wird jedoch auf den Entstehungskontext und auf sprachwissenschaftliche Bezugsmodelle des GeR sowie auf eines seiner Begleitinstrumente, das Europäische Sprachenportfolio (ESP), eingegangen. Daran anschließend wird seine Bedeutung für das Prüfen und Bewerten von fremdsprachlichen Leistungen erläutert.
Mit dem EuroparatDer Europarat ist Herausgeber des GeR., der aktuell aus 47 Mitgliedsstaaten besteht, ist eine Institution Herausgeber des GeR, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1949 der Zusammenarbeit zwischen europäischen Ländern in den Bereichen Menschenrechte, Demokratie, Kultur und Bildung verpflichtet und damit explizit keine wirtschaftlichen Ziele verfolgt, wie dies etwa bei der Europäischen Union der Fall ist. Sich das zu vergegenwärtigen, erscheint wesentlich, um den GeR nicht als (sprachen-)politisches Instrument der Europäischen Union misszuverstehen (vgl. u.a. Hulstijn 2014, 3; Krumm 2016, 634). Zur Umsetzung der sprachenpolitischen Ziele des Europarats bekennt sich der GeR hingegen explizit (Europarat 2001, 14ff.).
Der Europarat greift insbesondere seit der Gründung seiner sprachenpolitischen Abteilung Mitte der 1950er Jahre Fragen der Fremdsprachenvermittlung für erwachsene LernerInnen auf und veröffentlichte ab Mitte der 1970er Jahre erste Sprachkompetenzbeschreibungen, die als Vorläufer des GeRVorläufer des GeR: u.a. Threshold Level 1975