Barbara Hinger

Testen und Bewerten fremdsprachlicher Kompetenzen


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Abb. 2). Deskriptorenskalen liegen nur für die kommunikativen, nicht jedoch für die allgemeinen Kompetenzen vor.

      Abb. 2: Teildarstellung des GeR, Kapitel 5: Die Kompetenzen des/der Sprachverwendenden/-lernenden

      Insgesamt stellt der GeR an die 40 Skalen für kommunikative Aktivitäten und Strategien (Kapitel 4 des GeR) sowie 13 Skalen für kommunikative Sprachkompetenzen (Kapitel 5 des GeR) bereit. Darüber hinaus finden sich eine übergreifende Globalskala, ein Selbstbeurteilungsraster und ein Beurteilungsraster zur mündlichen Kommunikation (Kapitel 3 des GeR).

      Nicht alle Niveaubeschreibungen haben den oben erwähnten Entstehungsprozess durchlaufen. Dies trifft insbesondere auf die DeskriptorenDeskriptor, die sich auf die Fertigkeit Schreiben beziehen (vgl. Europarat 2001, 212), sowie auf ca. die Hälfte der C2-Deskriptoren zu (North 2014, 230). Im GeR ist dies jeweils unter der betreffenden Skala ausgewiesen.

      Dass die GeR-Sprachniveaubeschreibungen nicht auf Ergebnissen von Analysen empirisch erhobener Lerneräußerungen beruhen, bleibt eine ebenso ernstzunehmende wie gerechtfertigte Kritik, die zunächst jedoch durch den zeitlichen Entstehungskontext des GeR und die zur damaligen Zeit unzulängliche Forschungslage im Fremdsprachenerwerb erklärt werden kann (vgl. North 2007, zitiert in Papageorgiou 2016, 337). Dass jedoch auch in der gegenwärtig durchgeführten Überarbeitung bestimmter GeR-Skalen darauf verzichtet wird, mittlerweile vorliegende Ergebnisse aus der Spracherwerbsforschung zu berücksichtigen, ist wenig nachvollziehbar (s. auch Kapitel 3). Liegen doch zumindest mit den Forschungen von Pienemann und seinem Team zu Englisch (Keßler 2006; Keßler, Lenzing & Liebner 2016; Pienemann 1998), von Diehl et al. (2000) zu Deutsch als Fremdsprache in der französischsprachigen Schweiz oder zu Französisch als Fremdsprache im schwedischen Kontext (Bartning & Schlyter 2004; Schlyter 2003) Spracherwerbsresultate für die Entwicklung morphosyntaktischer Bereiche der Lernersprache vor, die berücksichtigenswert erschienen.

      Das umfassendste Projekt in dieser Hinsicht ist English ProfileEnglish Profile – The CEFR for English, mit dessen Erarbeitung 2006 begonnen wurde (Barker 2016, 33) und das nun erste Analyseergebnisse online zugänglich macht (https://tinyurl.com/yavl7gtt [21.09.2017]). In diesem Projekt werden reale Lerneräußerungen für Englisch als Fremdsprache gezielt mit GeR-Skalenbeschreibungen abgeglichen (vgl. u.a. Harrison & Barker 2015; Hulstijn 2014, 14f.; North 2016, 230). Es beeindruckt durch ein umfassendes, weltweit erhobenes Korpus an Sprachperformanzen von EnglischlernerInnen. Konkrete Performanzanbindungen liegen in den Bereichen Wortschatz und Grammatik für alle sechs GeR-Niveaus vor (English Vocabulary Profile, English Grammar Profile). Ob und wie diese Ergebnisse die Skalenbeschreibungen modifizieren werden, bleibt abzuwarten.

      Kurz umrissen seien hier die kürzlich finalisierten Überarbeitungen des GeR (Council of Europe 2017). Diese beziehen sich sowohl auf Neu- als auch auf WeiterentwicklungenNeue GeR-Skalen werden entwickelt, bestehende weiterentwickelt. von bestehenden GeR-Skalen. Neu erstellt wurden Niveaubeschreibungen für die Bereiche Sprachmittlung respektive Mediation, für mehrsprachigkeitsbasierte Sprachlernaspekte, für Literatur- und Kunstanalysen sowie -kritik und für Online-Kommunikationsaktivitäten. Weiter entwickelt wurden DeskriptorenDeskriptor für die Niveaustufen A1, C1 und C2 (vgl. North & Panthier 2016). Die Vorgangsweise entspricht dabei jener, die bereits bei der ursprünglichen Erarbeitung eingesetzt wurde (vgl. auch North & Docherty 2016). Interessant erscheint, dass sich an die 1000 Personen weltweit beteiligt haben und 45 Länder repräsentiert waren (ebd.). Das in der ursprünglichen Form auf die Schweiz begrenzte Projekt hat sich also deutlich vergrößert und verweist damit auch auf die hohe Wirkkraft, die der GeR international entfalten konnte.

      Was die Bedeutung des GeR für das Lehren betrifft, so ist in erster Linie auf die Curriculumentwicklung zu verweisen, die der GeR selbst als einen seiner möglichen Zwecke definiert (Europarat 2001, 18)6. In diesem Zusammenhang sind die Neukonzipierung der Fremdsprachenlehrpläne für die Sekundarstufe I und II im allgemeinen Schulwesen in Österreich zu nennen, die ebenso sprachenübergreifend ausgerichtet sind wie der GeR selbst (BMBWK 2004 und 2006). Die in den jeweiligen Lernjahren zu erreichenden Lernziele werden an den GeR-Skalenbeschreibungen für die sprachlichen Fertigkeiten ausgerichtet, womit die KompetenzorientierungKompetenzorientierung erstmals im Lehrplan grundgelegt und konkretisiert ist. Auch die Rahmenlehrpläne in deutschen Bundesländern wurden nach und nach mit dem GeR abgestimmt. Der von ihnen zunächst verfolgte sprachspezifische Ansatz wird aktuell durch sprachenübergreifende Konzipierungen abgelöst7. Ähnliches trifft auf die Schweiz zu. Auf die Problematik bei der Implementierung neuer Lehrpläne soll hier nicht eingegangen werden. Im Wesentlichen leiten die kompetenzorientierten, GeR-basierten Lehrpläne in den jeweiligen Schulsystemen einen Paradigmenwechsel ein, der sich in den Definitionen der zu erreichenden sprachlichen Leistungen und damit der Outputbeschreibung von LernerInnen zeigt und die lange vorherrschende Inputorientierung respektive Orientierung an Lehrinhalten ablöst.

      Der Bereich, in dem der GeR vermutlich am heftigsten diskutiert, vielleicht auch am stärksten kritisiert und wohl am öftesten rezipiert wird, ist jener des Sprachentestens8.Wesentliche Bedeutung des GeR für die Entwicklung des Sprachentestens Der GeR hat, wie auch immer er eingeschätzt wird, die Diskussion über das Sprachentesten deutlich vorangetrieben und in hohem Maße darauf Einfluss genommen, wie die Vermittlung von Fremdsprachen und deren Überprüfung aufeinander bezogen und wie diese auf einen externen Bezugsrahmen abgestimmt werden können (Purpura 2016, 202). Ebenso deutlich hat der GeR dazu beigetragen, die Erfordernisse für eine Sprachtestexpertise deutlicher ins Bewusstsein zu heben als dies zuvor der Fall war, und zwar, wie Purpura (ebd.) meint, nicht nur auf Europa beschränkt, sondern weltweit. North (2014, 229) konkretisiert dies wie folgt:

      Before the CEFR there was a practical ‘Tower of Babel’ problem in making sense of course certificates and test scores. A teacher, school or examination body would carry out a test and report a result in their own way as ‘19’, ‘4.5’, ‘516’, ‘B’, ‘Good’, etc. It is no exaggeration to say that twenty years ago a teacher of Spanish in a secondary school in southern France, a teacher of French to Polish adults and a teacher of English to German businessmen would have taken ten to twenty minutes to establish any common ground for a discussion. The CEFR labels help.

      Der GeR selbst widmet dem Bewerten und Prüfen von Sprachen ein eigenes Kapitel, nämlich sein abschließendes Kapitel 9. In diesem werden grundlegende Begriffe des Sprachentestens erklärt, der GeR wird als Hilfsmittel für das Überprüfen und Bewerten sprachlicher Leistungen vorgestellt und es wird auf Test- und Bewertungsverfahren eingegangen. Damit bietet Kapitel 9 gute Einsichten auch für Personen, die sich dem Thema erstmals nähern möchten.

      ExpertInnen im Sprachentesten bemängeln jedoch, dass die GeR-DeskriptorenDeskriptor zwar sprachliches Verhalten von Lernenden beschreiben, sich aber nicht auf Sprachtestaufgaben beziehen (Alderson in Little 2011, 382; Fulcher 2016, 33f.). Demgegenüber wird die Auffassung vertreten: „any ‚can do‘ descriptor may be used to specify a learning target, select and/or develop learning activities and materials, and shape the design of assessment tasks“ (Little 2011, 382, Hervorhebung durch die Autorin). Die Operationalisierung einer konkreten Kann-BeschreibungKann-Beschreibung für eine bestimmte Sprachtestaufgabe bedarf allerdings eines fundierten Verfahrens (vgl. North 2014, 230) und hängt immer vom Zweck eines Tests oder einer Prüfung ab. Der Europarat stellt mittlerweile zahlreiche Dokumente dafür zur Verfügung. Das wichtigste darunter ist das sog. Handbuch respektive Manual (Council of Europe 2009). Es beschreibt die erforderlichen Prozesse der Verbindung von Sprachentests mit dem GeR im Detail und wurde 2003 zunächst als Pilotversion, 2009 in der endgültigen Version publiziert (Council of Europe 2009). Mittlerweile liegt auch ein deutschsprachiges Handbuch (telc 2012) vor, das jedoch keine Übersetzung ist, sondern sich als Zusatz und Ergänzung zum Manual versteht. Das Manual selbst erläutert die Anbindung von Sprachentests an den GeR, die folgende Arbeitsprozesse umfassen sollte: Das generelle Vertrautwerden mit dem GeR, die Definition der Testinhalte und Aufgabenformate, die Verbindung mit den zu überprüfenden Sprachkompetenzstufen (Standard-SettingStandard-Setting und BenchmarkingBenchmarking) und die Interpretation der im Test erhobenen