auf Fehler in der Skala zu „Kontrolle und Reparaturen“ bis inklusive der Niveaustufe B2 ein, für die es heißt:
Kann Versprecher oder Fehler normalerweise selbst korrigieren, wenn sie ihm/ihr bewusst werden. Kann eigene Fehler korrigieren, wenn sie zu Missverständnissen geführt haben. Kann sich seine Hauptfehler merken und sich beim Sprechen bewusst in Bezug auf diese Fehler kontrollieren. (Europarat 2001, 4.4.1.2, 70)
Im Bereich der sprachlichen Mittel, also bei Wortschatz und Grammatik, findet sich der Verweis auf Fehler bis inklusive Niveaustufe C1. So wird für die Wortschatzbeherrschung auf C1 festgehalten: „Gelegentliche kleinere Schnitzer, aber keine größeren Fehler im Wortgebrauch“ (ebd., 5.2.1.1, 113). Für die Wortschatzbeherrschung auf B2 gilt: „Die Genauigkeit in der Verwendung des Wortschatzes ist im Allgemeinen groß, obgleich einige Verwechslungen und falsche Wortwahl vorkommen, ohne jedoch die Kommunikation zu behindern“ (ebd.). Damit wiederum ist, wie bereits erwähnt, das Erreichen des Kommunikationsziels als prioritär ausgewiesen. Auch die Skala zur Grammatischen Korrektheit kennt einschließlich der Niveaustufe C1 den Fehler als Beschreibungskriterium: „Kann beständig ein hohes Maß an grammatischer Korrektheit beibehalten; Fehler sind selten und fallen kaum auf“ heißt es etwa auf Niveaustufe C1 (ebd., 5.2.1.2, 114). Demgegenüber wird auf Niveaustufe B2 von Fehlern gesprochen, die zu keinen Missverständnissen führen, womit also wiederum das Erreichen der kommunikativen Absicht respektive der Ansatz message before accuracymessage before accuracyMessage before accuracy: Die Erfüllung der kommunikativen Absicht steht im Vordergrund. ins Zentrum gerückt wird. Für die Niveaustufe B2+ wird davon ausgegangen, dass die Grammatik gut beherrscht wird, auch wenn „gelegentliche Ausrutscher oder nichtsystematische Fehler und kleinere Mängel im Satzbau […] vorkommen [können]“, die „aber selten [sind] und oft rückblickend korrigiert werden“ (ebd.). Was allerdings nichtsystematische Fehler sind, bleibt offen und wird nicht weiter definiert.
Auszugehen ist hier davon, dass – auch wenn der GeR seinen beschreibenden Skalen explizit keine spezifische Sprachtheorie, genauer Grammatiktheorie, zugrunde legt (Europarat 2001, 5.2.1.2) – der Begriff „nichtsystematischer Fehler“ auf den von der kognitiven Wende in der Sprachwissenschaft eingeleiteten Paradigmenwechsel verweist. Dieser bedingt als eine von mehreren Auswirkungen, dass erstmals sprachliche Äußerungen, die Lernende mündlich oder schriftlich auch tatsächlich produzieren, einer empirischen Analyse zugeführt werden. Bis dahin war es üblich, Fehler auf der Basis von sprachwissenschaftlichen Vergleichen zu betrachten, bei denen die Ausgangssprache von Lernenden mit der im Unterricht vermittelten Zielsprache kontrastiert wurde. Die neuen, als Fehleranalysen konzipierten empirischen Studien bezogen sich nun aber auf Fehler, die Lernende einer Fremdsprache tatsächlich begingen: Nachgewiesen wurde, dass in den Lerneräußerungen Fehler auftraten, die sowohl unabhängig von der Ausgangssprache der Lernenden als auch unabhängig von der angestrebten Zielsprache waren und als Teil eines sich entwickelnden, eigenen Sprachsystems begriffen werden konnten. Damit wurde gezeigt, dass die von Lernenden geäußerten Fehler nicht – oder besser nicht zur Gänze – auf der Grundlage einer sprachwissenschaftlich-strukturalistischen Vergleichsperspektive erklärt werden konnten. Für das sich entwickelnde Sprachsystem von Lernenden prägte Selinker (1972) schließlich den Begriff interlanguageinterlanguageWahrnehmung des Fehlers in der interlanguage als inhärenter Teil der lernersprachlichen Entwicklung. Der Begriff wird als Lernersprache, Interimssprache oder auch als Zwischensprache ins Deutsche übertragen und bezeichnet ein psycholinguistisches System, das den sprachlichen Weg beschreibt, den Lernende bei der Aneignung der jeweiligen Zielsprache durchlaufen. Unterschiedlichste – und einander oft diametral entgegengesetzte – theoretische Ansätze gehen dabei davon aus, dass Fehler wie etwa Übergeneralisierungen (z.B. goed anstelle von went in der englischen past tense) inhärenter Teil der lernersprachlichen Entwicklung sind. Sie sind unausweichlich und bieten Einblicke in die Entwicklung der Lernersprache.
Bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts werden diese Fehler als systematische Fehler oder KompetenzfehlerKompetenzfehler (errors)Kompetenzfehler (errors) sind systematische Fehler; Performanzfehler (mistakes) sind nichtsystematisch und können von Lernenden bewusst wahrgenommen werden. bezeichnet, während nichtsystematische Fehler als PerformanzfehlerPerformanzfehler (mistakes) gelten, die von Lernenden meist bewusst wahrgenommen und auch selbst korrigiert werden können (vgl. Corder 1967, 166f.). Aktuell spricht etwa Haß (2016, 356) bei Kompetenzfehlern von „Normverstöße[n], die der Lernende auch auf Hinweis oder Frage nicht korrigieren kann“, wohingegen er Performanzfehler als Normverstöße definiert, „die der Lerner mit entsprechenden Hilfestellungen korrigieren kann“ (ebd.). Flüchtigkeitsfehler (slips), eine weitere Fehlermöglichkeit, liegen wiederum dann vor, wenn der/die Lernende bei der Sprachproduktion unaufmerksam oder abgelenkt war. Grotjahn & Kleppin (2015, 133) verweisen darauf, dass Lernende bei Performanzfehlern „eigentlich schon über das Wissen zu der grammatikalischen Struktur [verfügen], der korrekte Gebrauch […] allerdings noch nicht gefestigt [ist].“ Hier ist es wichtig anzumerken, dass sich die angesprochenen Fehler auf den Bereich der Grammatik beziehen. Wortschatz-, Aussprache- und Orthografiefehler sind meist nicht gemeint.
Die Frage, wie mit KompetenzfehlernKompetenzfehler im Unterricht umzugehen ist, wird kontroversiell diskutiert. Pienemann (1984, 1989, 1998) etwa formuliert die sog. LehrbarkeitshypotheseUmgang mit Kompetenzfehlern im Unterricht auf Basis der Lehrbarkeitshypothese z. B. durch binnendifferenzierten Unterricht und konzipiert die Processability Theory, die besagt, dass Lernende morphosyntaktische Entwicklungsstufen durchlaufen, welche durch bestimmte Kompetenzfehler gekennzeichnet sind (s. u.a. auch Diehl et al. 2000, 2002; Ellis 1989; Schlak 2002). Die Abfolge dieser lernersprachlichen Entwicklungen könne zwar nicht beeinflusst werden, da sie sowohl im gesteuerten als auch im ungesteuerten Erwerbskontext hierarchisch verläuft, wohl aber könne Unterricht, der Strukturen der Entwicklungsstufe aufgreift, die über den von den Lernenden bereits erreichten Entwicklungsstufen liegen, eine Beschleunigung der Entwicklungsabfolge erzielen (Lehrbarkeitshypothese).
Damit eröffnen sich dem Fremdsprachenunterricht Handlungsmöglichkeiten, die wohl am ehesten durch einen binnendifferenzierten Ansatz aufgegriffen werden können, bedenkt man, dass sich aufgrund individuell unterschiedlicher Erwerbsgeschwindigkeiten kaum alle LernerInnen auf demselben Entwicklungsniveau befinden können. Diese für den Fremdsprachenunterricht im Grunde ansprechende Perspektive wird aber bislang selten bis kaum aufgegriffen, da nur wenige robuste Analyseergebnisse für lernersprachliche Entwicklungen vorliegen. Das Englische ist hier, wie meist, eine Ausnahme: Für diese Sprache sind u.a. vom Team um Pienemann (Keßler 2006; Keßler, Lenzing & Liebner 2016) zahlreiche Studien durchgeführt worden. Des Weiteren könnten auch adäquate Interpretationen des erst seit Kurzem vorliegenden English Grammar ProfileEnglish Profile (s. oben) Hinweise für eine Umsetzbarkeit der Lehrbarkeitshypothese bieten. Vielversprechende Ansätze liegen auch für Deutsch (Diehl et al. 2000) und für Französisch (Bartning & Schlyter 2004; Schlyter 2003) vor. Letztere sind Grundlagen eines computerunterstützten Programms, das die Möglichkeit bietet, Äußerungen von Lernenden einzuspeisen, um deren morphosyntaktisches Lernersprachenprofil einfach und rasch digital zu ermitteln (Granfeldt 2005). Grammatikunterricht könnte darauf aufbauend entsprechend gestaltet werden. Konsequent weitergedacht, sollte es auf der Basis ausreichender Studien mit entsprechend robusten Ergebnissen möglich sein, z. B. die Skala zur Grammatischen Korrektheit im GeR empirisch untermauert neu und sprachspezifisch zu fassen. Dabei müsste sich der GeR im Grunde auch nicht von seiner propagierten Ablehnung, eine bestimmte Sprach- respektive Grammatiktheorie zu vertreten, abwenden. Der Theorienstreit könnte durch ausreichend empirische Ergebnisse außen vor gelassen werden (s. dazu u.a. Pienemann 2006), womit der deskriptive, sich keiner Theorie verpflichtende Grundsatz des GeR auch für die Grammatikentwicklung der Lernersprache erhalten bliebe.
3.2 Fehler in Testsituationen
Was bedeutet das eben Skizzierte für das Testen und Überprüfen einer Fremdsprache? Die Forderung nach einem sog. interlanguage sensitive testinginterlanguage sensitive testing wird u.a. von Larsen-Freeman (2009), Purpura (2004), Shohamy (1998) oder Van Moere (2012) formuliert und von einigen auch in Zusammenhang mit aufgabenorientiertem Lernen und Überprüfen gesehen (vgl. Mackey 1995; Pienemann, Johnson &