Tamara Zeyer

Grammatiklernen interaktiv


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Medien

      Bereits vor 30 Jahren wurde die Interaktivität digitaler Medien als gewinnbringend betrachtet, weil Computer eine Eins-zu-eins-Interaktion ermöglichen (vgl. Hope et al. 1989: 8). Durch die Interaktivität werden die Rollen der Lernenden und der Maschine gleichmäßiger verteilt als im Fall Lernende-Lehrende, da Lernende selbst bestimmen, wann und wie sie mit dem Medium lernen (vgl. ebd.: 8-9). Was hinter dem Begriff Interaktivität digitaler Medien steckt und welche Formen der Interaktivität in Lernprogrammen vorhanden sind, sind Fragen, die im Folgenden erläutert werden. Auch wird in diesem Kapitel der Frage nachgegangen, wie viel Interaktivität für die Förderung eines selbstständigen Lernprozesses nötig ist.

      2.2.1. Zum Begriff der Interaktivität

      Da es sich beim Thema der vorliegenden Arbeit um Interaktivität in der Form Mensch-Maschine-Kommunikation handelt, findet die Erklärung des Begriffs im Kontext von CALL statt.1 Nach dem konstruktivistischen Paradigma können sich Lernende im Rahmen des Lernprozesses mit einem Lerngegenstand aktiv befassen, neue Informationen explorativ erschließen, über eigene Lösungsstrategien reflektieren und das Gelernte sofort anwenden. Somit ist das Lernen mit vielen Aktivitäten Lernender verbunden (vgl. Strzebkowski und Kleeberg 2002: 229-230). In der Diskussion über mediengestütztes Lernen spielt die Interaktivität digitaler Medien eine zentrale Rolle. Durch diese Eigenschaft digitaler Medien kann ein aktiver Lernprozess bzw. eine Aktivierung der Lernenden beim Lernen ermöglicht werden.

      Mitschian grenzt Interaktivität von Interaktion ab und versteht darunter „alle Aktions-Reaktionsfolgen, die sich ausschließlich zwischen Software und Lernenden abspielen“ (Mitschian 2004a: 44). Die Reaktionen des Systems werden auf Grundlage methodischer Überlegungen von Entwicklern konzipiert (vgl. ebd.: 44ff.). Interaktivität ist „das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert“ (Niegemann et al. 2008: 295). Grünewald ist der Ansicht, dass die Interaktivität beim Lernen mit digitalen Medien nur bedingt als solche zu verstehen ist, da es sich um vorprogrammierte Reaktionen eines Programms auf Nutzereingaben handelt. Daher wird sie in seiner Arbeit durch den Begriff Reaktivität ersetzt (vgl. Grünewald 2006: 97). Seine Überlegungen sind nachvollziehbar, jedoch können vorprogrammierte Programmreaktionen unterschiedlich komplex sein, in verschiedenen Lernphasen unterschiedlichen Zwecken dienen und im engen Zusammenhang mit Aktionen der Lernenden stehen. Daher ist für die vorliegende Arbeit der Begriff Interaktivität vorzuziehen. Darunter wird die Eigenschaft eines Programms verstanden, unterschiedliche Aktion-Reaktionsketten zwischen einem Nutzer und einem Programm zu ermöglichen; damit wird eine kontinuierliche aktive Einbeziehung des Lernenden in den Lernprozess bezweckt.

      Die wichtigste Funktion der Interaktionen in Lernprozessen sieht Mitschian in der Vermeidung monotoner und eindimensionaler Vermittlung von Wissen bzw. im Angebot vielfältiger Lernwege und Handlungsweisen (vgl. Mitschian 1999: 125). Niegemann et al. zählen zu den Funktionen von Interaktivität folgende: Motivieren, Informieren, Verstehensförderung, Förderung von Behalten, Förderung von Anwenden bzw. Transfer, Organisierung und Regulierung des Lernprozesses (vgl. Niegemann et al. 2008: 295). Damit diese Funktionen realisiert werden können und Lernprogramme lernwirksam sind, sollten Interaktionsketten bzw. Aktionen der Lernenden und des Systems aufeinander abgestimmt werden. Darüber hinaus ist eine Balance anzustreben, dass Lernende durch die Interaktivität der Software in gewisser Maße entlastet, jedoch gleichzeitig auch aktiviert werden. D. h. das Programm darf nicht von den Lernzielen ablenken und den Lernenden die gesamte Arbeit abnehmen (vgl. Mitschian 1999: 126-127). Insbesondere im Kontext selbstständigen Lernens scheint dieser Aspekt von großer Bedeutung zu sein.

      Im Kontext des mediengestützten Lernens wird die Interaktivität häufig als Teil der multimedialen Lernumgebung neben Adaptivität, Multimodalität etc. betrachtet (vgl. Kallenbach und Ritter 1998; Niegemann et al. 2008; Betrauncourt 2010; Schulmeister 2007). Eine intensive Analyse dieser Bereiche im Zusammenspiel mit der Interaktivität findet in Jones et al. (2016) statt.2

      2.2.2. Formen der Interaktivität

      Biechele et al. (2003: 7) unterteilen mögliche Interaktionsformen in zwei Gruppen: in die, „die nicht primär dem Lernen dienen, die Lernende aber bewältigen müssen, um überhaupt zum Lernmaterial zu gelangen“, sowie in die, „denen Lernende bei der Bearbeitung von Lernaufgaben begegnen können“. Diese Unterteilung entspricht den Kategorien von Steuerungsinteraktionen und didaktischen Interaktionen nach Strzebkowski (1995: 278). Bei Steuerungsinteraktionen handelt es sich um die Interaktionsformen, die mit Navigations- und Systemfunktionen, wie Speichern, Abspielen etc. verbunden sind. Didaktische Interaktionen dienen einer direkten Unterstützung des Lernprozesses, z. B. durch Animationen, Texteingaben, Informationstransformationen etc. Dabei ist die Grenze zwischen den Interaktionsformen nicht scharf trennbar (vgl. Strzebkowski und Kleeberg 2002: 232ff.).

      Eine Unterteilung der Interaktionsformen ist auch nach den interagierenden Beteiligten des Lernprozesses möglich: So wird zwischen Aktionen Lernender und des Systems unterschieden (vgl. Niegemann et al. 2008: 287 ff.; Niegemann 2011: 125 ff.).

      Mögliche Aktionen Lernender sind:

       die selbstständige Auswahl von Lehrinhalten

       die selbstständige Wahl einer Reihenfolge des Lehrstoffs

       Auswahlentscheidungen bezüglich Beispielen und Aufgaben

       das Anordnen und Nutzen von Hilfen

       das Stellen von Fragen.1

      Zu Aktionen des Systems gehören:

       die Darbietung von Informationen

       das Anbieten von Hilfen

       Rückmeldung auf Eingaben

       Feedback (vgl. ebd.).

      Einige Aktionen stehen in direkter Verbindung miteinander, wie z. B. dass das System Informationen darbietet und Lernende aus dem Informationsangebot Inhalte selbstständig auswählen und über die Reihenfolge bei der Bearbeitung der Inhalte und Aufgaben entscheiden können. Wird eine Hilfe-Funktion im Programm vorgesehen, ist den Lernenden überlassen, ob, wann und wie sie genutzt wird. Der Umfang und die Gestaltung der Hilfe-Funktion können sowohl in unterschiedlichen Programmen als auch in verschiedenen Phasen innerhalb eines Programms unterschiedlich sein und von den didaktischen Überlegungen der Entwickler und den technischen Möglichkeiten abhängen. Für einen kontinuierlichen Lernprozess mit digitalen Medien sind Rückmeldungen bzw. Reaktionen des Systems auf jede einzelne Eingabe nötig. Eine wichtige Rolle spielt Feedback beim selbstständigen Lernen mit digitalen Medien. Dabei sind viele Aspekte zu beachten: Ausführlichkeit der Ausformulierung von Feedback, visuelle Gestaltung, kognitive Anforderungen an Lernende, Reaktionen auf eine falsche sowie eine richtige Eingabe etc. Daher wird dem Feedback ein gesondertes Unterkapitel gewidmet.

      2.2.3. Feedback

      In der Forschungsliteratur wird vorprogrammiertes Feedback mit der Fehlerkorrektur im Unterricht verglichen (vgl. Biechele et al. 2003: 18 ff.; Rösler 2004: 177 ff.) und scheint laut Puskás im Vergleich zur unterrichtlichen Fehlerkorrektur „defizitär“ zu sein (Puskás 2011: 270). Jedoch stellt sich die Frage, ob solche Erwartungen, die man an die Fehlerkorrektur seitens einer Lehrperson hätte, mit den Ansprüchen an eine Fehlerkorrektur beim Selbstlernen identisch wären. Lernt man selbstständig mit analogen Medien wie z. B. einem Buch oder Arbeitsblättern, beschäftigt man sich mit grammatischen Inhalten ohne jegliche Unterstützung. Man muss seine Antworten mit dem Lösungsschlüssel abgleichen und ggf. selbst nach Fehlerquellen suchen und sie analysieren. Betrachtet man vorprogrammiertes Feedback im Kontext des Selbstlernens, scheint es Vorteile im Vergleich zu analogen Medien zu haben, da eine automatische Rückmeldung unmittelbar nach der Antworteingabe erscheint und mehrfach abrufbar ist.

      Puskás weist auf die Vergleichbarkeit des programmierten Feedbacks mit der schriftlichen Fehlerkorrektur im Unterricht hin. Mögliche Feedbackformen sind:

       Präsentation