Tamara Zeyer

Grammatiklernen interaktiv


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einer Fehlermeldung, die bei der Erkennung der Fehler aus gespeicherten vorhersehbaren Fehlern erscheint,

       intelligente Fehlermeldungen, die auf einer natürlichsprachlichen Analyse basieren (ebd.: 272).

      Die ersten drei Feedbackarten basieren nicht auf linguistischer Analyse der Eingaben von Nutzern, sondern sind vorprogrammiert und eignen sich für geschlossene Übungstypen. Für sie ist es laut Puskás möglich, „ein angemessenes vorprogrammiertes Feedback zu liefern“ (ebd.). Der häufig kritisierte Aspekt digitaler Medien ist das Fehlen unterschiedlicher Rückmeldungen auf die Eingaben der Nutzer bzw. das Fehlen elaborierten Feedbacks. Dies wird von Mitschian im Hinblick auf die Lernmaterialien für Anfänger nicht bestätigt, da „in diesem Lernstadium in nur geringem Umfang mit Sprache produktiv umgegangen oder sie in größeren Einheiten gebraucht wird“ (Mitschian 2004a).

      Eine motivierende Wirkung einer sofortigen Reaktion auf jede Eingabe1 bestätigt Schmidt in seiner Studie, jedoch kann es bei schwächeren Lernenden einen Gegeneffekt haben, wenn sie durch die Häufigkeit negativer Rückmeldungen permanent auf ihre Schwächen aufmerksam gemacht werden (vgl. Schmidt 2005: 275). Eine Rückmeldung über die Korrektheit oder Inkorrektheit der Eingabe reicht den Lernenden aus, die Feedbackinhalte selbst werden ignoriert: „Eine im Falle eines Fehlers intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten der Rückmeldungen ‒ so z. B. den Erläuterungen zur Fehlerursache im Rahmen des schriftlichen Eingabefeedbacks ‒ findet allerdings nur vergleichsweise selten statt“ (ebd.). In diesem Zusammenhang entsteht laut Schmidt eine „Feedbackverdrossenheit“, die insbesondere im Bereich Grammatik beobachtet wurde (vgl. ebd.: 276 ff.). Die Verdrossenheit kann durch unterschiedliche Aspekte verursacht werden: Wenn im Feedback die Spezifik der Fehler nicht berücksichtigt wird und die Rückmeldung sehr allgemein (und häufig gleich für verschiedenen Fehlertypen) formuliert ist, wenn die Rückmeldungen fehlerhaft sind oder wenn die selbstständige Fehlerkorrektur im Programm nicht vorgesehen ist, werden die Inhalte des Feedbacks ungelesen weggeklickt (vgl. ebd.: 290–291).

      Bayerlein (2010) betont die Problematik der Anforderungen an gutes vorprogrammiertes Feedback und eine diffuse Vorstellung über die eigentliche Gestaltung der Rückmeldungen. In seiner Studie, in deren Rahmen japanische DaF-Lernende bei mediengestütztem selbstständigem Lernen beobachtet wurden, wurde festgestellt, dass die Erklärungen, warum eine Antwort in Multiple-Choice-Fragen oder Zuordnungen falsch ist, nicht gelesen werden. Stattdessen versuchen die Lernenden durch weitere Klicks eine richtige Antwort zu finden. Bei den Übungen, in denen eine Texteingabe erwartet wird, werden die Rückmeldungen hingegen gelesen, da dadurch die Anzahl der unendlichen Antwortmöglichkeiten reduziert werden kann (vgl. Bayerlein 2010: 574-575). „Die Anstrengung, elaboriertes Feedback zu konzipieren, lohnt sich also nur dann, wenn auch sichergestellt ist, dass die Lernenden sich die Mühe machen, dieses Feedback zu lesen“ (ebd. 574). Darüber hinaus weist der Autor darauf hin, dass die sprachliche Formulierung der Rückmeldung verständlich sein sollte (vgl. ebd.).

      Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Gestaltung des Feedbacks mit dem jeweiligen Übungstyp im Zusammenhang steht. Das Lernziel von Übungen und vorprogrammierten Aktivitäten, die von Lernenden erwartet werden können, ist ebenfalls zu beachten. Gerade beim entdeckenden Lernen sollte die Gestaltung der Rückmeldungen den Lernprozess fördern und die Lernenden motivieren. Dafür sind mögliche vorhersehbare Fehler zu beachten, um die entsprechenden Feedbackmeldungen zu programmieren. Außerdem trägt eine sprachniveauangemessene Formulierung des Feedbacks zur Lernwirksamkeit des Programms bei. Diese Überlegungen flossen in das Konzept der Interaktiven Grammatik ein, das in Kapitel 5 am Beispiel des Themas Imperativ detailliert aufgezeigt wird.

      2.2.4. Umfang der Interaktivität

      Wenn viele Elemente auf einer Bildschirmfläche interaktiv sein müssen, um den selbstständigen Lernprozess ermöglichen und fördern zu können, bedeutet dies aus der Entwicklerperspektive die Erhöhung des Programmieraufwandes. Sind alle angezeigten Elemente interaktiv, ist für jeden einzelnen eine (Re-)Aktion zu programmieren. Aus der (medien-)didaktischen Perspektive ist zu überlegen, welche Elemente interaktiv fungieren sollten, um die Aufmerksamkeit des Lernenden auf das zu erlernende Phänomen zu fokussieren und durch eine Menge der Interaktionsmöglichkeiten und Verzweigungen nicht zu überfordern (vgl. Zeyer 2016: 204 ff.). Darüber hinaus sollte die Menge bzw. Anzahl interaktiver Elemente, die auf einmal auf dem Bildschirm zur Verfügung stehen, nicht zu groß sein.

      Das konstante Vorhandensein bestimmter interaktiver Steuerungselemente kann Lernenden Sicherheit geben: Weiß man, wo man sich im Programm befindet, wie man Hilfe abruft, wie Feedback funktioniert, bleibt man auf den Lerngegenstand fokussiert. Daher ist wichtig, dass sich diese Elemente in den verschiedenen Phasen der Lernprogramme nicht unterscheiden. Somit werden Lernende durch die Vielfalt vieler Interaktionsmöglichkeiten nicht abgelenkt bzw. überfordert und konzentrieren sich auch auf die vielfältigen didaktischen Interaktionen, die sich je nach Lernphase und Lernziel abwechseln und zum Lernziel führen. In Kapitel 5 werden mögliche Interaktionen in einzelnen Teilen der Interaktiven Grammatik schematisch dargestellt und ausführlich analysiert.

      Kapitel 2.2 zielte auf eine Beantwortung der Fragen, was genau Interaktivität im CALL-Bereich bedeutet, welche Funktionen sie erfüllt und in welchen Formen sie realisiert werden kann. Darüber hinaus wurden Aspekte und didaktische Überlegungen dargelegt, die die Gestaltung des vorprogrammierten Feedbacks bestimmen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der letztgenannte Punkt zum Umfang angebotener interaktiver Elemente.

      3. Visualisierung beim Fremdsprachenlernen mit Fokus auf Grammatik

      „Am Anfang war das Bild: vor der Schrift das Felsbild, vor der artikulierten Sprache der mimische Ausdruck, vor der rationalen Überlegung die mythische Vorstellung.“ Mit diesem Zitat eröffnet Doelker (1997: 16) das erste Kapitel seines Buches über die visuelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft. Er weist darauf hin, dass die Digitalisierung und ihre unbegrenzten Verbreitungsmöglichkeiten eine Flut visueller Informationen ermöglichen (vgl. ebd.). Etwa zehn Jahre später schreibt Lieber im Vorwort im Handbuch zur Bilddidaktik: „Gerade im Zeitalter der digitalen Medien sind Bilder unaufhaltsam auf dem Vormarsch und rücken seit einigen Jahren in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses“ (Lieber 2008: 4). Dieses Interesse trägt zur Entwicklung „einer eigenen interdisziplinär ausgerichteten Bildwissenschaft“ bei, dabei können Bilder aus der historisch orientierten, sozialwissenschaftlichen oder anwendungsorientierten Perspektive erforscht werden (ebd.). Aufgrund des interdisziplinären Charakters der Bildwissenschaft werden Visualisierungen, ihre Grenzen und Potenziale, Einsatzmöglichkeiten und Anforderungen an sie, in unterschiedlichen Fachdiskursen besprochen. Ich beschränke mich in dieser Arbeit auf Visualisierungen in der Linguistik und beim Fremdsprachenlernen.

      „Die visuelle Flut führt erfahrungsgemäß zu einer Abstumpfung der Wahrnehmung. Eine aktive Visualisierung beim Lernen, wie zum Beispiel die Einbeziehung visueller Vorstellungen beim Einprägen fremdsprachiger Informationen, ist wahrscheinlich wirksamer als eine Fülle von Bildmaterial“ (Schiffler 2002: 10). Schiffler weist auf die Notwendigkeit der Förderung von Visualisierungstechniken im Unterricht hin (vgl. ebd.). Übertragbar auf Selbstlernmaterialien lässt sich behaupten, dass Lernende mit visuellen Elementen interagieren müssen (s. Kapitel 2.2 zur Interaktivität), um somit die Nachvollziehbarkeit von Lerninhalten in visueller und verbaler Form anzustreben. Die technische Entwicklung trägt m. E. auch zu der medialen Ausstattung im Fremdsprachenunterricht bei und beeinflusst die visuelle Gestaltung der Lernmaterialien.

      Viele Beiträge zur Rolle visueller Komponenten im Fremdsprachenunterricht beginnen mit dem Spruch „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ (s. z. B. Hieronimus 2014; Gubanova-Müller und Tommaddi 2016; Klewitz 2016). Wie viel kann ein Bild über ein grammatisches Phänomen aussagen? Und wie muss das Bild gestaltet sein? Das sind die zentralen Fragen dieses Kapitels. Zuerst werden Potenziale von Visualisierungen für verschiedene Kompetenzbereiche im Kontext des Fremdsprachenlernens skizziert und Begriffe visueller Medien in verschiedenen fremdsprachlichen Handbüchern dargestellt. Danach folgt eine Auseinandersetzung mit Typen und Funktionen der Visualisierungen. Anschließend stehen visuelle Mittel speziell zur Unterstützung bei der Grammatikdarstellung