Tamara Zeyer

Grammatiklernen interaktiv


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(zur Strukturierung von Informationen). Die Lexikalisierungs- und Grammatisierungsfunktionen werden ausgeklammert mit der Begründung, dass „es sich bei diesen beiden Funktionen keineswegs um Einzelfunktionen handelt, sondern um ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Bildeffekte, die sich den zuvor genannten Bildfunktionen zuordnen lassen.“ (Hecke 2010c: 49). In ihren späteren Arbeiten betont die Autorin die Bedeutung der visuellen Kompetenz für den Fremdsprachenunterricht und beschäftigt sind näher mit didaktischen Bildfunktionen und darunter mit der grammatisierenden Funktion, die weiter differenziert wird (vgl. Hecke 2013: 5). Dabei können Bilder zum Üben von grammatischen Strukturen bei der Bildbesprechung eingesetzt werden. Darüber hinaus kann durch Abbildungen der Kontext dargestellt werden, in dem entsprechende Grammatikthemen vorkommen. Auch logische Bilder „veranschaulichen Sprachmuster und konkretisieren so abstrakte Sprachregeln.“ (ebd.).

      Die ausgeführten Kategorisierungen basieren auf der Analyse von Lernmaterialien.10 Alle Autoren erwähnen die Bildfunktion zur Grammatikvermittlung. Brunsing (2016: 505-506) stellt auf der Grundlage ihrer Analyse11 von landeskundlichen Abbildungen in Lehrwerken eine zunehmende Entwicklung zur Multifunktionalität fest. D. h. landeskundliche Bilder übernehmen mehrere Funktionen, die sowohl allgemein als auch landeskundlich spezifisch sein können. Jedoch betont sie, „dass die Bilder zur Grammatikvermittlung in allen Gruppen auf diese Funktion beschränkt bleiben.“ (ebd.: 506). Jedoch können m. E. Visualisierungen zur Grammatikvermittlung auch weitere Funktionen übernehmen und z. B. für die Erschließung der Bedeutung von situativen Kontexten grammatischer Strukturen (semantisierende Funktion bzw. Realitäts-Ersatz), für die Lenkung der Aufmerksamkeit auf Besonderheiten der Bildung eines grammatischen Phänomens (Motivation) oder durch den Ansatz visueller Metaphern für die Anregung der Fantasie (mnemonische Funktion oder Gedächtnisstütze) verwendet werden. Wie die Multifunktionalität der Bilder zur Grammatikvermittlung realisiert werden kann, wird in Kapiteln 4.4, 4.5 und 5.3 dargestellt. Im Fokus des folgenden Unterkapitels steht eine konkrete Realisierung der grammatisierenden Funktion in Printmedien sowie in digitalen Lernmaterialien.

      3.4. Visuelle Unterstützung beim Grammatiklernen in analogen Medien

      Durch Visualisierungen kann das Erklären grammatischer Inhalte unterstützt werden, da „rein verbale Erklärungen im flüchtigen Medium der gesprochenen Sprache […] zu abstrakt [sind], sie überfordern die Lernenden, erschweren das Verstehen und dürften zudem einen geringen Behaltenseffekt haben“ (Storch 1999: 194). Zur Visualisierung von Grammatik im Bereich Deutsch als Fremdsprache arbeiteten einige Forschende Tipps für die Praxis aus (vgl. Brinitzer und Damm 2012; Kießling 2002; Nordkämper-Schleicher 1998; Scherling und Schuckall 1992). Neben den Praxistipps für die Arbeit mit Visualisierungen (Bilder, abstrakte Symbole, Signale etc.) im Grammatikunterricht wird ein kleiner Zeichenkurs für Lehrende angeboten (vgl. Scherling und Schuckall 1992). Laut Hilger (1999: 8) sind Bilder „ideale Hilfsmittel“ zur Erschließung grammatischer Inhalte, eine kritische Auseinandersetzung mit Visualisierungsmöglichkeiten der Grammatik und Anforderungen an einzelne Darstellungsformen in der Fremdsprachendidaktik ist dringend vonnöten.

      Der erste Versuch einer Systematisierung visueller Lernhilfen für die Grammatikvermittlung wurde von Funk (1984: 28-29) unternommen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit. Folgende Lernhilfen werden erwähnt: grafisch-technische Symbole (Unterstreichung, Tabellen, farbige Hervorhebung, Umrahmungen, Veränderung der Drucktypen), abstrakte Symbole (sprachsystembezogen oder inhaltsbezogen), konkret-bildliche Verstehenshilfen, Bild-Metaphern und Situierung von Strukturen und Verbalisierungsmustern (Zeichnungen, Fotos) (vgl. ebd.). Auf der Grundlage der Analyse der DaF-Lehrwerke unterscheiden Funk und Koenig (1991a, 1991b) zwischen drucktechnisch-grafischen Lernhilfen, abstrakten Symbolen1, konkreten Symbolen („Bildmetaphern“) und Lernhilfen durch Situationskontexte.

      Eine verbale Vermittlung grammatischer Regeln2 kann insbesondere im Anfängerunterricht kompliziert sein, daher könnten visuelle Elemente, wie Situationsbilder, konkrete bildliche Verstehenshilfen, Signale, abstrakte Zeichen und Bildsymbole (vgl. Scherling und Schuckall 1992: 97) verwendet werden. Laut Scherling und Schuckall (1992) findet eine gegenseitige Ergänzung von Bild und Sprache nur dann statt, wenn sie inhaltlich aneinander anknüpfen. Unter Situationsbildern werden nach Scherling und Schuckall (1992: 98) Visualisierungen verstanden, die der „Klärung des sprachlichen Handlungsrahmens“ dienen, welche den Situationsvorgaben von Funk entsprechen. Konkrete bildliche Verstehenshilfen stehen für visuelle Metaphern, die die formale Struktur eines grammatischen Phänomens darstellen, wie beispielsweise eine Schraubzwinge oder eine Schere für Satzklammer (vgl. ebd.: 105). Eine visuelle Metapher ist ein Beispiel analoger Bilder in der Typologie von Macaire und Hosch (1996) (s. Kap. 3.3).

      Farbe, Fettdruck, Einrahmungen und Pfeile gehören nach Scherling und Schuckall (1992) zur Signalgrammatik3 und können den Verstehensprozess von grammatischen Inhalten unterstützen, funktionieren aber kaum auf der pragmatischen Ebene des Gebrauchs und der Bedeutung. Mit Elementen der Signalgrammatik könnten grammatische Regeln konkretisiert werden, was bei der Selbstkorrektur und der Wiederholung hilfreich sei. Abstrakte Zeichen und Bildsymbole dienen auch der Regelpräzisierung und können in Übungen, z. B. zum Satzbau, eingesetzt werden (vgl. ebd.: 106). Scherling und Schuckall (1992) betonen, dass einzelne Visualisierungsmöglichkeiten der Grammatik exemplarisch aufgezeigt werden (vgl. ebd.: 97), d. h. dass es sich um keine prägnante Klassifikation handelt. Jedoch sind viele Übereinstimmungen zwischen der Klassifikation von Funk und Koenig (1991b) und einzelnen visuellen Lernhilfen nach Scherling und Schuckall (1992) festzustellen. Im Gegensatz zu Funk und Koenig gehen Scherling und Schuckall von der Funktionalität aus und zählen Farbe, Schrift und Pfeile zu den signalgrammatischen Mitteln. Erwähnenswert ist, dass keine weiteren Systematisierungsvorschläge möglicher Lernhilfen für Grammatik nach den oben erläuterten Publikationen zu finden sind. Die Platzierung der grammatischen Informationen, sowohl verbalen als auch visuellen, auf den Lehrwerkseiten, könnte im Hinblick auf die Rolle der Grammatik für eine genauere Analyse auch interessant sein.

      Um eine Doppelung zu vermeiden, wird an dieser Stelle auf Beispiele der ausgeführten Visualisierungen aus den DaF-Lehrwerken verzichtet. In Kapitel 4.4 zur Grammatikvermittlung werden sie anhand der Lehrwerkanalyse systematisch dargelegt. Jedoch ist ein Blick in eine Bildergrammatik bzw. in vier Ausgaben der Bildergrammatik für Deutsch als Fremdsprache, Englisch, Französisch und Spanisch sehenswert. Da die Analyse aller Visualisierungen der vier Bildergrammatiken den Rahmen sprengen würde und der Fokus dieser Arbeit auf dem Imperativ liegt, werden Lektionen zum Thema Imperativ in allen vier Ausgaben analysiert.

      Einen ambitionierten Versuch, grammatische Themen zu visualisieren, unternehmen Autoren der Grammatik in Bildern für Deutsch als Fremdsprache (Gubanova-Müller und Tommaddi 2016). Laut eigener Angabe könne jeder Grammatik mit der neuen visuellen Methode lernen. Bereits nach einem kurzen Blick ins Buch werden Erwartungen einer „neuen“ Methode nicht bestätigt. Bei den Visualisierungen handelt es sich um die bereits bekannten, oben skizzierten Elemente: farbige Markierungen, Pfeile, Abbildungen. Das Buch kündigt an, mit Visualisierungen den Text zu unterstützen, die reine Textmasse aufzubrechen und somit zu helfen, sprachliche Inhalte besser zu verstehen und zu verarbeiten (vgl. ebd.: 4). Einige Abbildungen versuchen grammatische Phänomene auf humorvolle Weise darzustellen, was eher eine verwirrende Wirkung hat. Es ist fraglich, ob Lernende bspw. verstehen würden, dass das Bild einer Schnecke auf einem Skateboard, das von dem Satz „Fahr ein bisschen langsamer!“ begleitet wird, die Funktion „Rat“ verdeutlichen soll (s. Abb. ebd.: 251). Für die visuelle Darstellung der Imperativbildung werden Farben, Durchstreichungen, Pfeile und mathematische Zeichen verwendet (s. Abb. ebd.: 252).

      In Grammatik in Bildern für Englisch wird dem Imperativ im Kapitel „Verb“ eine Doppelseite gewidmet (vgl. Melican und Proctor 2014: 116-117). Die Abbildung, auf der eine Person auf einem Felsen steht, sollte den Satz „Be careful.“ verständlicher machen. Die Funktionen des Imperativs werden im kurzen Text rot hervorgehoben. In Beispielsätzen sind die Imperativformen durch Fettdruck hervorgehoben. Darüber hinaus werden pragmatische Aspekte sowie Orthographiezeichen thematisiert und mit Beispielsätzen illustriert. Eine weitere Doppelseite zum Imperativ ist in Kapitel „Satzarten“ zu finden, in dem die Bildung der Imperativsätze im Englischen metasprachlich erklärt wird (vgl. ebd.: 254-255). Die Abbildung einer maskierten Person mit einer Pistole