Radegundis Stolze

Übersetzungstheorien


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von Texten schlägt NidaNida die ‘dynamische Äquivalenz’ vor, wo mit einer veränderten sprachlichen FormForm die Textbotschaft erhalten werden soll. Als Methode dient die syntaktische Analyse, der TransferTransfer von Grundstrukturen und die stilistische BearbeitungBearbeitung des Zieltextes. KollerKoller nennt normative Äquivalenzforderungen für Texte.

      6.1 Ausgangspunkt Bibelübersetzung (NidaNida)

      Das ÜbersetzenÜbersetzen soll anhand linguistischer Methoden überprüfbar und lehrbar gemacht werden (s. Kap. 5.4). Doch es genügt nicht, nur sprachliche Strukturen miteinander zu vergleichen: Übersetzt werden nicht Grammatikformen, sondern Texte, die einen gewissen InhaltInhalt und eine Wirkung transportieren. Von den Bedürfnissen der PraxisPraxis her gesehen interessiert daher eher das Verhältnis zwischen Übersetzungstext und OriginalOriginals. Ausgangstext, es geht um das Problem der „ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“. Weil der Aufbau der Einzelsprachen verschieden ist, können Übersetzungen nicht identisch sein.

      Grundlegend für eine systematische Übersetzungsforschung waren u.a. die Erfahrungen mit der Bibelübersetzung. Die WahrheitWahrheit der geschriebenen Botschaft sollte in vielen Sprachen unverändert den Menschen nahegebracht werden, doch hier stieß man auf vielerlei kulturelle Verständnisbarrieren. Die Adressaten reagierten anders als beabsichtigt. Um eine wissenschaftliche Grundlage für Bibelübersetzungen zu schaffen, hat Eugene A. NIDANida im Auftrag der amerikanischen Bibelgesellschaft 1964 in seinem Buch Toward a Science of Translating versucht, das ÜbersetzenÜbersetzen analytisch zu beschreiben. Seinen Ansatz hatte er schon 1947 in Grundsätzen entwickelt.1Nida Die Begegnung mit CHOMSKYS DenkenDenken (s. Kap. 3.4), führte ihn dann zu einer „wissenschaftlichen“ Grundlegung seiner Überlegungen. Seine Erkenntnisse wurden 1969 zusammen mit Charles R. TABER didaktisch aufbereitet in The Theory and Practice of TranslationTranslation (dt. TheorieTheorie und PraxisPraxis des Übersetzens, 1969). Dieses Buch sollte als Arbeitsgrundlage für „Redaktionskomitees“ der Bibelübersetzung dienen.

      Aufgrund der Verständigungsschwierigkeiten vieler Missionare, die sich in ihrer Verkündigung sehr wörtlichwörtlich an ihre Bibel hielten, wurde wieder deutlich, dass jede SpracheSprache an ihr eigenes WeltbildWeltbild gebunden ist (s. Kap. 2.1). Andererseits hatte aber die LinguistikLinguistiks. Sprachwissenschaft betont, dass es eine prinzipielle ÜbersetzbarkeitÜbersetzbarkeit geben muss (s. Kap. 3.6). Im Sinne des kommunikationswissenschaftlichen Modells der Nachrichtenübermittlung (s. Kap. 4.2) ändert sich beim ÜbersetzenÜbersetzen nur die FormForm, nicht aber der InhaltInhalt. Denn: „Alle Aussagen einer Sprache können auch in einer anderen gemacht werden, wenn nicht die Form ein wesentlicher Bestandteil der Botschaft ist“ (NIDANida/TABER 1969:4). Dies führt auch zu einer neuen Einstellung zu den Ausgangstexten, weg vom ‘heiligen Original’: „Die Sprachen der Bibel unterliegen den gleichen Beschränkungen wie jede andere natürliche Sprache. Die Verfasser der biblischen Bücher erwarteten, verstanden zu werden“ (ebd.:6). Die vordringliche Absicht, die „Botschaft“ (message) wiederzugeben, zwingt freilich zu einer ganzen Reihe von Anpassungen in der Sprache. „Der ÜbersetzerÜbersetzer muß sich um GleichwertigkeitGleichwertigkeit und nicht um Gleichheit bemühen“ (1969:11). So lautet die berühmte Definition des Übersetzens bei NIDA/TABER:

      Translating consists in reproducing in the receptor language the closest natural equivalent of the source language message, first in terms of meaning and secondly in terms of style (p. 12).

      ÜbersetzenÜbersetzen heißt, in der Empfängersprache das beste natürlichste (sic) Gegenstück zur Ausgangsbotschaft zu schaffen, erstens was den SinnSinn und zweitens was den StilStil anbelangt (S. 11).

      Diese in der LiteraturLiteratur wohl am meisten zitierte Definition impliziert das Prinzip der „dynamischen ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“. Bei NIDANida werden zweierlei Entsprechungen unterschieden:

      Formal equivalence focuses attention on the message itself, in both form and content. In such a translation one is concerned with such correspondences as poetry to poetry, sentence to sentence, and concept to concept. Viewed from this formal orientation, one is concerned that the message in the receptor language should match as closely as possible the different elements in the source language. (…) A translation of dynamic equivalence aims at complete naturalness of expression, and tries to relate the receptor to modes of behavior relevant within the context of his own culture; it does not insist that he understands the cultural patterns of the source language context in order to comprehend the message (NIDANida 1964:159).

      NIDANida interessiert sich vor allem für das Funktionieren der Zeichen in der ZielspracheZielspraches. ZS (Appellfunktion, s. Kap. 3.2) und weniger für den Bedeutungsinhalt als solchen. Die „formale ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ erinnert an SCHLEIERMACHERS verfremdende ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode (s. Kap. 2.2), während „dynamische ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ der Methode des Verdeutschens bei LUTHERLuther (s. Kap. 1.4) entspricht. Die geforderte „GleichwertigkeitGleichwertigkeit“ meint natürlichen Klang in der ZielspracheZielspraches. ZS, d.h. dass eine Übersetzung wie ein OriginalOriginals. Ausgangstext klingen sollte, damit die EmpfängerEmpfänger der Botschaft hier möglichst gleichartig reagieren wie die Empfänger in der Ausgangskultur (NIDA/TABER 1969:169). Damit wird im Grunde die ursprüngliche Botschaft auf ihre Funktion reduziert, ihre Gestalt ist nicht mehr so wichtig. So entsteht ein „System von Prioritäten“ für den ÜbersetzerÜbersetzer:

      1) kontextgemäße Übereinstimmung ist wichtiger als wörtliche Übereinstimmung; 2) dynamische GleichwertigkeitGleichwertigkeit ist wichtiger als formale Übereinstimmung; 3) die fürs Ohr bestimmte FormForm der SpracheSprache hat Vorrang vor der geschriebenen; 4) Formen, die von den vorgesehenen Hörern der Übersetzung gebraucht und anerkannt werden, haben Vorrang vor traditionellen Formen, auch wenn diese größeres Ansehen genießen (NIDANida/TABER 1969:13).

      Das ÜbersetzenÜbersetzen wird sowohl vom AspektAspekt der sprachlichen Formen her, als auch unter Einbezug der Reaktion der EmpfängerEmpfänger und der SituationSituation der Übermittlung betrachtet.

      6.2 Die ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode (NidaNida/Taber)

      Als ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode wird vor dem Hintergrund der Generativen Transformationsgrammatik (s. Kap. 3.4), die vereinfacht übernommen wird, ein Verfahren empfohlen, das aus drei Phasen besteht: einer Analyse, der Übertragung, und dem Neuaufbau. NIDANida hat gewisse Ähnlichkeiten zwischen Sprachen entdeckt und setzt diese nun mit den Tiefenstrukturen (kernels) gleich.

      It may be said, therefore, that in comparison with the theoretical possibilities for diversities of structures languages show certain amazing similarities, including especially (1) remarkably similar kernel structures from which all other structures are developed by permutations, replacements, additions, and deletions, and (2) on their simplest structural levels a high degree of parallelism between formal classes of words (e.g. nouns, verbs, adjectives, etc.) and the basic function classes in transforms: objects, events, abstracts, and relationals (NIDANida 1964:68).

      In dem Buch von NIDANida/TABER wird die ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode anhand zahlreicher Beispiele biblischer Texte entfaltet. Das zugrundeliegende Dreischritt-Modell unterscheidet sich vom Zweischritt-Modell KOSCHMIEDERS (s. Kap. 3.7), wo das ‘Gemeinte’ direkt über ein tertium comparationistertium comparationis zugeordnet wird.

      Es werden mittels intuitiv begründeter Rückführungen von Sätzen aus der OberflächenstrukturOberflächenstruktur (A) in Elementarsätze einfachere Strukturen (near-kernels) gebildet, die in einem zweiten Schritt in einfache zielsprachliche Strukturen umgesetzt werden, aus denen dann in einem dritten Schritt die Übersetzung (B) wieder aufgebaut wird. NIDANida/TABER (1969:32) verwenden folgende Darstellung:

      1.) In der AnalysephaseAnalysephase bedient sich der ÜbersetzerÜbersetzer der intuitiv umschreibenden Rückumformung in Elementarsätze zum Zweck der Erhellung des inhärenten Sinngehalts von Wortverbindungen