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Sittes Welt


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       Die Partei als Kirche

      Sitte blieb dem Glauben seines Vaters an den Kommunismus treu. Seine weltliche Kirche wurde die hierarchisch strukturierte SED mit ihren Forderungen nach Unterwerfung, Gehorsam und Loyalität. Trotz seiner guten Taten in Form propagandistischer Bilder und seiner wiederholten Bekenntnisse zur unfehlbaren Weisheit der Partei misstrauten ihm die Hüter des Dogmas bis weit in die 1960er Jahre hinein, dann wurde seine unverbrüchliche Loyalität endlich mit Ämtern, Macht, Preisen und Selbstdarstellungsmöglichkeiten belohnt.

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       Am Ende die Wende zu sich selbst

      Seine letzten ambivalenten Selbstporträts wie Nur ein Mensch (1989/90, S. 480) offenbaren dagegen Selbstzweifel und stellen Fragen an sich und sein Publikum. Sitte hinterlässt der Nachwelt einen großen schwarzen Schatten, bedrängt von allen Seiten. Er steht vor seiner eigenen Kreuzigung, der Lorbeerkranz krönt nicht sein Haupt, sondern entschwebt in den Himmel. Der parteitreue Rebell und eigensinnige Künstler schlüpfte spätestens ab 1965 in die Rolle eines Repräsentanten des Staates und diente bedingungslos dem System. Angesichts einer ritualisierten Gesellschaft, an deren Ideale niemand mehr glauben wollte, kümmerte er sich beharrlich zuerst um das eigene Wohlergehen und dann das seiner Schutzbefohlenen im Verband.

      Nach der Wende sieht sich der einstige Sieger der Geschichte als ihr Opfer, als einer, dem ein leuchtender Stern am Firmament der Kunstgeschichte von den eigenen Leuten, die zu Verrätern geworden sind, und vom „Klassenfeind“ verwehrt wurde.

      1 — Ausst.-Kat. Wittlich 2011.

      2Motiv Mensch. Willi Sitte und Fritz Cremer im Dialog, Kunsthalle Rostock, 11.11.2018–10.03.2019, ohne Katalog.

      3 — Sächsisches Staatsarchiv, BT/RdB, Mappe 2265, Bll. 49–53: Protokoll der erweiterten Bezirksleitungssitzung des VBKD Leipzig am 03.07.1953. Gemeint ist der Maler Walter Münze, 1952–56 Vorsitzender des Leipziger Bezirksverbandes des VBKD.

      4 — Alexander Dymschitz: Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei, in: Tägliche Rundschau, Nr. 271, 275, 19./24.11.1948, S. 97–103.

      5 — Zit. n. Günther Rüther: Die deutsche Literatur – ein Bindeglied der geteilten Nation, in: Ders. (Hrsg.): Kulturbetrieb und Literatur in der DDR, 2. Aufl., Köln 1988, S. 7–35, hier S. 12.

      6 — Archiv Burg Giebichenstein, Bestand B1/1: Personalbogen, „Besuch von Parteischulen“ etc.: „keine“.

      9 — Vgl. hierzu den Beitrag von Anna Habánová in dieser Publikation S. 149.

      10 — Peiner hatte 1938 den Großauftrag für sieben Gobelins ( jeweils 12 Meter lang) über die Schicksalsschlachten in der deutschen Geschichte, beginnend mit der Schlacht im Teutoburger Wald, erhalten, die in der Neuen Reichskanzlei in der Vossstraße aufgehängt werden sollten.

      11 — Schirmer/Sitte 2003, S. 17.

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