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Ursula Corbin
»Du sollst nicht töten«
Nachrichten aus dem Todestrakt
Der rüffer & rub Sachbuchverlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.
Erste Auflage Frühjahr 2021
Alle Rechte vorbehalten
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Alle Namen der Gefangenen sowie weiterer ProtagonistInnen wurden geändert; ihre Geschichten entsprechen den Tatsachen.
Bildnachweis:
© Laila Defelice: Cover, S. 12, 36, 62, 92, 126, 154, 166, 210
Privatbesitz Ursula Corbin: S. 18, 43, 50, 67, 72, 77, 80, 138, 161, 175, 186, 197, 215, 224
Schrift: Filo Pro, Arnhem
E-Book-Realisation: Bookwire
ISBN: 978-3-906304-80-9
eISBN: 978-3-906304-97-7
Inhalt
–Tausende von Briefen über den Atlantik
1.Abdullah alias Clifford – »Ich bin schon oft gestorben
2.Pablo – Eine fatale Entscheidung
–»Die Angst vor dem Sterben nehmen«
3.Steven – »Die Hölle ist hier auf Erden«
–Vom Filmen im Todestrakt Rolf Lyssy, Filmregisseur
4.Fred – Eine verhängnisvolle Beziehung
6.Ramon – Geister der Vergangenheit
–»Wird wohl jemand auf mich da drüben warten, wenn ich sterbe?«
–Fragen, die mir immer wieder gestellt werden
8.Levi – Das Gras unter den Füßen
»Returning violence for violence multiplies violence, adding deeper darkness to a night already devoid of stars. Darkness cannot drive out darkness, only light can do that. Hate cannot drive out hate, only love can do that.«
Martin Luther King
Tausende von Briefen über den Atlantik
Schon als Teenager träumte ich davon, eines Tages in die USA auszuwandern. Ich war überzeugt, dass dort alles so viel besser, größer und freier sei als in unserer kleinen engstirnigen Schweiz. Mit knapp 18 Jahren zog ich von zu Hause aus und lebte anschließend viele Jahre auf verschiedenen Kontinenten – bis ich schließlich in den USA landete: Ich hatte einen Amerikaner geheiratet und lebte mit ihm einige Jahre in verschiedenen Staaten. Mit dem Alltagsleben veränderte sich meine Sicht der Dinge jedoch gewaltig, das Leben war alles andere als leicht und unbeschwert. Es war ein harter Überlebenskampf, dem wir uns täglich zu stellen hatten, und zu alledem musste man ständig auf der Hut sein. Die Kriminalitätsrate war sehr hoch, und die Menschen hatten Angst. Auch ich hatte mehrere Schlösser an meinen Türen, auch ich fuhr mit dem Auto die 200 Meter bis zum Lebensmittelladen, auch ich vergewisserte mich vor dem Einsteigen jedes Mal zuerst, ob sich jemand hinter meinem Sitz versteckte, und auch ich schnallte – wie viele Mütter – meinen kleinen Sohn im Einkaufswagen fest, damit ihn niemand mitnehmen konnte. Im Fernsehen gab es jeden Tag vor allem Nachrichten über Morde, Vergewaltigungen und schreckliche Unfälle, man sah kaum etwas Positives.
Kaum zu glauben: Das war also das Land meiner Träume, das Land der großen Freiheit, und dabei ging es so vielen Menschen schlecht. Ich kam recht viel herum in diesem Land, und an so vielen Orten sah ich Armut. Ganze Familien lebten in ihren Autos, weil sie die Miete nicht bezahlen konnten und ihr Haus verloren hatten. Am Strand richteten sich jeden Abend Menschen ihren Schlafplatz ein, weil sie weder ein Zuhause hatten noch einen Job; in den Abfalltonnen vor den Fast-Food-Ketten suchten sie nach Essbarem.
Zum ersten Mal hörte ich auch, welch horrende Strafen für relativ harmlose Verbrechen gesprochen wurden (wohl zur Abschreckung) und dass in den USA immer wieder die Todesstrafe vollzogen wurde. Zwar waren es jeweils nur kleine Randnotizen in den Zeitungen, wenn wieder ein Mensch auf dem elektrischen Stuhl getötet worden war, aber ich