sagte Elmer.
»War gar keine Mühe für mich. Das liegt auf meinem Weg nach Colorado – ich hab' eine Hütte dort oben in den Bergen gemietet – prachtvolle Aussicht – Sonnenuntergänge – vom Herrn selbst gemalt. Meine Gemeinde ist so gut gewesen, mir zwei Monate Urlaub zu geben. Ich wollte, Sie könnten auf eine Zeitlang dort hinkommen, Bruder Elmer.«
»Ich wollte, ich könnte, Doktor, aber ich muß in aller Demut versuchen, die Feuer hier in der Gegend im Brennen zu erhalten.«
Mrs. Gantry keuchte. Daß ihr kleiner Junge sich mit Dr. Ingle unterhielt, als wären sie ganz gleich! Daß sie ihn wie einen Prediger reden hören konnte – als ob das ganz natürlich wäre! Und eines Tages – Elmer mit einer berühmten Kirche; mit einer Hütte in Colorado für den Sommer; verheiratet mit einer netten frommen kleinen Frau, mit einem halben Dutzend Kinder; und sie selbst eingeladen, den Sommer über mit ihnen zusammen zu sein; sie alle bei Familiengebeten kniend, von Elmer angeführt … obwohl Elmer es jetzt ablehnte, Familienandachten zu halten; er sagte, er hätte genug davon das ganze Jahr über im Seminar … zu bös, aber sie würde immer weiter schmeicheln … und wenn er nur endlich mit dem Rauchen aufhören würde, wie sie ihn bat und beschwor … na ja, wenn er gar keine Ungezogenheiten mehr hätte, wäre er vielleicht überhaupt nicht mehr ihr kleiner Junge … Wie hatte sie früher immer schimpfen müssen, um ihn dazu zu bringen, daß er sich die Hände wüsche und die netten Pulswärmer aus roter Wolle anlegte, die sie für ihn gestrickt hatte!
Nicht weniger befriedigend war für sie der Eindruck, den Elmer auf alle ihre Nachbarn machte. Charley Watley, der Anstreicher, Führer des Ezra P. Nickerson-»Postens«, der Bürgerkriegsveteranen von Paris, der immer an seinem weißen Schnurrbart gezogen und gegrunzt hatte, wenn sie ihm von Elmers verborgenen Heiligungskräften geredet hatte, nahm sie zur Seite und gestand ein: »Sie hatten recht, Schwester; er gibt einen schönen, aufrechten jungen Mann Gottes ab.«
Sie begegneten dem Stadtproblem, dem Apotheker Hank McVittie. Elmer und er waren Spielkameraden gewesen; gemeinsam hatten sie Mais gestohlen, schweren Apfelwein getrunken und Liebesgenüssen im Heu gefrönt. Hank war ein kleiner roter Mann mit mutwilligem und durchtriebenem Blick. Es war sicher, daß er heute nur gekommen war, um Elmer auszulachen.
Sie standen einander gegenüber, und Hank bemerkte: »Morgen, Mrs. Gantry. Na, Elmy, Prediger werden, was?«
»Jawohl, Hank.«
»Gern?« Hank grinste und kratzte sich mit seiner sommersprossigen Hand am Kinn; andere gottlose Pariser hörten zu.
Elmer rief: »Sehr gern, Hank. Mit vielen Freuden! Ich liebe die Wege des Herrn und will meinen Fuß nie auf andere setzen! Weil ich von der Frucht des Bösen gekostet habe, Hank – du weißt es. Und es ist nichts dran. Was für Spaß wir auch hatten, Hank, es war nichts im Vergleich zu dem Frieden und der Freude, die ich jetzt fühle. Du tust mir ein wenig leid, mein Junge.« Er strahlte Hank an und ließ seine Tatze schwer auf die Schulter des Apothekers fallen. »Warum versuchst du nicht, dich gut mit Gott zu stellen? Oder bist du vielleicht besser als er?«
»Ist mir noch nie eingefallen, so was zu behaupten!« fauchte Hank, und in dieser Ärgerlichkeit triumphierte Elmer, jubelte seine Mutter.
Es tat ihr leid, als sie sah, wie wenige Eddie Fislinger gratulierten, der sich mit ihnen im Kreise bewegte, aber mutterlos, unansehnlich, voll ängstlicher Verlegenheit vor der führenden Geistlichkeit.
Der alte Jewkins, ein demütiger, freundlicher alter Farmer, kam heran und murmelte: »Ich möchte Ihnen die Hand drücken, Bruder Elmer. Ich freu' mich sehr, daß ich sehen kann, daß Sie so gewählt haben und jetzt für das Werk des Herrn aufgehoben sind. Jemine! Wenn ich dran denk', daß ich mich noch an Sie erinnern kann, wie Sie so 'n Grashopser waren, der einem bis zum Knie gegangen ist! Sie studieren jetzt wohl 'ne ganze Menge von schrecklich gelehrten Büchern.«
»Man läßt uns tüchtig und angestrengt arbeiten, Bruder Jewkins. Man gibt uns ziemlich schwierige Sachen: Hermeneutik, Chrestomathie, Perikope, Exegese, Homiletik, Lithurgik, Isagogik, Griechisch, Hebräisch und Aramäisch, Hymnologie, Apologetik – ach, es reicht schon.«
»Wohl, wohl! Du meine Güte«, stöhnte der alte Jewkins verehrungsvoll, während Mrs. Gantry sich wunderte, daß Elmer noch gelehrter war, als sie gedacht hätte, und Elmer voll Stolz überlegte, daß er wirklich wußte, was alle diese Worte – bis auf einige – bedeuteten.
»Herr Jeses!« seufzte seine Mutter. »Du wirst ja so gebildet, daß ich, weiß Gott, mich bald nicht mehr trauen werd', mit dir zu reden!«
»O nein. Nie wird es eine Zeit geben, wo du und ich nicht die allerbesten Freunde sein werden, oder wo ich nicht die geistliche Hilfe deines Gebetes brauchen werde!« sagte Elmer in singendem Ton, mit kultiviertem, doch mannhaftem Lachen.
3
Man versammelte sich auf Bänken, Wagensitzen und Kisten zur Zeremonie der Ordinierung.
Die Kanzel war ein Holztisch mit einer riesigen Bibel und einem Krug Limonade darauf. Dahinter standen sieben Schaukelstühle für die Geistlichkeit, und genau davor zwei harte Holzstühle für die Kandidaten.
Der damalige Ortsgeistliche, Bruder Dinger, war ein magerer Mann, der langsam redete und gern lange betete. Er klopfte auf den Tisch. »Wir wollen, äh, wir wollen jetzt beginnen.«
… Elmer sah auf seinem Küchenstuhl vor den Reihen erhitzter, geröteter Gesichter hübsch aus. Er hörte auf, sich darüber zu ärgern, daß seine glänzenden neuen Schuhe staubgrau waren. Sein Herz pochte. Er war dran! Kein Entrinnen! Er würde Pastor sein! Die letzte Gelegenheit für Jim Lefferts, und der Himmel wußte, wo Jim war. Er konnte nicht – seine Schultermuskeln waren hart. Dann entspannten sie sich müde, als hätte er bis zum Überdruß gekämpft, während Bruder Dinger fortfuhr:
»Also, wir wollen mit der gewöhnlichen, äh, Prüfung unserer jungen Brüder beginnen, und die Brüder sind, äh, sie sind so gut gewesen, äh, mich, äh, unter dessen Obhut einer, äh, einer dieser lieben jungen Brüder immer gelebt und sein Heim gehabt hat – mich, äh, die Fragen stellen zu lassen. Nun, Bruder Gantry, glauben Sie voll und aus ganzem Herzen an die Taufe durch völliges Untertauchen?«
Elmer dachte: »Was für eine fürchterliche Kanzelstimme der arme Schafskopf hat«, aber laut polterte er los:
»Ich glaube, Bruder, und bin es auch so gelehrt worden, daß ein Mensch vielleicht gerettet werden könnte, wenn er ganz einfach durch Besprengen oder Übergießen getauft worden ist, aber nur, wenn er die Wahrheit nicht gekannt hat. Natürlich ist das völlige Untertauchen die einzige schriftgetreue Methode – wenn wir wirklich werden sollen wie Christus, müssen wir mit ihm bei der Taufe begraben werden.«
»Das ist schön, Bruder Gantry. Loben Sie Gott! Nun, Bruder Fislinger, glauben Sie an das Beharren in der Gnade?«
Eddies eifrige, aber mißtönige Stimme erklärte weiter – weiter – einschläfernd wie die Heuschrecken in den flimmernden Feldern jenseits des Kayooska River.
Da es in der Baptistenkirche keine Hierarchie gibt, sondern nur eine freie Gemeinschaft gleichgesinnter Ortskirchen, kennt sie keine kanonischen Formen, sondern lediglich Gepflogenheiten. Die Zeremonie der Ordinierung ist kein fest umschriebener Ritus; sie kann je nach dem Willen der örtlichen Gemeinschaft wechseln, die Weihe wird nicht durch einen Bischof erteilt, sondern durch die allgemeine Zustimmung der in einer Gemeinschaft vereinigten Kirchen.
Auf die Fragen folgte die »Ansprache an die Kandidaten«, eine fürchterliche Mahnrede, gehalten von dem großen Dr. Ingle, in welcher er Studium, leichtes Essen und Krankenbeistand durch Besuche und Vorlesen von Bibelstellen empfahl. Dann vereinigten sich alle zu einem schrecklichen Essen aus den Körben an langen Brettertischen am kühlen Fluß … Bananenkuchen, Pfannkuchen, Brathuhn, Schokoladekuchen, hausgebackene Kartoffeln, Eremitenküchelchen, Kokosnußkuchen, Tomatenkonserven, alles auf Tellern, die auf dem Tisch umherrutschten; dazu Kaffee, der aus einem ungeheuren Zinntopf in untertassenlose Becher geschenkt wurde, wobei unentwegt mindestens ein Kind verbrüht wurde, das