Löffel fallen lassen, und 'ne Ameise ist drauf gekommen – na, ich werd' ihn ganz einfach an meiner Schürze abwischen – das war schön, wie Bruder Gantry erklärt hat, wie die Baptistenkirche schon die ganze Zeit seit den Tagen der Bibel existiert.« … Die Jungen badeten, kreischten, bespritzten einander … Die Jungen gerieten in den Giftsumach … Die Jungen wurden im Sumach so vergiftet, daß sie innerhalb sieben Stunden Flecken auf der Haut bekommen und anzuschwellen beginnen würden … Dr. Ingle erzählte den anderen Geistlichen begeistert von seinem Ausflug ins Heilige Land … Elmer log von den zärtlichen Gefühlen, die er für den Lehrkörper seines theologischen Seminars hegte.
Als sie nach dem Lunch wieder versammelt waren, hielt Bruder Tusker, der Prediger der größten Gemeinde in der Vereinigung, die »Ansprache an die Kirchen«. Das pflegte immer der pikanteste, skandalöseste und köstlichste Teil der Ordinierungszeremonie zu sein. Bei dieser Ansprache hatte die Geistlichkeit Gelegenheit, es den Pfarrkindern heimzuzahlen, die, als Stifter großer Beiträge, als garantierte Heilige, an ihnen herumgenörgelt hatten.
Hier gingen diese prächtigen jungen Männer in den Dienst, sagte Bruder Tusker. Nun, es gälte ihnen zu helfen. Bruder Gantry und Bruder Fislinger sprängen vor Opfer und Lernbegier. Dann sollten ihnen die Kirchen aber auch eine Möglichkeit geben und sie nicht die ganze Zeit auf der Hetzjagd sein lassen, wie es manche ältere Prediger tun müßten, um ihre Einkünfte zu erhöhen! Man sollte mit dem Kritteln aufhören; man sollte gottgefälliges Leben und endlich einmal das Wort zu schätzen wissen, statt den ganzen Tag lang auf seinen Predigern herumzuhämmern!
Und manche der Anwesenden, die den Predigerfrauen Trägheit vorwürfen, merkwürdig, wie gerade einige von diesen Zeit dafür zu haben schienen, sich mit Tratsch und Klatsch herumzutreiben, alles zu sehen und Skandal zu verbreiten! Es wären nicht nur die Mannsleute, an die der Heiland gedacht hätte, als er sagte, die ohne Sünde wären, sollten die ersten Steine aufheben!
Die übrigen Prediger lehnten sich in ihren Stühlen zurück, versuchten gleichgültig auszusehen und hofften, Bruder Tusker würde sich noch ein klein wenig eingehender mit der Sache der Gehaltserhöhung befassen.
In seiner Predigt und dem abschließenden Ordinierungsgebet gab Bruder Knoblaugh (von Barkinsville) zu Ehren Elmer Gantrys, Eddie Fislingers und Gottes einen kurzen Abriß der Geschichte der Baptisten und sprach von der Wichtigkeit der Missionen und den Gefahren, die es mit sich brächte, die Bibel nicht täglich vor dem Frühstück zu lesen.
Während dieses langen Gebets standen die Gastpastoren mit ihren Händen auf den Köpfen von Elmer und Eddie.
Zunächst gab es da einen grotesken Zwischenfall. Die meisten Geistlichen waren kleine Männer, die nicht bis zu Elmers Kopf hinaufgreifen konnten. Angestrengt, entsetzt und ganz unkirchlich standen diese ärmlichen guten Leute vor dem unruhigen Publikum. Es gab ein Gekicher. Elmer hatte einen Geistesblitz. Er kniete plötzlich nieder und Eddie, glotzend und ängstlich, ahmte ihm nach.
In dem pulverigen grauen Staub kniete Elmer, ohne sich dessen bewußt zu sein. Auf seinem Kopf lagen die müden Hände dreier geistlicher Veteranen, und mit einem Male war er demütig, einen Augenblick lang wurde er wahrhaftig für den priesterlichen Dienst Gottes geweiht.
Bis zu diesem Augenblick war er nichts als ungeduldig gewesen. In den Kapellen von Mizpah und Terwillinger hatte er zu viel berühmte Kanzelredner als Gäste sprechen gehört, als daß die bäuerische Beredsamkeit der Kayooska-Vereinigung auf ihn hätte Eindruck machen können. Doch jetzt empfand er ihre schüchterne Zärtlichkeit, ihre ungelehrte Glaubensglut – diese von der Armut ausgemergelten Pfarrer glaubten, voller Geduld in ihren kahlen, nüchternen Heiligtümern, daß sie die Welt retteten, und begrüßten voll demütiger Sehnsucht die jungen Leute, denen sie einst selbst gleich gewesen waren.
Zum erstenmal seit Wochen betete Elmer nicht, um sich zu zeigen, sondern aufrichtig, voll Leidenschaft und mit einem Anflug von Ehrlichkeit:
»Lieber Gott – ich will's schaffen – nicht Eindruck schinden, sondern nur an dich denken – Gutes tun – hilf mir, Gott!«
Ein kühler Luftzug ließ die schweren, staubüberzogenen Blätter erzittern, und als die seufzende Menge sich mit Gepolter von ihren Bänken erhob, stand Elmer Gantry voll Zuversicht da … geweihter Prediger des Evangeliums.
Sechstes Kapitel
Im Staate Winnimac (zwischen Pittsburgh und Chikago) liegt, an die hundert Meilen südlich von Zenith, Babylon, eine Stadt, die mehr von Neu-England hat als vom Mittelwesten. Große Ulmen beschatten sie, weiße Pfeiler stehen hinter Fliederbüschen, und rings um die Stadt ist eine gelassene Heiterkeit gebreitet, welche die stürmischen Prärien nicht kennt.
Hier befindet sich das Mizpah-Seminar für Theologie, das den Nordbaptisten gehört. (Es gibt einen Nord- und einen Südkonvent dieser ausgezeichneten Sekte, weil vor dem Bürgerkrieg von den Nordbaptisten an Hand der Bibel unwiderlegbar bewiesen wurde, daß die Sklaverei unrecht sei; und von den Südbaptisten, ebenso unwiderleglich und an Hand der Bibel, daß die Sklaverei der Wille Gottes sei.)
Die drei Gebäude des Seminars sind hübsch: Backsteinbauten mit weißen Kuppeln, grünen Läden vor den kleinscheibigen großen Fenstern. Aber innen sind sie kahl, an den getünchten Wänden abgewetzt, mit Bildnissen von Missionaren und zerfetzten Predigtbänden.
Der große Bau ist das Wohngebäude, Elizabeth J. Schmutz-Hall – bei den weniger Ehrfürchtigen als Schmutzhalle bekannt.
Hier wohnte Elmer Gantry, schon ordiniert, aber noch im letzten Jahr vor seinem Baccalaureus der Theologie, einem Grad, der bei Verhandlungen mit den größeren Kirchen Handelswert hat.
Sie waren nur noch sechzehn in seiner Klasse, die ursprünglich aus fünfunddreißig bestanden hatte. Die anderen waren abgegangen, um auf dem Lande zu predigen, als Lebensversicherungsagenten zu arbeiten, oder um traurig zum Pfluge zurückzukehren. Es war niemand da, mit dem er gern zusammen gewohnt hätte, er lebte verdrossen in einem Einzelzimmer mit einer Feldbettstelle, einer Bibel, einem Bild seiner Mutter und einem Band »Was ein junger Mann wissen muß«, den er in seinem einzigen gestärkten Kanzelhemd versteckt hielt.
Die meisten seiner Klassenkameraden waren ihm unsympathisch. Sie waren zu bäuerisch oder zu fromm, sie zeigten zu viel Neugier für seine monatlichen Ausflüge in die Stadt Monarch oder waren ganz einfach zu beschränkt. Elmer liebte die Gesellschaft von Leuten, die er für intellektuell hielt. Er verstand nie, was sie sagten, aber wenn er ihnen zuhörte, hatte er ein Gefühl der Überlegenheit.
Die Gruppe, bei der er sich am liebsten aufhielt, versammelte sich im Zimmer Frank Shallards und Don Pickens', dem großen Eckzimmer im zweiten Stockwerk der Schmutzhalle.
Es war kein ästhetischer Raum. Obgleich Frank Shallard leicht hätte dazu kommen können, Bilder, ernste Musik und kultivierte Möbel zu lieben, war er dazu erzogen worden, sie als weltlich anzusehen und sich mit jener Kunst zu begnügen, die »eine Botschaft in sich trug«, »Les Miserables« für schön zu halten, weil der Bischof ein freundlicher Mann war, und den »Scharlachbuchstaben« für ein armseliges Buch, weil die Heldin eine Sünderin war und der Autor sich nichts daraus machte.
Der alte Bewurf der Wände war geplatzt und fahlgrau geworden, er zeigte die Blutspuren längst erschlagener Moskitos und Wanzen – diese gräßlichen Schlachten hatten die Visionen angeregt, mit denen nun eine materialistische Welt von den geistlichen Kämpfern beglückt wurde. Das Bett war ein Skelett aus verrosteten Eisenstangen, in der Mitte durchgebogen, mit einer nicht allzu sauberen Steppdecke. In den Ecken standen Koffer, der Kleiderschrank war eine Hakenreihe hinter einem Kalikovorhang. Die Binsenmatte zerfiel allmählich in einzelne Fasern, unter dem Studiertisch war sie bis auf die billigen Tannendielen durchgerieben.
Die einzigen Bilder waren Franks Stahlstich von Roger Williams, seine gerahmte stiefmütterchenfarbene Kopie von »Pippa geht vorüber« und Don Pickens' Lieblingsgemälde, eine Landkirche in winterlichem Mondschein, mit Flitterschnee,