Sinclair Lewis

Gesammelte Werke


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der Hochzeitsnacht vielleicht nicht umbringen. Wollen sehen. Und in der Öffentlichkeit werden wir immer anständig zu Ihnen sein – nicht mal lachen, wenn wir Sie predigen hören. Jetzt los, verstanden?«

      Während Elmer sich umkleidete, konnte er sein Gesicht von ihnen abgewendet halten, sich sammeln, so daß er imstande war, sich plötzlich mit seinem hübschesten, seinem männlichsten und gewinnendsten Lächeln zu ihnen umzudrehen.

      »Bruder Bains, ich möchte Vetter Floyd und Ihnen danken. Sie haben vollkommen unrecht, wenn Sie denken, daß ich an Lulu nicht gut gehandelt hätte. Aber ich frohlocke, ich frohlocke,daß sie mit so treuen Verwandten gesegnet ist!« Das verwirrte die beiden zwar mehr als es sie gewann, aber er fing sie völlig mit einem herzlichen: »Und solche Bullen! Ich bin selber ziemlich stark – bin noch mehr im Training, als Sie glauben – aber mit euch könnt' ich wohl nicht eins zwei drei machen! Ein Glück für den alten Elmer, daß Sie Ihren verdammten Mordsschlag nicht losgelassen haben, Bruder Bains! Und Sie haben recht. 'S hätte gar keinen Sinn, die Hochzeit zu verschieben. Der fünfzehnte Mai wird ausgezeichnet passen. Jetzt möcht' ich aber um eins bitten: Lassen Sie mich zehn Minuten allein mit Lu, bevor Sie die Mitteilung machen. Ich möcht' sie trösten – sie glücklich machen. Oh, Sie werden schon wissen, ob ich die Treue halte – das Adlerauge des Vaters wird es sehen.«

      »Na, mein väterliches Adlerauge hat in der letzten Zeit nicht grad' besonders gut gearbeitet, aber ich glaub', 's wird schon gut sein, wenn Sie vorher mit ihr reden.«

      »Wollen wir uns jetzt die Hände geben? Bitte!«

      Er war so groß, so strahlend, so voll dreister Zuversicht. Sie sahen albern drein, grinsten wie Bauern, denen ein Politiker schmeichelt, und schüttelten ihm die Hand.

      Bei den Bains' waren eine Menge Menschen, es gab Brathuhn und eingemachte Wassermelonen.

      Der Diakon brachte Lulu zu Elmer ins Gastzimmer und ließ sie dort.

      Elmer saß behaglich auf dem Sofa; sie stand vor ihm, zitternd, mit roten Augen.

      »Komm, du armes Kind«, sagte er in freundlicher Herablassung. Schluchzend rückte sie näher. »Wirklich, Lieber, ich hab' Pa kein Wort gesagt – ich hab' ihn nicht gebeten, es zu tun – oh, ich will's nicht, wenn's dir nicht recht ist.«

      »Na, na, Kind. Ist ja alles gut. Ich bin sicher, daß du eine gute Frau sein wirst. Setz dich.« Und er gestattete ihr, ihm die Hand zu küssen, so daß sie sehr glücklich wurde, schrecklich weinte und freudestrahlend zu ihrem Vater hinausging.

      Er überlegte unterdessen: »Damit hab' ich dich, der Teufel soll dich holen! Jetzt muß ich noch was finden, wie ich aus dem Dreck da rauskommen kann.«

      Bei der Mitteilung, daß Lulu mit einem Gottesmann verlobt sei, brach die Menge in heisere, fromme Jubelrufe aus.

      Elmer hielt eine ziemlich lange Rede, in die er alles hineinstopfte, was die Heilige Schrift über die Beziehungen zwischen den Geschlechtern zu sagen hatte – das heißt, alles, worauf er sich besann, und was in Damengesellschaft zitiert werden konnte.

      »Vorwärts, Bruder! gib ihr 'nen Kuß!« riefen sie.

      Er tat es, herzlich, so herzlich, daß er eine merkwürdige Erregung verspürte.

      Er verbrachte die Nacht dort und war so voll heiliger Zärtlichkeit, daß er in Lulus Schlafzimmer schlich, als die Familie schlafen gegangen war. Sie stützte sich auf das Kissen und flüsterte: »Oh, mein Herz! Und du hast mir verziehen! Ach! ich hab' dich ja so lieb«, als er ihr duftendes Haar küßte.

      6

      Es war gebräuchlich, daß die Studenten in Mizpah, wenn sie sich verlobten, den Dekan Trosper davon verständigten. Der Dekan empfahl sie für Predigerposten, und dabei war der Ehestand ausschlaggebend. Junggesellen wurden eher Hilfsgeistliche in Großstadtkirchen; verheiratete Männer, besonders diejenigen, deren Frauen lebendige Frömmigkeit hatten und kochen konnten, wurden gewöhnlich in kleine, eigene Kirchen gesandt.

      Der Dekan ließ Elmer in sein unfreundliches Haus am Rande des Collegehofes kommen – es war ein Haus, das ständig nach Kohl und feuchter Asche roch – und erkundigte sich:

      »Gantry, was ist denn das für eine Sache mit Ihnen und einem Mädel in Schoenheim?«

      »Ja, Dekan,« in verletzter Redlichkeit, »ich bin mit einer prächtigen jungen Dame dort verlobt – es ist die Tochter von einem meiner Diakone.«

      »Na, das ist schön. Es ist besser zu heiraten, als sich zu verzehren – oder wenigstens heißt es in der Schrift so. Jetzt wünsch' ich aber keine Dummheiten bei der Sache. Ein Prediger muß vorsichtig gehen. Sie müssen sogar den Anschein des Bösen vermeiden. Ich hoffe, Sie werden sie lieb haben und gut behandeln, und außerdem glaub' ich, wird es gut sein, wenn Sie nicht nur mit ihr verlobt sind, sondern sie auch heiraten. Ist gut.«

      »Jetzt, verdammt noch einmal, was hat er damit gemeint?« protestierte Parzival auf dem Heimwege.

      7

      Er mußte schnell arbeiten. Er hatte nicht ganz zwei Monate bis zur drohenden Hochzeit vor sich.

      Ob er Lulu mit jemand zusammenbringen und erwischen könnte? Wie wär's mit Floyd Naylor? Der Idiot liebte sie.

      Er verbrachte so viel Zeit in Schoenheim, wie ihm nur möglich war, nicht nur mit Lulu, auch mit Floyd. Er ließ alle strahlende Wärme, die er aufbringen konnte, auf Floyd wirken und machte diesen vertrauensseligen Bauerntölpel aus einem Feind zu einem bewundernden Freund. Eines Tages, als Floyd und er zusammen zur Draisine gingen, schnurrte er:

      »Weißt du, Floyd, eigentlich ist es ja 'ne Schande, daß Lu mich heiratet, und nicht dich. Du bist so ruhig und arbeitsam und geduldig. Ich komm' so leicht in Hitze.«

      »Ach Gott, nein, ich bin nicht gescheit genug für sie, Elmer. Sie muß schon einen Menschen mit Bücherwissen heiraten, wie dich, einen, der sich auch fein anzieht, damit sie in die Gesellschaft und das alles kommen kann.«

      »Aber ich glaub', du hast sie selber recht gern gehabt, was? Mußt du ja auch! Das süßeste Mädel auf der ganzen Welt. Du hast sie bißchen gern gehabt?

      »Ja, ich glaub' schon. Ich – ach, also, verflixt, ich bin nicht gut genug für sie, Gottes Segen mit ihr!«

      Elmer machte kein Hehl aus seiner zärtlichen Zuneigung für Floyd und aus seiner Bewunderung für die guten Eigenschaften und das schöne Singen des jungen Manns. (Floyd Naylor sang ungefähr so, wie man es eben von Floyd Naylor erwarten konnte.) Elmer sprach von ihm als seinem künftigen Vetter und wollte viel mit ihm zusammen sein.

      Er pries Lulu und Floyd einander an und ließ sie zusammen, so oft er es bewerkstelligen konnte, schlich aber zurück, um sie durchs Fenster zu beobachten. Doch zu seiner Entrüstung saßen sie ganz einfach da und unterhielten sich.

      Dann hatte er eine Woche in Schoenheim, die ganze Woche vor Ostern. Die Schoenheimer Baptisten machten in ihrem Abscheu vor allem Papismus von Ostern nicht viel als Ostern her; sie nannten es »Christi Auferstehungsfest«, hielten aber in der Zeit, welche die Ketzerwelt als Karwoche kennt, gern täglich Meetings ab. Elmer wohnte bei den Bains' und arbeitete mächtig sowohl gegen die Sünde wie gegen seine Ehe. Er war so außerordentlich rührig und beredt, daß er zwei sechzehnjährige Mädchen aus ihren Sünden führte und das abschreckende Beispiel der Nachbarschaft bekehrte, einen Patriarchen, der gegorenen Apfelmost trank und seit zwei ganzen Jahren nicht bekehrt worden war.

      Elmer wußte jetzt, daß Floyd Naylor, wenn er auch nicht mehr gerade eine Jungfrau war, in seinen Taten und seinem Mut weit hinter seinen Wünschen zurückblieb, und machte sich an die Arbeit, diesen Mut anzustacheln. Er ging mit Floyd auf die Weide hinaus und erzählte, nachdem er huldvoll zugegeben hatte, daß ein Prediger von solchen Dingen vielleicht nicht reden sollte, von seinen amourösen Eroberungen, bis Floyds Augen hungrig hervorquollen. Dann führte Elmer unter gekicherten Entschuldigungen die Sammlung vor, die er seine Künstlerphotographien nannte.

      Floyd