er könnte ein halbes Dutzend Arbeiter auf einmal schlagen.
Es ist sehr fraglich, ob er je in engere Verbindung mit dem Herrn und Eddie Fislinger gekommen wäre, wenn die Vorsehung nicht in ihrer charakteristisch wunderbaren Weise interveniert hätte. Der Vorderste der Angreifenden holte eben nach Elmer aus, als der Haufen aufschrie: »Aufpassen! Die Polypen!« Die Polizeitruppe von Cato, alle drei Mann hoch, keilte sich in die Menge. Es waren schlanke, schnurrbärtige Männer mit kühlen Augen.
»Was hat der Auflauf zu bedeuten?« erkundigte sich der Wachtmeister.
Er sah Elmer an, der drei Zoll größer war als alle anderen Anwesenden.
»Ein paar von den Kerls wollten eine friedliche religiöse Versammlung unterbrechen – ja, sie wollten sogar den Reverend hier anpöbeln – und ich hab' ihn in Schutz genommen«, sagte Elmer.
»Das stimmt, Wachtmeister. Regelrechte Überschreitung«, klagte Jim.
»Das ist wahr, Wachtmeister«, flötete Eddie Fislinger von seiner Kiste herunter.
»Also, jetzt wird Schluß gemacht damit. Was, verdammt noch einmal! Ihr solltet euch schämen, einen Reverend nicht in Frieden zu lassen! Machen Sie weiter, Reverend!«
Der Bäcker war zu sich gekommen, man hatte ihn auf die Füße gestellt. Seine Miene zeigte, daß ihm Unrecht angetan worden war, und daß er etwas unternehmen wollte, hätte er nur dahinter kommen können, was geschehen war. In seinen Augen standen entsetzte Blicke, sein Haar war ein schmutziges Durcheinander, seine große mehlige Wange war aufgerissen. Er war zu benommen, um zu erkennen, daß der Polizeiwachtmeister vor ihm stand, und in seinem umnebelten Geist wollte er nicht vom Glauben lassen, daß er die ganze Religion vernichte.
»Ah, Sie sind auch einer von den salbadernden Predigern!« schrie er Elmer zu – eben als einer der schlanken Polizisten einen unglaublich langen Arm ausstreckte und ihn faßte.
Die Aufmerksamkeit der Menge wärmte Elmer, er dehnte sich wohlig in ihr und rieb sich im Geiste die Hände über ihrer Flamme.
»Vielleicht bin ich kein Prediger! Vielleicht bin ich nicht einmal ein guter Christ!« rief er. »Vielleicht hab' ich alles mögliche getan, was ich nicht hätte tun sollen. Aber laßt euch von mir sagen, daß ich Hochachtung vor der Religion habe –«
»Oh, Amen, lobe den Herrn, Bruder«, von Eddie Fislinger.
»– und ich denke nicht daran, zuzugeben, daß jemand ihre Ausübung stört. Was haben wir denn anderes als die Religion, was uns die Hoffnung geben könnte –«
»Lobe den Herrn, oh, preise seinen Namen!«
»– daß wir jemals ein anständiges Leben führen können, sagen Sie mir das, bitte, sagen Sie mir nur das!«
Elmer redete mit dem Polizeiwachtmeister, der zugab:
»Ja, wird schon stimmen. Also, jetzt wollen wir das Meeting weitergehen lassen, und wenn einer von euch Kerls noch stört –« Damit waren alle Vorstellungen, die dem Wachtmeister im Augenblick über Religion und Ausschreitungen zu Gebote standen, erschöpft. Er blickte alle im Umkreis streng an und stapfte durch die Menge, um zur Polizeistation und seinem Kartenspiel zurückzukehren.
Eddie schwang sich zu den Höhen verzückten Redens auf:
»Oh, meine Brüder, jetzt seht ihr, wie mächtig der Geist Christi ist, all das Gute und Schöne in uns aufzuregen! Ihr habt das Zeugnis unseres Bruders hier gehört, des Bruders Gantry, sein Zeugnis von dem einen und einzigen Weg zur Gerechtigkeit! Wenn ihr heimkommt, dann will ich, daß ihr, all und jeder, euch das Alte Buch hervorholt und das Hohelied Salomos aufschlagt, dort wo er von der Liebe des Heilands zur Kirche spricht – schlagt das Hohelied Salomos auf, viertes Kapitel, zehnter Vers, wo es heißt – wo Christus von der Kirche spricht, und sagt – das Hohelied Salomos, viertes Kapitel, Vers zehn – ›Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Deine Liebe ist lieblicher denn Wein!‹
»Oh, die unaussprechliche Freude, die Freuden der Gnade zu entdecken! Ihr habt das Zeugnis unseres Bruders gehört. Wir kennen ihn als Mann der Kraft, als Bruder Aller, die da bedrückt sind, und jetzt hat er seine Augen aufgetan und seine Ohren geöffnet, und er sieht die Notwendigkeit des Bekenntnisses und des demütigen Niederwerfens vor dem Thron – Oh, das ist ein historischer Augenblick im Leben Höllenh… Elmer Gantrys! Oh, Bruder, habe keine Furcht! Komm! Tritt hier herauf zu mir und lege Zeugnis ab –«
»Herr Gott! Schauen wir, daß wir schnell da wegkommen«, keuchte Jim.
»Herrje, ja!« Elmer stöhnte, sie drängten sich durch die Menschenmenge zurück, während Eddie Fislingers Singsang sie verfolgte wie eiskalter, alles durchdringender Regen:
»Habet keine Furcht, die Führerschaft Jesu anzuerkennen! Wollt ihr euch zu feig erweisen, das Hohngelächter der Gottlosen auf euch zu nehmen?«
Sie hatten sich aus der Schar gerettet und schritten in höchster Eile mit ernsten Gesichtern zur Alten Heimat zurück.
»Das war ein gemeiner Trick von Eddie!« sagte Jim.
»Weiß Gott, daß er gemein war! Zu versuchen, mich zu bekehren! Grade vor den Dreckskerlen! Wenn ich noch einen Piepser von Eddie hör', schlag' ich ihm den Schädel ein! So eine Frechheit von ihm, mich auf die Armsünderbank bringen zu wollen! So sieht er aus! Das werd' ich ihm noch zu fressen geben! Los, mach bißchen schneller!« verkündete der Bruder Aller, die da bedrückt sind.
Um die Zeit, als ihr später Abendzug ging, hatten die herzhafte Konversation des Mixers und die herzhaften Eigenschaften seines Bourbon-Whiskys Elmer und Jim Eddie Fislinger und die Schrecken religiöser Entkleidung in der Öffentlichkeit vergessen lassen. Um so entsetzter waren sie, als sie später, auf ihren Sitzen im Raucherwagen schaukelnd, Eddie neben sich stehen sahen, die Bibel in der Hand, von seinen beiden freudestrahlenden Gefährten in der Verkündigung des Evangeliums flankiert.
Eddie zeigte die Zähne, lächelte bis zu seinen wasserhellen Augen hinauf und jubelte:
»Oh, Jungens, ihr wißt ja gar nicht, wie wundervoll ihr heute abend wart! Aber, oh, Jungs, jetzt wo ihr den ersten Schritt getan habt, warum sich zurückziehen – warum zögert ihr – warum laßt ihr den Heiland weiter leiden, während er euch erwartet, sich nach euch sehnt? Er braucht euch mit euerer herrlichen Kraft und euerem prachtvollen Verstand, den wir so bewundern –«
»Die Luft«, bemerkte Jim Lefferts, »wird mir hier zu dick. Mir scheint, ich riech' einen merkwürdigen, fischigen Gestank.« Er stand auf und ging zum Vorderwagen.
Elmer versuchte ihm zu folgen, aber Eddie hatte sich auf Jims Platz fallen lassen und quiekte munter drauflos, während die beiden anderen sich über sie beugten, mit einem zärtlichen Y.M.C.A.-Lächeln, das Elmers geschwächtem Magen nicht gut tat, während der Zug vorwärts rumpelte.
Trotz aller mutigen Worte hatte Elmer nichts von Jims energischer Verachtung für die Kirche. Er hatte Angst vor ihr. Das hing mit seiner Knabenzeit zusammen … Seine Mutter, von früher Witwenschaft und harter Arbeit vertrocknet, kannte keine anderen Freuden als Hymnen und die Bibel und pflegte zu weinen, wenn er seine Sonntagsschulaufgabe nicht lernte. Die Kirche, ganze dreißig Fuß hoch, bis zu ihren seltsam geschnitzten Dachsparren, und die Prediger, so überwältigend mit ihren rollenden Stimmen, so schrecklich mit ihren Gleichnissen von kleinen Buben, die Wassermelonen stahlen oder sich hinter dem Viehstall biologischen Experimenten hingaben. Der entsetzliche, peinigende Augenblick seiner zweiten Bekehrung, im Alter von elf Jahren, als er, bei dem Gedanken an den Verzicht auf so viel lustige Dinge verwirrt weinend, von feierlichen, bärtigen Erwachsenengesichtern umgeben, ein Gelöbnis unterzeichnete, das ihn dazu verpflichtete, für immer auf die Freuden der Weltlichkeit, des Alkohols, der Karten, des Tanzens und des Theaters zu verzichten.
Diese Wolken hingen hinter und über ihm, all seinem Mut zum Trotz.
Eddie Fislinger, das menschliche Wesen, verabscheute er. Er betrachtete ihn als Heuschrecke, und voll Befriedigung hätte er ihn zertreten, aber Eddie Fislinger, der Verkündiger des Evangeliums, ausgerüstet