Geschichten von allen Päpsten bis zu Papst Benedikt XVI. (Papst von 2005 bis 2013). Ein Buch voller Anekdoten, Wunder, politischer Winkelzüge – und Mord und Totschlag.
Als Innozenz 1216 starb, hatte er das Papsttum zwar zu einer der mächtigsten Größen Europas gemacht. Aber zum einen hinterließ er seinen Nachfolgern mächtige Feinde und zum anderen hatten Innozenz’ Nachfolger auf dem Papststuhl weder seinen Machtwillen noch seine Stärke. Das Papsttum legte eine demütigende Talfahrt hin: Ab dem Jahre 1309, nicht einmal Hundert Jahre nach Innozenz III., mussten sich die Päpste weltlichen Herrschern beugen und residierten von nun an bis 1377 in Avignon (Frankreich). Und mit dem Papsttum ging es weiter bergab. Denn den Franzosen gefiel nicht, dass der Papst ab dem Jahre 1377 wieder von Rom aus herrschte. Nachdem 1378 Urban VI. in Rom zum Papst ernannt wurde, wählte man in Avignon Clemens VII. zum Gegenpapst. Nun mussten die zwei Lager der katholischen Kirche bis 1409 mit zwei Päpsten vorliebnehmen. Für die Kirche und die Gläubigen war das natürlich ein unhaltbarer Zustand, denn auf welchen Papst sollte man denn nun hören? Also versammelten sich 1409 einige Kardinäle, setzten beide Päpste ab und wählten einen eigenen Kandidaten. Doch o Wunder, die beiden amtierenden Päpste sahen es natürlich nicht ein, dass gerade sie abgesetzt werden sollten – und so fand die Kirche sich plötzlich mit drei regierenden Päpsten wieder …
Jetzt hatte dann auch der Kaiser des »Heiligen Römischen Reiches«, Sigismund (Kaiser von 1410 bis 1437), genug von diesen politischen Winkelzügen. Er berief eine Kirchenversammlung (ein sogenanntes Konzil) nach Konstanz ein. Alle Kardinäle, alle Bischöfe und dazu 18.000 weitere Geistliche mussten erscheinen. Man wählte Martin V. zum alleinigen Papst, forderte die drei anderen zum Rücktritt auf und nach einigen Wirren war endlich wieder Ruhe: Nun gab es wieder nur den einen Papst in Rom. Die Kirchentrennung (auch »das große Schisma« genannt) war vorbei. Aber seine alte Macht konnte das Papsttum nie mehr wiedererlangen. In den folgenden Jahrzehnten kam es zwar zu einer nie gesehenen Prachtentfaltung der Päpste in Rom. Aber Prunk, Protz und Gier machten sie auch angreifbar. Das sollte sich in dem Moment zeigen, als die Hand des Papstes immer tiefer in die Geldbeutel der Gläubigen langte und Luthers Ideen anfingen, die Menschen zu begeistern.
Theologische Grundbegriffe: Die »apostolische Sukzession« (oder: apostolische Nachfolge)
Apostolische Sukzession bedeutet, dass die heutigen katholischen Bischöfe und natürlich besonders der Papst sich als direkte Nachfolger der Apostel Jesu sehen. So versteht sich jeder Papst also in der direkten Nachfolge des Petrus, der dann in diesem Sinne auch als erster »Papst« verstanden wird. Dagegen führen die evangelischen Christen an, dass es für den Dienst des Petrus in Rom weder biblische noch frühe außerbiblische Zeugnisse gibt. Ebenso wenig kennt man in der frühen Zeit einen Nachfolger des Petrus.
Das Glaubensleben im Mittelalter
Für uns heutige Menschen ist es nicht immer ganz einfach, sich auf das Denken der Menschen im Mittelalter einzustellen. Die meisten von uns wachen morgens auf und denken daran, was an diesem neuen Tag zu tun ist. Wir denken daran, was uns in der Schule oder bei der Arbeit erwartet, ob wir unsere Arbeit behalten werden und auch im nächsten Monat unsere Miete werden bezahlen können. Vielleicht machen wir Pläne für das, was wir dann am Abend oder am Wochenende mit unserer wohlverdienten und immer knappen Freizeit anfangen werden.
Der Mensch im Mittelalter wachte morgens auf und fragte sich, ob er denn in den Himmel kommt, wenn er stirbt. Er lebte vollständig in dem Bewusstsein, dass da ein Gott ist, der die Sünder bestraft, dass es aber auch die Möglichkeit der Sündenvergebung und Errettung gibt. Ewige Verdammnis und ewige Seligkeit, Himmel und Hölle waren für ihn ständig gegenwärtige Möglichkeiten.
Das Problem mit dem Tod war letztendlich, dass man sich nie ganz sicher sein konnte, ob man denn nun errettet oder verdammt war. Was, wenn man eine Todsünde beging und im nächsten Moment ohne Beichte und Vergebung starb? War man dann auf ewig »verloren«? Wie Sie im Laufe des Buches erfahren werden, brachte die evangelische Lehre den Menschen auch in dieser Hinsicht Befreiung.
Ein »guter Tod« war für die Menschen damals auch keinesfalls ein schneller, plötzlicher Tod. Das, was für viele Menschen heutzutage der schönste Tod wäre, war für die Menschen im Mittelalter etwas Furchtbares: Zu sterben, ohne sich vorbereiten zu können, ohne seinen Frieden mit den Mitmenschen und Gott schließen zu können – das war für sie ein schrecklicher Tod. Der schnelle Tod – das war im Mittelalter der schreckliche Tod.
Theologische Grundbegriffe: Die Todsünde
Die Katholische Kirche kennt die Möglichkeit, dass ein Mensch zwar von seinen Sünden erlöst, dann aber aufgrund bestimmter Sünden wieder verdammt wird (man sagt dann, er »fällt aus der Gnade«). Diese bestimmten Sünden sind die Todsünden. Um als Todsünde zu gelten, muss eine Sünde folgende Eigenschaften haben:Sie muss einen sehr wichtigen Bereich betreffen, also zum Beispiel gegen eines der Zehn Gebote verstoßen. Solche heiklen Bereiche sind zum Beispiel Ehebruch oder der Abfall vom Glauben (theologisch »Apostasie« genannt). Der Sünder muss diese Sünde ganz bewusst begehen, also vorher wissen, wie schwer sie ist, und sich damit bewusst gegen Gottes Gebot stellen wollen.Außerdem muss die Sünde aus freiem Willen begangen worden sein.
Todsünden entstehen aus sieben schlechten Charaktereigenschaften: Hochmut, Geiz, Zorn, Wollust, Völlerei, Neid und Trägheit. In Literatur und Kunst werden meist diese Charaktereigenschaften an sich als Todsünden bezeichnet. Theologisch ist das allerdings nicht ganz korrekt.
Wer also eine Todsünde begeht und zufällig stirbt, ohne »vollkommene Reue« zu zeigen oder die Beichte ablegen und bereuen zu können, ist auf ewig verloren – egal, ob er ansonsten ein guter Christ war. Die Notwendigkeit der Beichte zur Vergebung von Todsünden verstärkte natürlich den Einfluss der Kirche als Mittlerin zwischen Mensch und Gott.
Die Vergebung einer Todsünde ist bei »vollkommener Reue«, also »Reue aus Liebe zu Gott«, auch ohne Beichte möglich. Beichtet der Sünder einem Priester, wird ihm eine Todsünde auch bei »unvollkommener Reue«, also bei Reue aus Angst vor Gottes Strafe, vergeben.
Mit dem Konzept der Todsünde und diesem Rein und Raus »aus der Gnade« konnten sich die Reformatoren und eine Mehrzahl der evangelischen Christen bis heute nicht anfreunden. In den folgenden Kapiteln wird davon noch die Rede sein.
Lesen konnten die meisten Menschen nicht, aber in den Kirchen sahen sie den gekreuzigten Christus und wussten, dass er da am Kreuz hängt, um die Menschen in den Himmel zu bringen. Und noch eines wussten die Menschen: Wenn sie Errettung und ewiges Leben finden können, dann nur in der Kirche. Was immer wir heute im Rückblick auch darüber denken mögen, sollten wir doch versuchen, die Ängste unserer Vorfahren zu verstehen und ernst zu nehmen. Natürlich haben die Menschen vor 500 Jahren ganz anders gedacht als wir heute, aber sie verdienen doch trotzdem unseren Respekt und unser Bemühen um Verständnis.
Auch wenn die ersten Kapitel von vergangenen Zeiten handeln, sollte man nicht vergessen, dass es auch heute immer noch viele Menschen gibt, die auf der Suche nach Gott, nach Vergebung und Erlösung sind. Vielleicht geschieht das heute oft ganz anders als im Mittelalter, aber die Suche nach Erlösung und ewigem Leben gab es damals wie heute.
Die römische Kirche versprach Hilfe in diesen Glaubensängsten. Folgende Einrichtungen der Kirche ebneten den Menschen den Weg in den Himmel:
der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden,
die Heiligen, die genug gute Taten vollbracht hatten, um »normalen Gläubigen« etwas davon abzugeben,
das Fegefeuer, das nur zeitlich begrenzte Leiden umfasste und von den noch lebenden Angehörigen verkürzt werden konnte, und
die Messe, in der der einzelne Gläubige die Nähe Gottes und die Gemeinschaft mit Christus erfahren konnte.