Markus Brinkmann

Tax Compliance


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dass gerade und ausschließlich die Rechnungen der Lautlos ohne die notwendigen internen Freigaben zur Zahlung angewiesen wurden, während in allen anderen Fällen der Sollprozess eingehalten wurde, wäre dies eine weiterzuverfolgende Auffälligkeit.

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      Im Rahmen von Tax Investigations ergibt sich aus den konkreten Sachverhalten häufig ein „Modus Operandi“, d.h. eine bestimmte Art und Weise, wie eine regel- oder gesetzeswidrige Handlung durchgeführt wurde. Um zu überprüfen, ob es sich hierbei um einen Einzelfall oder aber um eine ganze Serie von gleichen oder ähnlichen Vorfällen handelt, sind Unternehmen regelmäßig gezwungen, im Einflussbereich bzw. Umfeld des „Täters“ nach be- oder entlastenden Hinweisen zu suchen.

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      Häufig bestehend die zu untersuchenden Daten aus einer Menge von strukturierten Daten, z.B. Stamm-und Bewegungsdaten aus der Buchhaltung, dem Warenwirtschaftssystem, CRM-Systemen, etc. Eine manuelle Auswertung solcher Daten scheint unmöglich, insbesondere wenn es sich um eine große Datenmenge aus verschiedenen Systemen handelt, die einen längeren Zeitraum betreffen. Zudem sind die zu überprüfenden Muster häufig zu komplex für manuelle Auswertungen. Hinzu kommt die Tatsache, dass Tax Investigations aufgrund zu beachtender Fristen regelmäßig einem hohen Zeitdruck unterliegen.

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      Ein solcher KDD-Prozess kann grafisch wie folgt dargestellt werden:

      Abb. 5:

      Übersicht „Prozess Knowledge Discovery in Databases (KDD)“

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      Zunächst wird die Grundgesamtheit der zu untersuchenden Daten bestimmt, die für die jeweilige Tax Investigation relevant ist (z.B. Suche nach kritischen Merkmalen in Kreditorenstammdaten zur Identifikation möglicher Scheinlieferanten). Hiernach werden diejenigen Daten eingegrenzt, die für eine nähere Betrachtung in Frage kommen.

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      Die Daten werden sodann vorverarbeitet, d.h. die Daten werden so strukturiert, dass diese von den Datenbanksystemen, die für die Analyse genutzt werden, eingelesen und verarbeitet werden können. Ein weiterer Schritt umfasst aus datenschutzrechtlichen Gründen die Ersetzung personenbezogener Daten durch IDs, die erforderlichenfalls auf den Benutzer rückgerechnet werden können. Während der Untersuchung erlauben diese IDs allerdings keine Rückschlüsse auf den Benutzer. Im Schritt der Datentransformation stehen die Tabelleninhalte im Fokus. Hier werden Daten in einer Weise aufbereitet, dass diese von Datenbanksystemen abgefragt werden können wobei gleichzeitig die Datenqualität erhöht und das Datenvolumen verringert werden.

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      Im Anschluss findet das eigentlich „Data-Mining“ (Datenanalyse im engeren Sinn) statt. Das Ziel der Analyse ist die Auffindung von Mustern aus dem Datenbestand, die durch eine rein auf Abfragen der Datensatzebene basierte Analyse nicht sichtbar werden.

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      Die aus dem Data-Mining gewonnenen Erkenntnisse müssen interpretiert und in den zu untersuchenden Kontext eingebettet werden.

      Bezogen auf den Fall unter Rn. 36 ff. könnte etwa nach auffälligen Buchungstexten bzgl. der Eingangsrechnungen der Lautlos GmbH, nach unplausiblen Liefer-/Leistungszeitpunkten im Verhältnis zum Rechnungsdatum, nach Zahlungen weit vor Fälligkeit und anderen Auffälligkeiten gesucht werden.

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      Zur Informationsgewinnung bietet sich (fast) immer an, Gespräche mit Mitarbeitern führen, die Details zu den Sachverhalten geben können. Diese Gespräche dienen insbesondere dazu, die fraglichen Sachverhalte, die zugrundeliegenden Prozesse, die Berichtswege und ggf. den Modus Operandi zu verstehen. Da es regelmäßig zunächst darum geht, eine neutrale Sachverhaltsklärung zu betreiben, haben solche Interviews grundsätzlich keinen konfrontativen Charakter. Dennoch ist es wichtig, sich bereits frühzeitig Gedanken darüber zu machen, welche Auskunftspersonen ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden sollen, insbesondere dann, wenn noch unklar – oder vielleicht sogar bereits sehr klar – ist, dass diese Person(en) sich regel- oder sogar gesetzwidrig verhalten hat.

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      Der Zeitpunkt solcher Gespräche hängt regelmäßig davon ab, inwiefern die Tax Investigation offen oder verdeckt (z.B. unter dem Deckmantel einer Jahresabschlussprüfung oder Internen Revision) durchgeführt wird. Bei einer legendierten Tax Investigation empfiehlt es sich, Gespräche zu konkreten Sachverhalten erst dann zu führen, wenn die Auswertung von physischen und elektronischen Daten bereits abgeschlossen ist. Doch auch hier können strategische und praktische Erwägungen im Einzelfall eine andere Vorgehensweise rechtfertigen.

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      Ob und wieweit auch Gespräche mit externen Auskunftspersonen (z.B. Angehörige von Ermittlungsbehörden, Steuerberater, Mitarbeiter von Geschäftspartnern, etc.) sinnvoll sind, ist stets im Einzelfall zu klären. Hier spielen ggf. Verschwiegenheitspflichten der Auskunftspersonen bzw. der angestrebte Grad der Diskretion eine Rolle.

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      Konfrontative Interviews mit Schadenstiftern werden i.d.R. geführt, um bereits bekannte Informationen zu bestätigen und um ein Eingeständnis, etwa für bestimmtes Handeln oder Kenntnis vom Handeln Dritter, zu erlangen. Die Entscheidung, ob ein konfrontatives Interview erst am Ende der Untersuchung geführt wird oder die im Fokus stehende(n) Person(en) direkt von Anfang an mit den Verdachtsmomenten konfrontiert werden soll(en), ist wiederum eine Einzelfallentscheidung. Berücksichtigt werden sollten dabei sowohl ermittlungstaktische Überlegungen (z.B. Verdunklungsgefahr), wie auch rechtliche Erwägungen (z.B. hinsichtlich der Fristen bei einer möglicherweise im Raum stehenden Verdachtskündigung). Außerdem ist es oftmals taktisch anzuraten, den Beschuldigten erst zum Ende zu befragen, da der Interviewer dann bereits über umfassende Sachverhaltskenntnisse verfügt.

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      Abb. 6:

      Übersicht „Interview-Schema einer Tax-Investigation“

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       Phase I: Pre-Interview

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      Im Vorfeld zu einem Interview steht die eigene Vorbereitung an. Zunächst gilt es, den Informationsbedarf (Themen, Fragen) grob zu definieren, die entsprechenden Gesprächspartner zu identifizieren und die Reihenfolge der Interviews zu bestimmen. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, die Person