Markus Brinkmann

Tax Compliance


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steuerstrafrechtlichen Konsequenzen stellt das Nichterkennen des Anwendungsbereiches des § 7 ff. AStG bzw. des § 42 AO ein nicht unerhebliches Zinsrisiko dar. Werden (vermeintlich) ausländische Einkünfte im Rahmen einer Betriebsprüfung zu inländischen Einkünften klassifiziert, ergibt sich aufgrund des Zinssatzes der Abgabenordnung von 6 % nach § 238 AO ein nicht unerhebliches Zinsrisiko. Dass der Zinslauf für den Fall, dass keine Steuerhinterziehung vorliegt, nach § 233a Abs. 2 AO erst mit einer Anlaufhemmung von 15 Monaten nach der Entstehung der jeweiligen Steuer beginnt, dürfte da nur bedingt tröstlich sein, zumal dieser „Vorteil“ im Falle einer Steuerhinterziehung nach § 235 Abs. 2 AO nicht zum Tragen käme.

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      Wie oben dargestellt, ist festzustellen, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 42 AO einer nicht unerheblichen Auslegung bedürfen. Umso wichtiger ist es gerade in Gestaltungsfällen mit Auslandsbezug, die unter § 42 AO fallen könnten, die außersteuerlichen, d.h. wirtschaftlichen Gründe des jeweiligen Gestaltungswegs nach entsprechender steuerlicher Beratung umfassend zu dokumentieren. Dies kann insbesondere im späteren Verfahrensverlauf von Bedeutung sein, sollte z.B. im Anschluss an eine Betriebsprüfung der Vorwurf einer ggf. strafrechtlich relevanten Steuerhinterziehung (§ 370 AO) aufkommen.

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      Dies bedeutet aus diesem Grund ebenfalls, Hinweisen auf potentielle Abweichungen von den intern festgelegten Gestaltungen umgehend nachzugehen und die entsprechenden Sachverhalte aufzuklären.

      Sachverhalt

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      Der deutsche Anlagenbaukonzern A ist unter anderem in Südamerika tätig und hat dort seit Jahrzehnten hohe Marktanteile. Durch massive Patentrechtsverletzungen asiatischer Konkurrenten sind die hochwertigen Produkte des Anlagenbauers A unter erheblichen Margendruck geraten. Die Marktanteile sind in den letzten zwei Jahren um rund 20 Prozentpunkte eingebrochen. Die argentinische Vertriebstochter B ist in die Verlustzone geraten und kann ihre Verbindlichkeiten an die konzerneigene Produktionsgesellschaft C mit Sitz in Deutschland, die gleichzeitig die Muttergesellschaft von B ist, nicht mehr vollständig bedienen. Es drohen hohe Abschreibungen auf die bei C aktivierten Forderungen im folgenden Geschäftsjahr, wenn B ihren neuen Businessplan nicht erreicht.

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      In einer Krisensitzung der Geschäftsleitung von B und C wird analysiert, dass sich die Produktionsreife der neuen Produkte, die Gegenstand des Businessplans der B sind, nicht planmäßig bei C realisieren lassen. Zudem wird analysiert, dass Verkäufe in der Vergangenheit insbesondere dann realisiert werden konnten, wenn Entscheider bei den Kunden der B durch „Bonifikationen“ wie z.B. Ferienreisen, Einladungen zu Veranstaltungen oder anderen Annehmlichkeiten an das Unternehmen gebunden werden konnten. Aufgrund eines prominenten Korruptionsskandals bei einem Konkurrenten der B in Argentinien war B jedoch gezwungen, dieses Programm einzustellen, was zu weiteren Verlusten von Marktanteilen geführt hatte. Um dieses „Kundenbindungsprogramm“ wieder aufnehmen und ausweiten zu können, wird eine Finanzierungsmöglichkeit ohne direkten Bezug zu B gewählt.

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      Die B vertreibt seit Jahren die Anlagen des Konzerns in Argentinien unter einem eigenen Markennahmen, der in Argentinien, jedoch nicht weltweit, markenrechtlich geschützt ist. Es wird durch C eine Gesellschaft D mit Sitz in Panama gegründet, deren einziger Zweck die Beantragung des Markenrechtes für weitere wichtige Absatzmärkte in Südamerika ist. Die B, die eigentlich dieses Markenrecht durch seine unternehmerische Aktivität geschaffen hat und gegen die Eintragung des Markenrechtes durch D rechtlich vorgehen könnte, lässt D gewähren und legt keine Rechtsmittel gegen die Eintragung des Markenrechtes ein. An D ist C als 100 %ige Gesellschafterin beteiligt. Um Mittel zu generieren, lizensiert D das Markenrecht und bietet es C zum zeitlich befristeten Erwerb (15 Jahre) an. C vertreibt über ihre in den jeweiligen Ländern ansässigen Vertriebstöchter ihre Produkte nun auch unter dem eingetragenen Markennamen. Die Lizenzaufwendungen werden als Betriebsausgaben geltend gemacht. Zur Eintragung und Pflege der Markenrechte werden in den Ländern, in denen die Markenrechte beantragt wurden, lokale Rechtsanwaltskanzleien beauftragt, die entsprechende Rechnungen an die D stellen. Hierdurch wird sichergestellt, dass in Panama keine Gewinne anfallen.

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      Als Begründung für die Lizensierung durch D wird dokumentiert die C in ihren internen Besprechungen, dass es für die markenrechtliche Eintragung in Südamerika eines besonderen Know-hows rechtlicher Natur bedürfe, das die Einbindung lokaler Rechtsanwälte bedingt, die jedoch nur mit Gesellschaften zusammenarbeiten würden, die in Mittel- oder Südamerika tätig wären. Zur Begründung, warum die Markenrechte nicht direkt durch die Vertriebsgesellschaften in den jeweiligen Ländern beantragt wurden, wird ausgeführt, dass hierzu bei den Tochtergesellschaften nicht das notwendige Know-how vorhanden sei und für C durch die Nutzung des Markenrechtes ja in ganz Südamerika insgesamt ein erheblicher Wettbewerbsvorteil durch den einheitlichen Markenauftritt bestünde.

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      Die Mittelzuflüsse bei den lokalen Rechtsanwaltskanzleien werden nach Abzug einer Gebühr auf Anweisung eines Mittelsmannes, der von B und C eingesetzt wurde, verwendet, um kundenbindende Maßnahmen bei Entscheidern wichtiger Kunden der B zu finanzieren.

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      Der hier dargestellte Sachverhalt ist insgesamt schwierig und nicht nur in Hinblick auf den Sinn und Zweck des Konstruktes, nämlich der Erzielung von Mitteln zur Begünstigung potentieller Entscheider bei Kunden (möglicherweise Bestechung) steuerlich hoch „brisant“. Es ergeben sich zahlreiche Ansatzpunkte, die zu überprüfen wären und deren steuerliche Konsequenzen jeweils unterschiedlich sind. Zu prüfen wäre z.B. ob hier nicht ein Scheingeschäft nach § 41 Abs. 2 AO vorliegt, das für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich ist. Wird ein Scheingeschäft verneint, wäre zu überprüfen, ob man aufgrund der obigen Konstruktion nicht zu dem Ergebnis kommt, dass der Ort der (tatsächlichen) Geschäftsleitung im Inland liegt und die Gesellschaft somit nach § 1 Abs. 1 KStG bereits unbeschränkt steuerpflichtig ist. Wird der Ort der Geschäftsleitung im Inland verneint, wäre zu überprüfen, ob hier ggf. eine reine Briefkastenfirma vorliegt und das gesamte Konstrukt nach § 42 AO als missbräuchlich einzustufen ist. Sofern hier kein Ansatzpunkt gefunden ist, wären die Vorschriften der §§ 7 ff. AStG zu untersuchen. Diese dürften hier besonders „vielversprechend“ sein, da die inländische Gesellschaft C zu 100 % an D beteiligt ist und die Verpachtung der Markenrechte nach § 8 Abs. 1 Nr. 6a AStG im Umkehrschluss passive Einkünfte darstellt. Die Rückausnahme für den Fall, dass das Markenrecht durch die D „entwickelt“ wurde, dürfte hier in keinem Fall einschlägig sein. Zudem ist D in einem „Niedrigsteuerland“ tätig, so dass auch § 8 Abs. 3 AStG greift. Die Voraussetzungen für hinzuzurechnende Einkünfte einer Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG dürften vorliegen. Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 10 Abs. 4 AStG sind Betriebsausgaben nur dann anzusetzen, wenn sie mit der Einkünfteerzielung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies dürfte bei den Rechnungen der ausländischen Rechtsanwälte mehr als zweifelhaft sein. Im Ergebnis dürften die durch D erzielten Lizenzeinnahmen weitgehend ohne Abzug von Betriebsausgaben dem Einkommen der C hinzuzurechnen sein. Aufgrund des bestehenden Konstrukts besteht neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für die handelnden Akteure ein erhebliches finanzielles Risiko, das unter bestimmten Umständen auch auf die deutsche Konzernmutter durchschlagen kann. Darüber hinaus sind weitere finanzielle Belastungen, wie z.B. Zinsen denkbar.

      Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation aus der Perspektive des A

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