Markus Brinkmann

Tax Compliance


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      Erkennt der Delegierende einen Missstand, der die zukünftige Aufgabenerfüllung durch den Delegationsadressaten nicht unerheblich zu beeinträchtigen droht, muss der Delegierende handeln und dem Missstand schnellstmöglich abhelfen. Macht er dies nicht, misslingt die Delegation fortan, und die delegierte Aufgabe fällt – jedenfalls für die Dauer des anhaltenden Missstands – haftungsrelevant wieder auf den Delegierenden zurück. Dies hat zur Folge, dass bei der Frage der strafrechtlichen, bußgeldrechtlichen und steuerrechtlichen Haftung des Delegierenden regelmäßig grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz anzunehmen sein wird.

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      Beispiele mangelhafter Überwachung:

BFH/NV 91, 283: In einer GmbH ist dem Geschäftsführer, der die Steuerangelegenheiten an eine angestellte Buchhalterin delegiert hat, unbemerkt geblieben, dass über einen Zeitraum von etwa einem Jahr die einbehaltene Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt wurde. Diesen Umstand nimmt der BFH bereits für sich genommen als entscheidendes Indiz für mangelhafte Überwachung und grobe Fahrlässigkeit des Geschäftsführers.
BFH/NV 09, 362: In einer KG hat der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Buchhaltung an Mitarbeiter und zur Kontrolle an externe Steuerberater delegiert. Eine Überwachung der betreffenden Mitarbeiter und Steuerberater durch den Geschäftsführer unterblieb ganz. So blieb dem Geschäftsführer unbemerkt, dass die Buchhaltung über Jahre gravierende Mängel aufwies und insbesondere die Auslandsgeschäfte wegen fehlender Konten- und Belegnachweise nicht nachvollziehbar dargestellt waren. Der BFH wertet das Verhalten als grob fahrlässige Verletzung der Überwachungspflicht; egal um wen es sich bei dem Delegationsempfänger im Einzelnen handelt, der Geschäftsführer dürfe nicht „blind“ auf dessen ordnungsgemäße Aufgabenerledigung vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten.

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      Die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens wird geprägt von einer Vielzahl einzelner, typischerweise bilateral gestalteter Delegationsverhältnisse. Vor diesem Hintergrund greifen für jede Führungskraft stets auch die vorgenannten Pflichten des Delegierenden, im Falle einer Weiterdelegation entsprechend über mehrere Stufen hinweg.

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      Bei größeren Unternehmen ist die Einrichtung einer eigenständigen (Tax) Compliance-Abteilung allerdings sinnvoll und üblich. Die erforderliche Größe, Struktur und konkrete Aufgabenzuweisung einer solchen Compliance-Abteilung (das „Wie“) ist von der jeweiligen Unternehmensstruktur und den unternehmensspezifischen Risiken (Branche, Produkte, Geschäfts- und Vertriebsmodelle, Länder, Verdachtsfälle aus der Vergangenheit usw.) abhängig.

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bei international tätigen Unternehmen die jeweiligen Rechtsordnungen eine Unternehmensstrafbarkeit für den Fall einer Steuerhinterziehung bei Fehlen eines ausreichenden Compliance-Management-Systems vorsehen können (z.B. in Großbritannien die „Corporate Offences of Failure to Prevent Facilitation of Tax Evasion“).

      Anmerkungen

       [1]

      Klein AO § 33 Rn. 3.

       [2]

      BFH BStBl 73, 544; Klein AO § 33 Rn. 3.

       [3]