Markus Brinkmann

Tax Compliance


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Pflichten aus §§ 34, 35 AO zu erfüllen, also z.B. die fälligen Steuern des Unternehmens zu entrichten.[18] Daher kann sich ein Delegationsempfänger gegen eine Verpflichtung aus § 35 AO (und eine evtl. Haftung nach § 69 AO) nicht etwa mit dem Argument wehren, dass die Delegation im Innenverhältnis fehlerhaft gewesen sei, solange er in entsprechender Weise nach außen auftritt und fähig ist. Umgekehrt besteht – auch im Falle wirksamer Delegation im Innenverhältnis – grundsätzlich keine Pflicht aufgrund § 35 AO, wenn die dem Betreffenden tatsächlich verfügbaren Mittel des Unternehmens nicht (mehr) ausreichen, die steuerlichen Pflichten des Unternehmens zu erfüllen.[19]

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      Unabhängig vom Entstehen einer Verpflichtung beim Delegationsempfänger nach § 35 AO besteht die steuerliche Pflicht des Delegierenden, z.B. nach § 34 AO, fort. Lediglich bei der Frage der Haftung (nach Strafrecht, Bußgeldrecht oder Steuerrecht) kommt dem Delegierenden, der die Voraussetzungen wirksamer Delegation erfüllt, zugute, dass er dann nur noch an der – inhaltlich gelockerten – prozessualen Compliance-Pflicht gemessen wird.

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      Allgemeines

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      Der Gegenstand einer Delegation kann grundsätzlich frei gewählt werden. Delegiert werden können einzelne Pflichten oder Pflichtenbündel, sei es mit unmittelbar zu erfüllenden Pflichten oder mit Pflichten, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erfüllen sind, z.B. bei Eintritt bestimmter Bedingungen. Delegiert werden können auch lediglich einzelne Bestandteile von Pflichten, d.h. Teilaufgaben, die vorgeschaltet oder in sonstiger Weise ergänzend zur Erfüllung der (Gesamt-)Pflicht durch den Delegierenden beitragen.

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      Die Richtung der Delegation ist ebenfalls frei wählbar. In Betracht kommen Delegationen „nach unten“, d.h. an in der Organisationshierarchie nachgeordnete Stellen (z.B. den direkt zugeordneten Mitarbeiter), Delegationen „nach oben“, d.h. an in der Organisationshierarchie übergeordnete Stellen (z.B. ein sog. Shared Service Center in der Obergesellschaft im Konzern), oder Delegationen „nach außen“, d.h. an außerhalb des Unternehmens und des Konzerns befindliche Dritte (z.B. externe Steuerberater- oder Steueranwaltskanzleien).

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      Je nach rechtlicher Stellung und Befugnis der Beteiligten kann eine rechtswirksame Delegation einseitig per Weisung erfolgen, oder sie setzt Einvernehmen zwischen Delegierendem und Delegationsempfänger, d.h. Angebot und Annahme, voraus.

      Eindeutige Zuordnung

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      Die Beschreibung muss zudem hinreichend präzise sein. Dies ist insbesondere wichtig, wenn im Einzelfall nicht die ganze Pflicht, sondern ausschließlich einzelne Tätigkeiten, die für die Erfüllung der Pflicht von Bedeutung sind, delegiert werden sollen. In diesem Sinne ist beispielsweise festzulegen, ob der Delegationsadressat bestimmte Informationen lediglich zu beschaffen hat oder ob er diese von ihm beschafften Informationen – nach bestimmten Vorgaben – auch auszuwerten hat. Desgleichen ist festzulegen, ob der Adressat der Delegation einen wahrgenommenen Missstand abzustellen oder lediglich an eine andere Stelle zu berichten hat.

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      Auch eine eindeutige Klärung der Frage, wer Stellvertreter ist (oder wer den Stellvertreter bestimmen darf), gehört hierher. Zu empfehlen ist für jede Delegation eine geeignete Dokumentation; diese bringt Sicherheit, Transparenz und Effizienz nicht nur für den Delegierenden und den Adressaten, sondern für jeden anderen Interessierten, der berechtigterweise auf eine tragfähige Organisation vertraut und einen kompetenten Ansprechpartner sucht.

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      Die Zuweisung der betreffenden Pflicht bzw. Tätigkeit an den Adressaten sollte passgenau „eins zu eins“ erfolgen. In diesem Sinne ist ratsam, eine bestimmte Aufgabe ausschließlich einer Person zuzuweisen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Unklarheiten entstehen, die Beteiligten in ihrem Bemühen einander behindern oder sich irrigerweise auf den jeweils anderen verlassen und die Aufgabe am Ende unerledigt bleibt. Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, bei z.B. zwei Adressaten eine Tätigkeit vertikal in zwei (Teil-)Tätigkeiten zu unterteilen und diese jeweils eindeutig zuzuweisen oder horizontal ein Vorrang-/Nachrangverhältnis zu definieren, indem der eine Adressat originär zuständig ist und der andere Adressat ausschließlich hilfsweise in einem eindeutig vordefinierten Szenario und Umfang einzuspringen hat.

      Richtige Auswahl und Einweisung

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      Der Delegierende hat als Adressaten der Delegation eine geeignete Person auszuwählen, die für die jeweilige Aufgabe eine hinreichende berufliche Qualifikation, persönliche Eignung und ggf. Erfahrung mitbringt. Sofern und soweit er dies nicht selbst beurteilen kann, hat sich der Delegierende fachkundigen Rat bei der Beurteilung des potentiellen Adressaten einzuholen. Auch in der Zeit nach erfolgter Delegation hat der Delegierende sicherzustellen, dass der Adressat bei Bedarf die erforderliche Weiterbildung erhält.

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      Der Delegierende hat dafür zu sorgen, dass der Adressat hinreichend in seine neue Aufgabe und sein neues Tätigkeitsumfeld eingewiesen wird. Je nach Umfang und Bedeutung der Aufgabe ist eine Mitteilung durch den Delegierenden an die Organisation oder zumindest an ausgewählte, im Rahmen der Aufgabenerfüllung besonders relevante Personen sinnvoll. Auf diese Weise kann der Delegierende den Delegationsadressaten in seiner neuen Rolle bekannt machen, ihm den nötigen „Rückenwind“ geben und darum bitten, dass man ihn bei der Erfüllung der Aufgabe unterstützen möge. Je nach Aufgabe bietet eine solche Mitteilung durch den Delegierenden zugleich die – in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende – Gelegenheit, die Wichtigkeit der betreffenden Aufgabe in das kollektive Gedächtnis zu rufen, verstärkt mit einem persönlichen Bekenntnis der Führungsebene („tone from the top“).

      Angemessene Ausstattung

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