11.11.2010 hat der europäische Gesetzgeber die Richtlinie betreffend die Verwalter alternativer Investmentfonds[69] erlassen. Die Richtlinie beinhaltet Zulassungs- und Aufsichtsanforderungen für Fondsmanager, so z.B. eine angemessene Eigenkapitalvorhaltung (Art. 9), ein adäquates Risiko- und Liquiditätsmanagement (Art. 15, 16), die Pflicht zur regelmäßigen Bewertung der Assets (Art. 19), die Sicherung der Anlegergelder auf dem Konto einer unabhängigen Verwahrstelle (Art. 21) sowie umfangreiche Offenlegungs- und Berichtspflichten gegenüber Anlegern und Aufsichtsbehörde (Art. 22–24). Betroffen sind alle Manager offener und geschlossener Fonds, soweit diese nicht bereits durch die OGAW-Richtlinie erfasst sind.
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Das Gesetz zur Umsetzung der AIFM-Richtlinie[70] trat in Deutschland am 22.7.2013 in Kraft. In diesem Zuge wurde das bestehende Investmentgesetz[71] aufgehoben und darin enthaltene Regelungen in das neues Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB)[72] integriert. Dabei hat der deutsche Gesetzgeber einen sehr umfassenden – über die europäischen Mindestanforderungen hinausgehenden – Regulierungsansatz gewählt, der zu ganz erheblichen Compliance Anforderungen für geschlossene Fonds und andere Anlageinstrumente führt. Für bestimmte Fälle ordnet das KAGB in § 5 Abs. 2 u.a. die entsprechende Geltung der Compliance-Regelung des § 80 Abs. 1 WpHG (§ 33 Abs. 1 WpHG a.F.) explizit an.
7. Kapitaladäquanzverordnung und -richtlinie
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Hinsichtlich Compliance-Gesichtspunkten sind die Kapitaladäquanzverordnung[73] und -richtlinie[74] ebenfalls zu beachten. Im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 kam international die Forderung nach einer Stärkung der Widerstandskraft des Bankensystems auf. Aus Sicht des europäischen Gesetzgebers musste eine Erhöhung der Qualität, Quantität und der internationalen Vergleichbarkeit an Eigenmittel der Banken herbeigeführt werden. Zudem sollten neue Liquiditätsregeln für Banken geschaffen werden, die im Krisenfall eine Zahlungsfähigkeit sichern sollten.
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Der europäische Gesetzgeber erließ vor diesem Hintergrund eine Kombination aus Richtlinie und Verordnung, die CRD IV/CRR.[75] Die CRD IV setzte der deutsche Gesetzgeber durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz um, welches am 1.1.2014 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz werden insbesondere zwei Schwerpunkte gesetzt. Einerseits wird der Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und deren Beaufsichtigung geregelt. Andererseits beseitigt das Gesetz die der EU-Verordnung über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute widersprechenden nationalen Regelungen bzw. passt diese an.[76] Auswirkungen ergeben sich konkret auf das Kreditwesengesetz (KWG), die Solvabilitätsverordnung (SolvV) sowie die Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV). Die Konzernabschlussüberleitungs-Verordnung (KonÜV) und die Zuschlagsverordnung wurden zudem aufgehoben.
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Im KWG wurden dabei die Begriffe CRR-Kreditinstitute, CRR-Wertpapierfirmen und CRR-Institute ins Gesetz eingefügt (§ 1 Abs. 3d S. 1 KWG), wobei der Gesetzgeber auf die Begriffsbestimmungen der Verordnung selbst verweist. Um das Ziel der einheitlichen aufsichtsrechtlichen Begriffsbildung und damit einer möglichst europaweiten Harmonisierung zu erreichen, gelten die Normen der Verordnung auch für solche Institute, die keine CRR-Institute sind und damit streng genommen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, soweit die jeweiligen Normen auch auf solche Institute passen.[77]
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Im Rahmen des Umsetzungsgesetzes wurde insbesondere § 10c KWG a.F. aufgehoben und es wurden in den §§ 10c–10g KWG verschiedene Vorschriften im Zusammenhang mit dem Erfordernis eines Kapitalpuffers eingefügt. In diesem Zusammenhang wurde in § 1 Abs. 28 KWG die Definition des harten Kapitals unter Verweis auf die Verordnung aufgenommen. Die Kapitalanforderungen haben erhebliche Auswirkungen auf Compliance- und Risikomanagement der betroffenen Institute, müssen diese doch geeignete Maßnahmen treffen, um die fortlaufende Einhaltung der Anforderungen zu gewährleisten. Dies kann gerade für kleinere Institute eine erhebliche Herausforderung sein.
IV. Deutschland
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Die europäischen Vorgaben zwangen den deutschen Gesetzgeber dazu, im Bereich der Compliance tätig zu werden. Einen spezifischen deutschen Compliance-Begriff gibt es daher nicht. Bei dem deutschen bzw. europäischen Verständnis von Compliance handelt es sich im Ergebnis um einen anglo-amerikanischen Rechtsimport, ein sog. Legal Transplant.[78] Das deutsche Kapitalmarktrecht und damit auch die diesbezüglichen Compliance-Anforderungen haben sich wie folgt entwickelt:
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Historisch betrachtet entwickelten sich die kapitalmarktrechtlichen Compliance-Anforderungen bereits zu Beginn der 70er Jahre. Am 13.11.1970 wurden in Deutschland erstmals die sogenannten freiwilligen Insiderhandelsrichtlinien sowie Händler- und Beraterregeln vorgestellt. Diese waren allerdings nicht von Erfolg geprägt, da der wirkliche Nutzen gering war: Insbesondere nach dem öffentlich gewordenen Insiderskandal um den damaligen IG Metall-Chef Steinkühler[79] und einigen weiteren Verdachtsfällen sowie dem in- und ausländischen Druck setzte man schließlich am 26.7.1994 eine EG-Richtlinie durch die Verabschiedung des zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes um. Ziel war es, die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit sowie das Vertrauen und die Funktionsfähigkeit des deutschen Finanzmarktes zu fördern.[80] Den Mittelpunkt des Umsetzungsgesetzes stellte das Wertpapierhandelsgesetz dar.[81] Hierin wurde in § 14 erstmalig ein ausdrückliches Insiderhandelsverbot statuiert.
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Ende der 90er Jahre hat der deutsche Gesetzgeber teils auf eigene Initiative und teils als Reaktion auf die Maßnahmen des europäischen Gesetzgebers begonnen, die Compliance Vorschriften auszuweiten. Im Jahre 2003 wurde von der Bundesregierung zunächst ein 10-Punkte-Programm zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes veröffentlicht. Zur Umsetzung dieses Programms wurden zahlreiche Gesetzesentwürfe verabschiedet.[82]
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In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Anlegerschutzverbesserungsgesetz zu nennen, welches am 30.10.2004 in Kraft trat. Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird auch als „Stunde Null“ der strukturellen Kapitalmarkt Compliance Organisation in Deutschland bezeichnet.[83] Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurden zahlreiche Vorschriften des WpHG geändert. Es diente der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie.[84] Ziel des Gesetzes war insbesondere die Sicherstellung einer vollständigen und gleichmäßigen Informationsversorgung aller Kapitalmarktteilnehmer und die Verhinderung des Missbrauchs von Insiderwissen.[85] Zur Konkretisierung des Anlegerschutzgesetzes wurden zudem die Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung sowie die Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen und die Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten erlassen.[86] Durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) aus dem Jahre 2005[87] wurde die aktienrechtliche Seite des Kapitalanlegerschutzes insbesondere im Hinblick auf die Haftung von Organmitgliedern und die Durchführung von Hauptversammlungen neu geregelt.[88] Durch das am 20.1.2007 in Kraft getretene Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde die europäische Transparenzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt.[89] Die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie erfolgte am 16.7.2007 durch das Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz.[90]
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Mit dem Ziel der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen trat am 19.8.2008 das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz)[91] in Kraft. Um ein stabiles Finanzsystem zu erreichen und die Risiken für die Zielunternehmen zu minimieren, sollen gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert werden. Zur Umsetzung dieser Ziele änderte auch dieses Artikelgesetz zahlreiche aktien- und kapitalmarktrechtliche