href="#udb55c3e0-c60b-4f01-be6c-9c5111103b9e">§ 370 Rn. 12, 257).
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Keinen Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG sah der BGH jüngst bei der Einordnung von Treibhausgas-Emissionszertifikaten als „ähnliche Rechte“ i. S. v. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG.[91] Da es sich um eine steuerrechtliche Vorschrift handele, sei der Begriff der „Ähnlichkeit“ nicht „aus dem Blickwinkel des Rechts des geistigen Eigentums“ zu bestimmen, sondern „aus der ‚Außensicht‚ des Steuerrechts“, der eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise immanent“ sei.[92]
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Nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist hingegen die täterbegünstigende Analogie, soweit die allgemeinen Analogievoraussetzungen – planwidrige Regelungslücke, vergleichbare Interessenlage[93] – erfüllt sind.
(2) Die teleologische Einschränkung begünstigender Normen
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Das erweiterte Analogieverbot erfasst nach der Rspr. auch das Verbot teleologischer Einschränkung täterbegünstigender Normen.[94] Als unzulässige Analogie gilt daher auch die nicht vom möglichen Wortsinn getragene Einschränkung von gesetzlichen Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafmilderungs- oder Strafaufhebungsgründen.[95]
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Nicht unproblematisch war daher die seinerzeit durch den BGH durchgeführte teleologische Reduktion der strafbefreienden Selbstanzeige im Hinblick auf die heute nicht mehr mögliche Teil-Selbstanzeige.[96]
(3) Der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, § 42
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Ein Sonderproblem kann sich ergeben, wenn die Anwendung eines Steuergesetzes in Rede steht, das durch den „Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten“ umgangen worden ist. Für diese Fälle kennt das Steuerrecht die Sonderregelung, die anordnet, dass bei einer missbräuchlichen Steuergestaltung der Steueranspruch so entstehen soll, „wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung“ entstanden wäre (§ 42 Abs. 1 S. 2). An die Stelle der Besteuerung der tatsächlich gewählten unangemessenen Gestaltung tritt damit die Besteuerung der fiktiven, wirtschaftlich angemessenen Gestaltung.[97]
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Die missbräuchliche Steuergestaltung gem. § 42 bildet hierbei keinen eigenständigen Steuertatbestand, weswegen nicht schon die missbräuchliche Steuergestaltung allein eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 begründet.[98]
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Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 kann aber entstehen, wenn der StPfl. die missbräuchliche Steuergestaltung durch unrichtige oder unvollständige Angaben verschleiert (§ 370 Abs. 1 Nr. 1) oder pflichtwidrig verschweigt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2) (s. auch Rn. 55 f.).
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Der StPfl. macht sich aber nicht gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 strafbar, solange er richtig und vollständig über alle steuerlich erheblichen Tatsachen vorträgt und es „dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen“.[99] Unter diesen Voraussetzungen steht es dem StPfl. frei, „jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen“.[100]
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§ 42 bildet auch keine Grundlage für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2, da aus § 42 keine eigenständigen strafbewehrten Erklärungspflichten gegenüber den FinB folgen.[101] Eine solche Erklärungspflicht kann sich allerdings, nach den üblichen Regeln, aus anderen Steuergesetzen ergeben.[102]
(1) Rechtsanwendung und Rückwirkungsverbot
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Das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG (und § 369 Abs. 2 i.V.m. § 1 StGB) verlangt unter anderem, dass die Strafbarkeit bestimmt war, „bevor“ die Tat begangen wurde (Verbot rückwirkender Strafbegründung oder -verschärfung).[103]
(2) Die rückwirkende Verlängerung der Verjährungsfristen
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Keine unzulässige Rückwirkung enthält nach h.M. die rückwirkende Verlängerung des Zeitraums der Verfolgbarkeit einer einmal gesetzlich bestimmten Strafbarkeit, da diese ihren Unrechtscharakter nicht dadurch verliert, dass sie nicht mehr verfolgt werden kann.[104] So hält die h.M. insb. die nachträgliche Verlängerung von Verjährungsvorschriften für zulässig.[105] Eine Grenze wird nur dort gezogen, wo die ursprüngliche Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist,[106] da dies andernfalls der Neubegründung einer materiellen Strafbarkeit gleichkommen würde.[107]
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Anwendung finden diese Grundsätze auch für den Bereich der verlängerten Verjährungsfrist bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gem. § 376. Diese soll nach Ansicht des BGH auch auf Fälle anwendbar sein, bei denen die Neuregelung des Regelbeispielskatalogs nach § 370 Abs. 3 zur Tatzeit noch nicht existierte.[108]
(3) Die rückwirkende Änderung der Rechtsprechung
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Keine unzulässige Rückwirkung entfalten nach h.M. Änderungen der Rechtsprechung.[109] Nach der Rspr. des BVerfG gilt im Grundsatz, dass Gerichte nicht „an eine einmal feststehende Rechtsprechung“ gebunden sind, da sich eine solche Bindung „im Licht geläuterter Erkenntnis oder angesichts des Wandels der sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse“ „als nicht haltbar“ erweisen könnte.[110] Die gewandelten Verhältnisse müssen sich dabei nicht wesentlich ändern.[111] Für eine insb. willkürfreie Entscheidung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG ist es ausreichend, wenn sie „hinreichend begründet“ ist und sich „im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält“.[112]
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Als problematisch könnte sich in diesem Zusammenhang die seitens der Rspr. durchgeführte Änderung der Wertgrenze für die Steuerhinterziehung großen Ausmaßes gem. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 erweisen.[113] Hier hatte der BGH die früher für bloße Gefährdungen des