einem Mandat mit Zielrichtung der Unternehmensverteidigung und einem Mandat mit Zielrichtung, beispielsweise Schadenersatzansprüche gegen einen Mitarbeiter geltend zu machen, lasse sich im Rahmen einer internen Untersuchung ohnehin nur selten durchführen. Regelmäßig bestünde ein inhärenter Zielkonflikt, der sich auch nach Abschluss der Ermittlungen nicht auflöse.[74] Die von Jahn/Kirsch damit ins Feld geführte Gemengelage ist aber nicht nur für den Bereich der Internal Investigations charakteristisch.[75] Dass die Nr. 1 und 2 überflüssig würden, trifft jedenfalls insoweit nicht zu, als die Nr. 1 sich auch auf § 52 StPO bezieht.[76] Die Nr. 2 hat zumindest klarstellende Funktion und ist aus diesem Grund nicht verzichtbar.
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Ein weiteres Indiz dafür, dass der Rechtsanwalt zumindest nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend geschützt werden soll, könnte über die bekannten Argumente hinaus auch in der Neufassung des § 160a Abs. 1 StPO[77] gesehen werden, die die Stellung des Rechtsanwalts und den Schutz der Vertrauensbeziehung zu ihm deutlich stärkt.[78] Gleiches gilt für die hier favorisierte Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Beide tragen dem Ziel Rechnung, das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant als unverzichtbare Bedingung der anwaltlichen Berufsausübung einem absoluten Schutz zu unterstellen.[79] Auch der Hinweis von von Galen ist zutreffend, dass anderenfalls nicht nur das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts, sondern auch das absolute Verbot von den Geheimnisbereich betreffenden Ermittlungsmaßnahmen umgangen werden könnte.[80] Es sei unverständlich, dass die Ermittlungsbehörden ein Telefonat zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten zwar nicht abhören, aber im unmittelbaren Anschluss an das Telefonat die Telefonnotizen beschlagnahmen dürften.
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Das LG Hamburg übersieht zudem, dass auch der Auftraggeber einer internen Ermittlung ein Interesse an der Geheimhaltung der im Rahmen der Ermittlungen zu Tage tretenden Erkenntnisse haben kann und häufig haben wird und die drohende Beschlagnahme geeignet ist, ihn von vielleicht notwendigen Compliance-Maßnahmen[81] abzuhalten.[82] Rechtlich lässt sich die Einschränkung des nach herrschender Meinung im Übrigen geltenden Grundsatzes, dass der Anwendungsbereich des § 97 Abs. 1 StPO auf die Beziehung des Beschuldigten zu seinem Verteidiger in dem aktuellen Strafverfahren zu reduzieren ist,[83] zumindest dadurch rechtfertigen, dass die dem Unternehmen u.U. drohende Verbandsgeldbuße regelmäßig in dem gegen den Beschuldigten geführten Verfahren festgesetzt wird (vgl. § 444 StPO und § 30 OWiG).[84] Die juristische Person ist in diesem einheitlichen Verfahren Nebenbeteiligte.[85] Auch wenn das Unternehmen also nicht formal Beschuldigter des Verfahrens ist, in dem die Beschlagnahme erfolgt, sollte § 97 StPO jedenfalls in dieser Konstellation erweiternd ausgelegt werden.[86] Darüber hinaus ist jedoch schon die Beschränkung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO auf das Vertrauen des Beschuldigten nicht gerechtfertigt.[87] Es lässt sich unter dem Blickwinkel der vom BVerfG[88] anerkannten Bedeutung der freien Advokatur nämlich nicht begründen, dass das Mandatsverhältnis zwischen Unternehmen und intern ermittelndem Anwalt im Unterschied zu einem im Adhäsionsverhältnis beauftragten Anwalt nicht geschützt sein sollte.[89] Das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist für jedes Mandatsverhältnis unverzichtbar.[90] Ohne Vertrauen kann ein Mandat weder entstehen und noch Bestand haben.[91] Durch den Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Auftraggeber der internen Ermittlung und internem Ermittler ermöglicht man zugleich die Zusage der Verschwiegenheit an die zu interviewenden Angestellten durch die Unternehmensleitung, wenn diese auf eine spätere Entbindung des Berufsträgers von der Verschwiegenheitspflicht verzichtet.[92] Eine solche Vertraulichkeitszusage ist für eine umfassende Aufklärung unerlässlich.[93] Bei Jahn und Kirsch heißt es hierzu, gerade weil bei der Durchführung einer internen Untersuchung regelmäßig in großem Umfang Informationen von Personen erlangt würden, käme der Wahrung der Vertraulichkeit besondere Bedeutung zu.[94] Daher müsse es gerade in dieser Situation der Disposition des Unternehmens überlassen bleiben, inwieweit es den mit einer internen Untersuchung beauftragten Berufsgeheimnisträger dem Zugriff staatlicher Behörden ausliefere. Die Beschlagnahmemöglichkeit außerhalb der Beziehung Beschuldigter/Berufsträger könne dazu führen, dass ein Rechtsuchender auf anwaltlichen Beistand verzichte, weil er mit der Möglichkeit der Beschlagnahme der aus diesem Verhalten resultierenden Kommunikation und der bei dem Berufsgeheimnisträger verbleibenden Arbeitsergebnisse rechnen müsse.[95] Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Interviewten würde für eine extensive Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO sprechen. Anderenfalls wäre ein verfassungsunmittelbares Beschlagnahmeverbot zu erwägen.[96] Die neuere landgerichtliche Rechtsprechung hat sich dieser Deutung angeschlossen und bejaht daher ausdrücklich ein Beschlagnahmeverbot für Dokumente, die sich im Gewahrsam eines Rechtsanwalts befinden, auch im Verfahren gegen einen angestellten Beschuldigten.[97]
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Ob kumulativ oder als Alternative zu einem Beschlagnahmeverbot analog § 97 Abs. 1 S. 3 InsO ein Verwertungsverbot für solche Erkenntnisse besteht, die die internen Ermittler lediglich auf Grund einer für den Arbeitnehmer bestehenden faktischen Zwangslage oder einer zivilrechtlichen Auskunftspflicht erlangt haben, ist ebenso umstritten, wie das Bestehen dieser Auskunftspflicht selbst.[98] Regelmäßig wird jedoch entweder das eine oder das andere angenommen, um den betroffenen Arbeitnehmer nicht vollkommen schutzlos zu stellen.[99] Sowohl ein Verwertungsverbot als auch ein Schweigerecht gegenüber dem Arbeitgeber wären geeignete Rechtsinstitute, um die Waffengleichheit zwischen staatlichen Ermittlungsbehörden und Beschuldigten zu erhalten. Das Schweigerecht des Arbeitnehmers würde jedoch nicht nur staatliche Ermittlungen, sondern auch die unternehmensinterne Aufklärung der jeweiligen Vorfälle hindern.[100] Das Auskunftsinteresse des Arbeitgebers dürfte damit nach den von der Rechtsprechung des BGH aufgestellten Grundsätzen den Vorrang beanspruchen[101] und ein Verwertungsverbot insbesondere im Hinblick auf die Nähe der entsprechenden Sachverhalte zum Gemeinschuldnerbeschluss vorzugswürdig sein.[102] Auch die Hörfallenentscheidung des BGH[103] legt ein Verwertungsverbot nahe.[104] Es ließe sich über den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren begründen, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, den allgemeinen Freiheitsrechten sowie der Pflicht des Staates zur Achtung der Menschenwürde ergibt und in Art. 6 Abs. 1 EMRK seinen einfachgesetzlichen Niederschlag gefunden hat.[105] Die Argumente für ein Verwertungsverbot gewinnen zudem an Gewicht, wenn man bedenkt, dass die mögliche Auskunftspflicht nicht der einzige Unterschied zwischen einer internen Ermittlung und einem staatlichen Ermittlungsverfahren ist.[106] Einem Unternehmen stehen gegenüber seinen Mitarbeitern diverse Möglichkeiten zur Verfügung, um einen faktischen Zwang zur Kooperation zu begründen.[107] Wollte man ein Beweisverwertungsverbot verneinen, müssten ggf. also noch weitere Verfahrensprinzipien auf das interne Ermittlungsverfahren erstreckt werden. Vorrangig ist an eine entsprechende Anwendung des § 136a Abs. 3 StPO zu denken, wenn beispielsweise bewusst über Mitwirkungspflichten getäuscht wird oder sonst unzulässige Vernehmungsmethoden eingesetzt werden.[108] Eine solche Angleichung der internen Ermittlungen an das staatliche Ermittlungsverfahren dürfte jedoch verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Strafverfolgungsmonopol der Staatsanwaltschaft begründen.[109] Schlussendlich erfolgen interne Ermittlungen aber auch häufig vollkommen unabhängig von einem konkreten Verdacht gegen einen Mitarbeiter, so dass die Standards der StPO keinen geeigneten Maßstab bieten.[110]
c) Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 StPO
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Über die bisher genannten Voraussetzungen hinaus muss sich der jeweilige Gegenstand nach dem Wortlaut des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO auch im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden, damit das Beschlagnahmeverbot eingreift. Die ganz herrschende Meinung sieht in § 148 StPO jedoch eine Ergänzung des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO für die Kommunikation mit dem Verteidiger, so dass es ausreichen soll, wenn sich der Gegenstand in einem solchen Verhältnis entweder im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befindet oder es sich um Verteidigerpost oder andere schriftliche Verteidigungsunterlagen handelt.[111] Gewahrsam meint dabei die von einem natürlichen Willen getragene Herrschaft über ein Beweismittel unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung. Mitgewahrsam soll nach überwiegender Auffassung genügen, sofern der Mitgewahrsamsinhaber nicht der Beschuldigte selbst ist.[112] Der Gewahrsam an dem Beweismittel erstreckt sich daher auch auf Beweismittel, die z.B. in Schließfächern verwahrt