Hier ist zwischen der Befragung des Unternehmensangehörigen und der Befragung eines Externen (bspw. des bisherigen Rechts- oder Steuerberaters, des Abschlussprüfers oder eines besonderen externen Betriebsbeauftragten, aber auch des auditierten Fremdbetriebs) zu unterscheiden. Der Begriff „extern“ bedeutet hier zweierlei, zum einen ist eine externe Person statusrechtlich nicht Angestellter, also nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und den spezifischen Treuepflichten des Arbeitsverhältnisses unterworfen. Zum anderen sind aber auch Externe solche Personen, die die innerbetrieblichen Abläufe nur aus der Entfernung, aus punktueller Betrachtung und/oder aus fachlicher Distanz beobachten. Ihnen obliegt in der Regel nicht die betriebliche Verantwortung für einen bestimmten Zustand oder ein bestimmtes untersuchtes Verhalten, es sei denn, es liegen eine einvernehmliche Delegation, eine vertragliche Pflichtenübernahme oder eine Garantie vor. In den zuletzt genannten Fällen wäre der Externe wie ein Interner zu behandeln.
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Abstrahiert von einer statusrechtlichen Verpflichtung zur Zulassung der Befragung müssen die Interessenkonstellationen der Interviewteilnehmer bedacht werden. Hat der Befragte bspw. sicher eine dringend für die Untersuchung benötigte Information allein, kommt ihm als Informationsträger eine zentrale Stellung in der Untersuchung zu. Eine Blockade könnte dann die gesamte Untersuchung scheitern lassen. Deshalb ist es für den Befragenden wichtig, diese Information in einer für die Untersuchung verwertbaren Form zu erlangen. Für den Informationsträger ist es indessen wichtig, die Information nach Art, Umfang, Zeitpunkt und Platzierung zu kontrollieren, ggf. auch weiter vor dem Zugriff Fremder zu schützen. Dieser Interessengegensatz prägt alle Diskussionen über Mitarbeiterbefragungen im Zuge von Internal Investigations. Dabei wird sowohl die Position des Arbeitgebers als (je nach Standpunkt wünschenswert in großem oder kleinem Umfang) Informationsherr in Frage gestellt, als auch versucht, seine berechtigten Interessen an der Informationserlangung einzugrenzen sowie die angewandten Mittel zur Informationsbeschaffung zu begrenzen.[6] Ebenso prägt dieser Interessengegensatz die Diskussion um Amnestieprogramme und Kronzeugenregelungen. Dort wird im Kern der gleiche Gedanke vorausgesetzt. Allerdings steht am Anfang der dortigen Überlegungen die Erkenntnis, dass Appelle und sogar Druckmittel zur Erlangung der Information versagt haben, lediglich das Angebot einer Vergünstigung oder Besserstellung des Informationsträgers, oft sogar der Sanktionsfreiheit erscheinen als wirksame Mittel, an die Information zu gelangen.[7]
b) Aufgaben und Kompetenz des Interviewenden
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Aufgabe des Untersuchungsführers ist es, die in den vorherigen Phasen der Untersuchung erlangten Erkenntnisse thematisch zu gliedern und auf das oder die Interviewthemen zu konzentrieren, auf die es konkret ankommt. Sowohl aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne wie auch dem Gebot der Rücksichtnahme und Schonung von betrieblichen Ressourcen soll die Anzahl und der Umfang von Interviewterminen mit derselben Person begrenzt werden. Das Interview muss zielführend und konzentriert geführt werden, die Ergebnisse sind zu dokumentieren[8] und für die Ergebnisdarstellung aufzubereiten. Professionelle Fragesteller fassen sowohl die aus dem Interview hervorgehende Dokumentation als auch die für das Interview verwendete Dokumentation separat zusammen, wie es (leider allzu selten) auch Ermittlungsbehörden oder Gerichte praktizieren.
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Die Kompetenzen zur Befragung werden durch die Rechtsstellung des Auftraggebers vermittelt und begrenzt, da der Untersuchungsführer in dessen Rechtskreis tätig wird.[9] Da nach den gesellschaftsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorgaben eine Berechtigung zur Vertretung des Unternehmens nur im Aufgabenkreis des jeweiligen Organs (Vorstand: §§ 76, 78, 82 AktG; Aufsichtsrat: §§ 111, 112, 170 AktG; Aktionär/Hauptversammlung: §§ 131, 145 AktG) oder eines anderen Unternehmensvertreters möglich ist, wird dadurch auch die Stellung des Untersuchungsführers begrenzt. Die ihm erteilte Vollmacht kann nämlich nur soweit gehen, wie die Vertretungsmacht des auftraggebenden Unternehmensvertreters reicht. Eine Art „verdeckter Ermittler“ für eine parallel ermittelnde Behörde ist der Fragesteller in keinem Fall.[10] Die Annahme „verdeckter Auftragsverhältnisse“ für eine externe Ermittlungsbehörde[11] hat keine Grundlage in den Normen des deutschen Kartell-, Bußgeld- oder Strafverfahrensrechts. Anknüpfungspunkt der Internal Investigation ist das unternehmenseigene Interesse an der Aufklärung zur Schadensverhütung und Selbstreinigung, das mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen an eine staatliche Reaktion auf ein sanktionswürdiges Fehlverhalten nur eine Schnittmenge hat, niemals aber eine gleichgerichtete Zielsetzung.[12] Gerade deshalb ist die Internal Investigation eine Kombination aus unternehmensinternem Wissen und externen Beauftragten, damit im eigenen Pflichtenkreis des Unternehmens Grundlagen für eine geeignete Krisenreaktion geschaffen und die Krisen bewältigt werden können.
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Die Kompetenzen des Fragestellers folgen dem Rechtskreis seines Auftraggebers. Ein Arbeitgeber darf grundsätzlich alle ihm arbeits- und betriebsverfassungsrechtlich erlaubten Mittel anwenden. Lediglich verfassungsrechtlich garantierte Schutzrechte des Arbeitnehmers (bspw. das Folterverbot oder andere elementare Menschenrechte) begrenzen die Mittelauswahl dafür.[13] Ein gesellschaftsrechtlich handelndes Organ muss auf schützende Grenzen des Arbeitsrechts nicht unbedingt Rücksicht nehmen, hat aber dafür eine grundsätzlich schwächere Position bei der Durchsetzung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Wiederum stehen einem Fragesteller aber keinesfalls Ermittlungskompetenzen der Ermittlungsbehörden zu. Das gilt selbst dann, wenn mit einer in- oder ausländischen Behörde eine „Kooperation“ oder eine „Monitoring-Vereinbarung“ mit einer Aufsichtsbehörde (förmlich) geschlossen worden sein sollte. Solche Vereinbarungen binden nur die jeweiligen Vertragspartner, nicht den oder die zu befragenden Informationsträger im Rahmen der Investigation.
c) Verantwortung des Interviewenden
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Mit anderen Menschen in Investigationen Befragungen durchzuführen, ist eine Ehre, eine Herausforderung und eine Verpflichtung. Der Untersuchungsführer und sein Team haben die Ehre, die Erfahrung und die Kenntnisse des Befragten in ihr Untersuchungswissen zu integrieren. Bei allem Vorwissen schuldet der Fragesteller den nötigen Respekt vor der Würde und Persönlichkeit des Anderen. Die Herausforderungen liegen daher vor allen Dingen in der oben geschilderten Rollen- und Interessenverteilung. Durch die Befragung soll die erforderliche professionelle Distanz zu den Ereignissen der Vergangenheit zum Ausdruck kommen. Eine demonstrative Parteinahme für die eine oder andere Arbeitshypothese disqualifiziert den Fragesteller und macht – besonders die Befragung von „Verdächtigen“ – zu einer psychologisch unerträglichen intellektuellen „Vergewaltigung“. Weil es zu der zentralen Verpflichtung des Fragestellers gehört, eine Beweislage wertneutral und klar darzustellen, ist die Vergiftung einer Befragungsatmosphäre durch unsachliche Angriffe gegen die Person oder die Integrität des Befragten oder der ihm nahestehenden Personen nicht hinzunehmen und zwingt zum Abbruch einer Befragung.
a) Legalität
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Die Durchführung von Personenbefragungen durch unternehmensinterne Compliance-Beauftragte, Revisoren oder auch durch unternehmensexterne forensisch erfahrene Beauftragte ist legal. Grundsätzlich können Personen zu jedem Thema befragt werden, solange sie diese Befragung zulassen und Auskunft erteilen. Das einwilligende Verhalten des Befragten kann auch darin bestehen, dass dem Untersuchungsführer Zutritt zu einem bestimmten Ort gewährt wird, dass ihm Gegenstände, elektronische Daten oder Bild-/Tonaufzeichnungen übergeben werden oder dass ihm erlaubt wird, Aufnahmen oder Kopien anzufertigen. Eine Unverwertbarkeit aufgrund eines verfassungsrechtlichen Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG oder gegen höchstpersönliche Menschenrechte wird nur ausnahmsweise angenommen.[14] Etwaige Belehrungsmängel bei der Einholung