bildet eine logische Konsequenz des gesellschaftlichen Zuschreibungsprozesses, der für die „Compliance-Funktion“ unternehmensinterner Ermittlungen nutzbar gemacht werden kann.
c) Kosten und Nutzen unternehmensinterner Ermittlungen
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Bei alledem stellt sich zu Recht die Frage, ob Internal Investigations auch nach einer Kosten-Nutzen-Abwägung als sinnvoll erscheinen können. Auf der Kosten-Seite schlagen dabei vor allem die nicht unerhebliche finanzielle Mehrbelastung sowie die Gefahr zu Buche, dass die im Wege eigener Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse nunmehr erleichterten Zugriffs- und Kenntnismöglichkeiten der Behörden unterliegen oder letztlich sogar mehr Informationsmaterial als behördliche Untersuchungen zu Tage fördern könnten.[28] Die Zugriffsmöglichkeiten der Ermittlungsbehörden bleiben allerdings zumindest nach der deutschen strafprozessualen Rechtslage angesichts von § 160a Abs. 1 StPO[29] begrenzt.
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Diesem gewichtigen Kosten-Minus muss jedoch zum Ausgleich entgegengehalten werden, dass es sich bei Internal Investigations vor allem um ein Instrument des Krisenmanagements zur Schadensvermeidung handelt.[30] Das Potential unternehmensinterner Ermittlungen liegt vor allem in der Begrenzung hoheitlicher Sanktionen nach US-amerikanischem Recht sowie – von besonderer Relevanz für ausschließlich am deutschen Markt agierende Unternehmen bspw. des Mittelstandes – in der Vermeidung ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sanktionen in Betracht. Diese können nach § 30 Abs. 1 OWiG auch gegen das Unternehmen selbst ausgesprochen werden, wenn bestimmte, dort näher aufgeführte Leitungspersonen „eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen [haben], durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte“, und deren mögliche Höhe die wirtschaftliche Belastung eines Unternehmens durch die Unterhaltung der entsprechenden Strukturen im Bereich der Corporate Governance jedenfalls nicht erreichen dürften.[31]
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Wenn dann zunehmend die Beobachtung angestellt werden kann, dass Geschäftsabschlüsse mehr und mehr vom Nachweis der Einhaltung entsprechender Compliance-Standards abhängen[32] und die diesbezügliche Reputation eines Unternehmens verstärkt in das Blickfeld von Geschäftswelt und Gesellschaft rückt, so führt dies letztlich zu einem Überwiegen der Gründe, die für die Einführung unternehmensinterner Ermittlungen als festen Bestandteil von Corporate-Governance-Strukturen sprechen. Dieser Nutzen kann allerdings nur eintreten, sofern die Ermittlungen innerhalb eines bestimmten Rahmens ablaufen, für dessen Einhaltung vertrauenswürdige Fachkräfte sorgen müssen.[33]
3. Ablauf der Ermittlungen[34]
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Zum Teil wird vertreten, Internal Investigations seien zunächst in Existenz, Anlass und Art der Untersuchungen vor potentiellen Tätern zu verheimlichen, um der Gefahr von Verdunkelungshandlungen zu begegnen.[35] Dies ist jedoch nicht unbegrenzt und schrankenlos zulässig; heimliches Vorgehen sollte aus verschiedenen Gründen auf zwingende Fälle beschränkt bleiben. Denn Mitarbeiter über die Untersuchung zu informieren kann auch deren Kooperationsbereitschaft fördern und Gerüchten und Spekulationen vorbeugen oder entgegenwirken.[36]
a) Interviews
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Im Rahmen von unternehmensinternen Ermittlungen werden mit den Mitarbeitern (vertrauliche[37]) Interviews geführt.[38] Diese bilden neben der Sichtung von Dokumenten[39] die zentralen Erkenntnisquellen.[40] Probleme können dabei gegenüber dem Arbeitgeber,[41] nicht aber gegenüber den externen Beratern[42] bestehende Auskunftspflichten bereiten. Externe Ermittler dürfen daher in Interviewsituationen nie den Eindruck erwecken, sie würden amtliche Aufgaben wahrnehmen.[43]
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Anlässlich der Interviews werden die befragten Mitarbeiter üblicherweise im Wege sog. Upjohn Warnings[44] belehrt, über die Interviews fertigen die mit der Ermittlung befassten Personen i.d.R. Protokolle[45]. Zumeist werden diese den befragten Mitarbeitern aber weder ausgehändigt, noch zum Gegenlesen und Bestätigen vorgelegt. Dass dies nicht nur wegen der daran ggf. anknüpfenden persönlichen Haftungsfolgen äußerst problematisch ist, erschließt sich von selbst. Gleiches gilt, wenn Mitarbeiter anlässlich des Interviews unter Druck gesetzt und zu einer Aussage gedrängt oder ihre Angaben in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.[46] Bei Verdächtigen versuche man nicht selten, durch die Zusicherung von Abfindungszahlungen die Aussagebereitschaft zu erhöhen.[47]
b) Sichtung von Dokumenten
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Sofern im Rahmen der Internal Investigation auch Dokumente gesichtet werden, so geschieht dies häufig, indem insbesondere der E-Mail-Verkehr innerhalb eines Unternehmens, aber auch die Kommunikation mit Dritten systematisch überprüft werden,[48] auch heimliche Tonbandaufnahmen seien eine gängige Methode der Informationsgewinnung.[49] Üblich sind ferner der Einsatz von Fragebögen, die Verwendung technischer Einrichtungen wie Screenings, die generelle Telefondatenerfassung oder sogar Telefonabhöranlagen, Videokameras, elektronische Ortungssysteme und die Inaugenscheinnahmen privater Gegenstände.[50] Am Ende der Untersuchung steht ein Abschlussbericht.[51]
4. Auswirkungen
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Wie gesehen handelt es sich bei internen Ermittlungen durchaus um eingriffsintensive Maßnahmen von Seiten der Unternehmensleitung in die Sphäre der Mitarbeiter. Dass Internal Investigations – zumal wenn bei ihrer Durchführung ein gewisser rechtlicher Rahmen verlassen wird – bei den Betroffenen auf Unverständnis stoßen und (neben den bereits beschriebenen positiven Effekten) auch negative Auswirkungen für die beruflichen Beziehungen innerhalb des Unternehmens haben können, erschließt sich von selbst. Hierbei lassen sich „vertikale“ Effekte in Über-unter-Ordnungsverhältnissen, „horizontale“ Auswirkungen in Gleichordnungsverhältnissen und negative Außenwirkungen unterscheiden.
a) „Vertikale“ Auswirkungen in Über-unter-Ordnungsverhältnissen
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Negative Auswirkungen auf die berufliche Beziehung zwischen Mitarbeitern verschiedener Hierarchiestufen mögen insbesondere aus der Tatsache resultieren, dass die Kooperationsbereitschaft der in die Untersuchung involvierten Personen häufig – aus nachvollziehbaren Gründen wie etwa der Angst vor Sanktionen bzw. gar einer Strafverfolgung[52] – erst hergestellt werden muss. Vor allem soweit sich der Verdacht eines Regelverstoßes gerade gegen den befragten Mitarbeiter richtet, dürfte es nicht selten zu nachhaltigen Beeinträchtigungen der beruflichen Vertrauensbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen.
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Bspw. drohen zu diesem Zweck die ermittelnden Personen den interviewten Mitarbeitern gelegentlich berufliche, insbesondere finanzielle Nachteile bei Kooperationsverweigerung an.[53] Das Inaussichtstellen einer Kündigung für den Fall der Kooperations- oder Aussageverweigerung, also die strikte Verfolgung einer sog. „talk-or-walk-policy“,[54] bildet dabei wohl leider keine Seltenheit. Da Aussagepflichten nur innerhalb der unmittelbaren Arbeitssphäre bestehen,[55] ist ein solches Vorgehen freilich schon aus rechtlichen Gründen sehr zweifelhaft, zumal, wenn externe Berater hinzugezogen werden. Mitarbeiter würden zudem massiv unter Druck gesetzt[56] und verzichteten unter dem Eindruck der in Aussicht gestellten Folgen auf eine eventuell bestehende Selbstbelastungsfreiheit.[57] Gelegentlich findet sich daher sogar die Empfehlung an die befragten Mitarbeiter, einen privaten Rechtsbeistand hinzuzuziehen.[58]
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Dass