Heerlen in die etwas weiter gelegene Ortschaft Eygelshoven. Dort war ein Café zu vermieten. Mit dem Geld, das sie damit zu verdienen hofften, wollten Hendrik und Johanna die finanzielle Einbuße ausgleichen.
Eygelshoven 1962
Das Café »De Sport« lag in der Wimmerstraat 7. Hier begann die Familie Simons 1962 ihr Abenteuer im Gastgewerbe.
Der Bruder George und der fünf Jahre jüngere Heintje kamen hier auf die katholische Sint-Jan-Schule in der Anselberglaan, die den gleichen Namen trug wie ihre alte Schule in Heerlen. Der Vater stürzte sich auf das Organisieren der nötigen Bewilligungen, etwas, das er gern machte. Neben dem obligaten Bier, das 50 Cents kostete, hatte das Café eine kleine Karte mit Leckerbissen, die die Mutter in der kleinen Küche selbst zubereitete. Wenn Hendrik mit seinem »Papierkram« beschäftigt war, übernahm Johanna das Geschäft hinter der Bar.
Was Heintje aus dieser Periode in Erinnerung blieb, war der Zahltag: »Jeden Freitag, wenn die Bergleute ihren Lohn bekamen, versammelten sich nachmittags die Frauen vor unserer Tür und warteten auf ihre Männer, die nach der Auszahlung direkt ins Café gingen. Jede nahm ihrem Mann die Lohntüte ab und die meisten gaben dem Mann dann fünf oder zehn Gulden Trinkgeld. So konnten sie sicher sein, dass nicht der komplette Inhalt der Lohntüte in der Kasse des Cafés ›De Sport‹ verschwand. Dadurch war jeder Freitagnachmittag für das Café ein Festtag.«
Zu dieser Zeit blühte auch die Popmusik richtig auf, und im Café gab es eine Wurlitzer Musikbox, die immer mit den neuesten Hits bestückt war.
Wenn die Simons-Kinder nachmittags gegen 16 Uhr aus der Schule heimkamen, gingen sie ins Café, um Vater und Mutter zu begrüßen. Um diese Zeit begann sich das Café an der Wimmerstraat zu füllen und man hörte aus dem Lautsprecher regelmäßig »The Mamas & The Papas«, Jim Reeves und Elvis Presley. Unbewusst bekamen die Kinder jeden Tag etwas davon mit. So klang auch das von dem italienischen Wunderkind Robertino Loreti gesungene Lied Mamma regelmäßig aus den Lautsprechern, denn die 1961 herausgekommene Single war auch in der Jukebox der Familie Simons zu finden. Im Süden der Niederlande gab es damals viele italienische Gastarbeiter, die in den belgischen und holländischen Bergwerken arbeiteten. Diese Männer waren oft zu Tränen gerührt, wenn das Lied Mamma durch das Café schallte. Dann wurden sie von den Einheimischen manchmal wegen ihrer Rührseligkeit ein bisschen aufgezogen.
Doch einer konnte nachfühlen, was dieses Lied bei den Männern aufwühlte, ohne dass er auch nur ein Wort davon verstanden hatte. Heintje bat seinen Vater, ihm einen Koffer-Plattenspieler zu kaufen, damit er sich diese Single jederzeit anhören konnte und um seine Aussprache zu perfektionieren. Nach gewisser Zeit konnte er das Lied fehlerlos phonetisch mitsingen. Vater und Mutter wussten nicht genau, wen sie hörten, und waren damit seine ersten Bewunderer. Nun prahlte Vater Hendrik, dass sein Sohn diese Gabe nicht von einem Fremden habe! Von vielen Familienfesten oder Veranstaltungen im Café kannte man die Gesangseinlagen von Hendrik und Johanna Simons. Doch ihr Sohn war ein ungewöhnliches Talent. Auch Gäste, die ins Café kamen, waren sehr angetan von der hellen und reinen Stimme dieses Jungen. Manch einer riet ihm, ein Instrument zu lernen, aber Heintje wusste genau, was er wollte. Er mochte nicht in ein Orchester oder eine Band, er wollte vorn im Rampenlicht stehen! Er hörte alte Aufnahmen von Enrico Caruso und sah den Film The Great Caruso, in dem der Tenor Mario Lanza die Rolle von Caruso spielte.
Die Sterbeszene von Carusos Mutter machte einen tiefen Eindruck auf ihn. Heintje wusste genau, singen und in Filmen mitspielen war das, was er später machen will. Aber von seinem Zimmer in Eygelshoven bis zur Bühne schien der Weg unendlich weit. Manchmal träumte er davon, dass er mit den Worten »Und hier, meine Damen und Herren, ist Heintje!« angekündigt wird. Solche Träume spornten ihn an, er verwirklichte sie in seinen Spielen und schmückte sie aus. Wie er sein Ziel erreichen konnte, wusste er noch nicht, aber sobald sich die Chance ergeben würde, wollte er sie mit beiden Händen ergreifen. Wenn er aus solchen Wachträumen in den Schlaf hinübergleitete, ahnte er nicht, wie nahe er dieser Chance war.
»De Hannibar« in Bleyerheide
Angespornt durch den Erfolg des Cafés in Eygelshoven, entschlossen sich Vater und Mutter 1965, den Schritt zu wagen und ein größeres Geschäft zu eröffnen. Im zwei Kilometer entfernten Nachbarort Kerkrade-Bleyerheide war ein Lokal zu vermieten, das früher ein Café gewesen war und in den letzten Jahren als Frisörsalon genutzt wurde. Hendrik und Johanna wollten den Salon wieder in ein Café zurückverwandeln. In Bleyerheide hofften sie auf bessere Geschäfte als in Eygelshoven. Trotzdem half Vater Simons in der ersten Zeit, wenn er im Café nicht gebraucht wurde, ab und zu bei einer Baufirma als Handlanger aus, denn, auch wenn das staatliche Bergwerk fast um die Ecke lag, war er nicht mehr gesund genug, um unter Tage zu arbeiten.
Heintje kam auf die katholische St.-Josef-Schule in der Pannesheidestraat, wo man Jungen und Mädchen noch separat unterrichtete. Hier wurde er in die 4. Klasse versetzt. »Das Schönste an dieser Schule waren die Pausen«, erzählt er später.
Der Ort hatte ein reges Vereinsleben, sodass man Veranstaltungen organisieren, Partys ausrichten und zusätzlich auch Tanzunterricht geben konnte. Alles Dinge, die wegen der beschränkten Räumlichkeiten in Eygelshoven nicht möglich waren. Also wurde wieder umgezogen. Das Café wurde nach Johanna »De Hannibar« genannt. Das Haus an der Dr. Ackensplein 27 hatte auf seiner Rückseite eine kleine Küche, aus dem Rest des Erdgeschosses wurde wieder ein Café gemacht. Oben gab es ein großes Wohnzimmer, von dem aus man den ganzen Dorfplatz übersehen konnte, im zweiten Stock befanden sich die Schlafzimmer. Dem Haus schräg gegenüber, auf einem steinigen Hügel des Platzes, stand ein Christusbild. »So kann er uns immer im Auge behalten«, hat Vater Simons oft scherzhaft bemerkt. Vom Platz aus gesehen rechts neben »De Hannibar« gab es in Nachbar Wiel Saldens Salon Fritten und Eis. So eine Nachbarschaft gefiel den Kindern natürlich, denn Eis und Pommes Frites gleich nebenan zu haben, war zweifellos ein »Standortvorteil« des neuen Domizils. Sollten sie je Zweifel am Sinn des Wohnungswechsels gehabt haben, so überzeugte sie die Nähe dieses Geschäfts zu 100 Prozent.
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