deinem Leben verwirklichen kannst.
Und in diesem Prozess veränderst du dich und ebenso verändern sich die Umstände. Deine Reichweite und deine Fähigkeiten wachsen, aber dein sich entfaltendes Du spürt, dass es weiterhin unzählige Chancen und Möglichkeiten gibt, alle mit einer unterschiedlichen Textur versehen – eine reiche Sammlung von Geschichten mit verschiedenen Enden. Alle diese Geschichten sind Avatare deiner Entwicklung. Die Ahnung dessen, wer und was du wirklich bist, wird zu einem dynamischen Hologramm. Mit jedem neuen Gedanken, und mehr noch, mit jeder neuen Tat trittst du in ein neues Intelligenzmuster ein. Keiner dieser Gedanken und keine dieser Taten sind besser oder schlechter. Sie sind nur verschieden. Die Evolution des Kosmos, ebenso wie deine persönliche Entwicklung, hat ihre eigene natürliche Bewegung. Diese Bewegung ermöglicht es dir zu wählen: Du hast die Wahl, dich dafür zu entscheiden, deine eigene Geschichte zu erzählen, und damit auch gleichzeitig die Geschichte der Welt, die Geschichte Gottes, des Geistes, der Ewigkeit … des Schicksals.
Die eher magische Weltsicht des Nostradamus steht also im Kontrast zu dem Gedanken, dass das menschliche Handeln Priorität hat, so wie es etwa in dem bekannten Sprichwort »Der Mensch ist seines Glückes Schmied« zum Ausdruck kommt. Dies darf aber keineswegs so missverstanden werden, als habe der Mensch allein alles unter Kontrolle und alles hinge nur von seinem Willen ab. Eine derartige reduktionistische Sichtweise wird leider allzu oft in Selbsthilfeprogrammen verbreitet, meist um die Hoffnung auf schnellen, materiellen Gewinn zu schüren, die aber dann von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Es stimmt zwar durchaus, dass aktives Handeln die Entwicklung vorantreibt. Dazu muss aber noch die Einsicht kommen, dass es noch andere, wesentliche Fähigkeiten gibt, die eine zentrale Rolle dabei spielen: die Fähigkeit zu sehen, zuzuhören, das eigene Potenzial sowie das Potenzial, das in den jeweiligen Umständen steckt, zu verstehen. Der erste Schritt beim Reifenwechsel ist die Erkenntnis, dass man eine Panne hat.
Ein Zitat, das besonders deutlich zum Ausdruck bringt, welche Rolle der Mensch selbst in seinem Schicksal spielt, stammt von dem schottischen Bergsteiger William Murray:
»Solange man sich nicht vollständig auf eine Sache eingelassen hat, gibt es immer Zögern, Unschlüssigkeit, die Möglichkeit sich zurückzuziehen, und dies hat mangelnde Wirksamkeit zur Folge. Für jede Initiative und für jeden schöpferischen Akt gilt eine elementare Wahrheit, die beachtet werden muss, wenn nicht zahllose Ideen und grandiose Entwürfe zugrunde gehen sollen: In dem Augenblick, in dem man sich unwiderruflich auf etwas einlässt, bewegt sich auch die Vorsehung. Plötzlich erscheint unerwartet Hilfe. Dinge passieren, die sonst nie passiert sind. Ein ganzer Strom von Ereignissen entspringt aus der Entscheidung und bringt alle Arten unvorhergesehener Ereignisse, Bewegungen und materielle Hilfen hervor, von denen man sich nicht hätte träumen lassen.«
(aus: W. H. Murray: Die schottische Himalaya Expedition)
Sich auf eine Sache bindend einzulassen, heißt auf der neuronalen Ebene zu handeln. In dem Moment, in dem man sich zu etwas verpflichtet, findet ein Feuerwerk von Nervenzellen statt. Neue, ungeahnte Möglichkeiten eröffnen sich und dieser Moment ist der erste, wahrnehmbare Impuls der Hoffnung. In diesem Augenblick wird uns klar, dass wir tatsächlich etwas verändern können.
Auch in der Bhagavad Gita ist die Notwendigkeit zu handeln eines der zentralen Themen, obgleich hier Handeln noch durch Kontemplation ergänzt werden muss. Die Welt, die in der altindischen Schrift beschrieben wird, ist eine Welt jenseits von Gut und Böse. Der Mörder ist nicht vom Ermordeten zu trennen und Handeln ist nicht auf einen Gewinn hin ausgerichtet. Die Maxime ist vielmehr: Gehe hinaus, tue, was immer du tust, aber tue es mit ganzem Herzen! Lass dich vollständig darauf ein, in den Worten Murrays. Und ebenso gilt, wie auch Gandhi sagt, dass eine Handlung nicht erst durch das Resultat bedeutungsvoll wird. Durch die Zuwendung der Gnade wird jede Handlung an sich bedeutungsvoll und wird eins mit dem Lebensprozess selbst.
Die Dinge geschehen, unabhängig davon, was du tust oder nicht tust. Muster entfalten und manifestieren sich. Das Leben erneuert sich beständig. Wenn das schon so ist, warum dann nicht einfach daran teilhaben? Du fühlst dann, wie der Atem durch dich hindurchfließt, zuerst ein und dann wieder aus – ebenso wie im weiteren, kosmischen Zusammenhang, der ewige Atem spürt, wie du durch ihn ein- und ausgehst und er sich durch dich zum Ausdruck bringt. Damit wirst du zum Teilnehmer an der Entfaltung alles Seienden, mit dem Atem und durch den Atem. Und genau in diesem Augenblick, wie auch sonst in jedem Augenblick, regst du die Bildung eines neuen Musters an. Dieses Muster dehnt sich aus: Sekunden werden zu Minuten, Minuten zu Stunden, Stunden zu Tagen. Tage werden Wochen, Wochen werden Monate und Jahre, und dadurch, dass du dich auf deine Handlung bedingungslos eingelassen hast, entsteht ein einmaliges Leben. Durch dieses Leben wird … alles Leben.
Die Leere, das Nichts, ist der Ursprung und das Ziel von allem. Es gibt etwas, was immer gleich bleibt und sich dennoch andauernd erneuert. Sowohl Aurobindo als auch Ramana Maharshi beschreiben diesen Sachverhalt sehr eindringlich in ihrenWerken über Einheit und Vielheit sowie über das Wesen des Ich. Alles kommt aus dem »Du«, dem Raum, in dem die Kollaboration an der Entstehung der Muster stattfindet, da wo jegliches Schicksal anwest. Aus dem Nichts entsteht Etwas und dabei hast du etwas mitzureden.
Joseph Campbell hat den Ausdruck »Follow your bliss – folge deinem Glücksgefühl« geprägt. In der chinesischen Philosophie gibt es die Begriffe des »Tao« – auf Deutsch »Sinn und Weg«, sowie des »Wu Wei« – »handle nicht gegen die Natur der Dinge«. Im tiefsten Sinn laufen alle diese Gedankengänge auf dieselbe Bedeutung hinaus: Das Wunder des Werdens liegt in der Hingabe an den Lebensprozess.
Handle, aber versuche nicht, etwas zu erzwingen. Lass los, wenn du festhalten willst. Verliere dich im Spiel. Dieses eine Leben, das du jetzt lebst, wird keine endgültige Erleuchtung bringen. Für jeden neuen Schüler wird ein neuer Lehrer benötigt, dessen Aufgabe das fortwährende Erwecken und Wiedererwecken ist und der selbst immer wieder und wieder neu erwachen muss.
Wie flexibel bist du, wenn es darum geht, die Dinge nahtlos immer neu zu sehen? Kannst du im Vollmond den Mann im Mond ausmachen? Sobald du den Mann siehst, schalte um und erblicke den Hasen. Und dann wieder zurück zum Mann.
Diese Fähigkeit, ein Muster zu erkennen, und dann zwischen diesem und einem anderen, im selben Hintergrund verborgenen Muster hin- und herzuwechseln, ist identisch mit der Erzeugung des Musters selbst. Dadurch, dass du es erkennst, fängt es von deiner eigenen Perspektive her an zu existieren. Durch den Akt der Wahrnehmung wird auch der weitere Kontext sichtbar, der sich aus dem Muster heraus erweitert.
Ein Beispiel für dieses Phänomen sind die Sternbilder am Himmel. Die Menschen sehen Bilder und Muster am Himmel. Sie geben ihnen Namen, bringen Mythen und Geschichten mit ihnen in Verbindung, erschaffen also eine reiche Welt von Bedeutungen um diese Bilder herum. Tatsächlich aber sind die Muster nur einzelne Sterne, die ohne bestimmte Beziehung zueinander ihr Licht ausstrahlen. Das heißt aber nicht, dass die Sternbilder nicht wirklich sind. Ganz im Gegenteil: Wir haben sie aus unserem eigenen Innern heraus geschaffen. Wir sind aus dem Nichts gekommen und wir haben die Mythen aus dem Nichts geschaffen – und dieses Nichts ist Alles, ist das Leben. Wenn du genauer hinschaust, kannst du vielleicht auf der Mondoberfläche, am sternenübersäten Nachthimmel, in den Wolken oder im Blattwerk eines Baumes ein neues Bild erkennen. Vielleicht wirst du dabei zum Vermittler eines uralten Mythos oder zum Schöpfer eines brandneuen. Wie dem auch sei, in jedem Fall bist du der Impulsgeber, du bist der Entscheidungsträger, du bist ein Aspekt, eine Ausdrucksform Gottes, den sonst niemand anderer für sich in Anspruch nehmen kann.
Auf diese Weise, also durch dieses Sehen und Erkennen, wird ein bestimmtes Schicksal hervorgebracht. Wir erhalten das, was wir sehen, und wir finden, was wir suchen. Dadurch, dass wir Muster erkennen und sie benennen, erneuern wir ein existierendes Intelligenzmuster. Die Art und Weise, wie wir leben, führt dazu, dass vorhandene Bedeutungsmuster aktiviert und konkretisiert werden. Zuerst bist du wie die Apertur eines optischen Gerätes, etwa die Blende einer Kamera. Du öffnest dich und wirst zum Interpreten dessen, was du siehst. Dann wirst du zu einem Wahrsager, einem Propheten, zum Erzähler dessen, was geschehen könnte, und schließlich zu jemandem, der Wirklichkeit manifestiert.
In seinem