Jochen Gartz

Narrenschwämme


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auch in Pilzproben aus Schottland und England nachgewiesen werden. Michaelis berichtete 1977 dann über die Detektion des Alkaloides in Extrakten aus deutschen Aufsammlungen (Abb. 13, S. 24).

      Ab 1979 wurden in verschiedenen Ländern quantitative Untersuchungen des Alkaloidgehaltes der Pilzarten unter Anwendung modernster Methoden (HPLC) durchgeführt, auf die an anderer Stelle noch eingegangen wird.

      Man kann heute sagen, dass die Psilocybe semilanceata der psychoaktive Pilz Europas hinsichtlich Verbreitung, Erforschung und Anwendung ist. Guzman schätzt in seiner Monographie 1983 ein, dass die Art die weltgrößte Verbreitung unter allen psychoaktiven Psilocyben hat. Der Pilz kommt in Amerika, Europa, Australien und Asien vor. In vielen Ländern ist die Pilzflora so mangelhaft erforscht, dass über die Verbreitung solcher kleiner Arten erst recht nichts ausgesagt werden kann.

      Es werden Funde aus folgenden europäischen Ländern beschrieben: Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Deutschland, Schweiz, Österreich, Niederlande, Belgien, Frankreich, Russland, Polen, Ungarn, Rumänien, Schottland, England, Wales, Italien, Spanien, Irland und die frühere Tschechoslowakei.

      Hier muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass für solche kleinen europäischen Arten, die neben vielen ähnlichen Pilzen wachsen, keine umfassenden Verbreitungskarten existieren. Der sarkastische Satz „Die Pilze kommen häufig vor, wo auch die Mykologen häufig sind“ trifft besonders auf die Psilocybe-Arten zu. Die Gattung fristete vor der Entdeckung des Psilocybins eher ein Schattendasein in der Literatur, und heute beschäftigen sich auch nur wenige Mykologen mit ihr. Daran ändert auch nichts, dass Psilocybe semilanceata wahrscheinlich die häufigste und auffälligste Sippe unter den Arten darstellt. Pilzfreunde mit anderer Intention (Kapitel 6.4.) lassen ihr Wissen gewöhnlich nicht in Verbreitungskarten verewigen.

      Jedoch existiert aus dem Jahre 1986 auch eine Verbreitungskarte über das Vorkommen der Pilzart in Deutschland (S. 18).

      Aus Ostdeutschland sind kaum Fundorte der Psilocybe-Art publiziert worden. Ich fand den Pilz in den verschiedensten Gebieten, so im Vorharz bei meiner Heimat Mansfeld, in der Dübener Heide, in weiteren Heidelandschaften sowie in Thüringen. Funde aus den anderen Landesteilen sind mir von befreundeten Mykologen bekannt. Schon Buch berichtete 1952 detailliert über Funde aus Sachsen (Abb. 15, S. 25).

      Das üppigste Wachstum der Psilocybe-Art lässt sich auf im Wald gelegenen feuchten Weideflächen feststellen. Nach meinen Erfahrungen findet man die Art von Ende September bis Oktober in den meisten größeren Waldgebieten auf sauren Böden im Gras, an Wald- und Wegrändern, meist zu wenigen Exemplaren oder in kleinen Trupps bis zu 30 Pilzen. An solchen Stellen lässt sich dann regelmäßig auch Tierkot wie z. B. von Rehen nachweisen. Die Pilze wachsen nie direkt auf frischem Dung. Ausgesprochene Kümmerformen können an Chausseerändern im Gebirge gefunden werden.

      Die Myzelien können alte Kuhweiden im Wald ausgedehnt durchziehen, wie sich an der Größe der Areale der Fruchtkörper dann ablesen lässt. Bei entsprechender Feuchtigkeit ist mit einer maximalen Fruktifikation der Art zu rechnen, wenn wenige Wochen zuvor die Grasflächen noch einmal mit Kühen beweidet werden.

      Man kann davon ausgehen, dass die Pilze in allen deutschen Bundesländern ziemlich verbreitet sind, wenn auch nirgends wirklich sehr häufig und dicht. Eine Grenze für das Wachstum der Art ist offensichtlich das limitierte Vorkommen von Dung in den für die Verbreitung sonst optimalen Lokalitäten. Wahrscheinlich hat sie sich auch in den letzten Jahrzehnten dadurch nicht bei uns ausgebreitet, die Häufigkeitsbeschreibungen in der älteren Literatur entsprechen den heutigen Beobachtungen. In der Schweiz kommt die Art überall vor. Da diese Weiden hauptsächlich im Jura zu finden sind, herrscht oft die irrtümliche Meinung vor, dass die Pilze nur in etwa 1000 m Höhe vorkommen.

      Trotzdem kann die Psilocybe semilanceata vereinzelt an Standorten mit optimalen Bedingungen sehr stark fruktifizieren.

      Ich möchte hier auf zwei solcher Heidestandorte eingehen, die wir mehrjährig feldmykologisch untersucht haben.

      An der ersten Lokalität fruktifizierte die Pilzart im sehr hohen Gras auf saurem Boden in einer Senke. Die Grasfläche lag als Schneise im Wald zwischen einem Bach und einem Moorteich. Auch noch im Herbst konnte bei Sonneneinstrahlung eine erheblich höhere Temperatur festgestellt werden als im Umland. Rehdung trug regelmäßig zur Düngung bei. Die Fruchtkörper der Erstfunde hatten durch das Wachstum im sehr hohen Gras Stiele bis zu 21 cm Länge (!), die Hüte waren so winzig, dass bei den Pilzen erst die Blauung und dann die chromatographische Untersuchung Hinweise auf die Identität der Psilocybe semilanceata lieferte. Spätere Funde ließen sich dann morphologisch eindeutig der Pilzart zuordnen. Während drei Jahren konnten jeweils zur Herbstzeit 30 bis 60 Pilze gefunden werden, dann erfolgte leider eine Vernichtung des Standortes durch Umgestaltung der Moorabstichstelle zum Moorlagerplatz mit Zufahrtsstraße.

       Abb. 12 Pilzbeschreibung nach Michaelis (1977)

      Der zweite Standort wurde nur einen Kilometer entfernt im gleichen Jahr entdeckt und anschließend während 15 Jahren untersucht. Früher weideten regelmäßig Kühe auf der sehr großen Wiese im Wald neben einem Bach, der den Boden stark durchfeuchtet. Heute weiden gelegentlich Schafherden dort, und im Gras findet man regelmäßig Rehdung. An dieser Lokalität fruktifiziert die Pilzart sehr üppig. Hunderte von Fruchtkörpern wachsen jeden Herbst auf dieser Wiese (Farbbild 1.2).

      Abb. 13 Erste Publikation über den Psilocybingehalt deutscher Pilzproben.

      Bei trockenem Wetter sind die Pilze verhältnismäßig gut zu erkennen. Durch die ausgeprägte Hygrophanität verändert sich die Hutfarbe bei Nässe in dunkeloliv-schwarzbraun. Nur durch genaue Betrachtung der Blätter und der elastischen, gekrümmten Stiele können die Pilze dann von Düngerlingsarten (