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Nachhaltig leben lernen


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2) zeigt es unmissverständlich: Hitzewellen sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den letzten Jahrzehnten häufiger und länger geworden. Hitzewellen lassen sich unterschiedlich definieren. Eine Möglichkeit, um sehr extreme und lange Hitzewellen zu analysieren, ist folgende Definition: eine Serie von mindestens 14 Tagen, an denen der Durchschnitt der täglichen Höchsttemperatur mindestens 30 Grad Celsius beträgt. Nach dieser Definition waren markante, lange Hitzewellen in Deutschland, der Schweiz und Österreich vor dem Jahr 1990 relativ selten. In den letzten Jahren – speziell seit der Jahrtausendwende – wurden sie immer häufiger und kommen in vielen großen Städten mittlerweile ungefähr alle zwei bis vier Jahre vor, zum Beispiel in Wien, Klagenfurt, Innsbruck, Genf, Lugano, Basel, München und Frankfurt/Main. Selbst das relativ weit im Norden liegende Berlin erlebte seit der Jahrtausendwende bereits die vierte dieser markanten Hitzewellen.

      Aus klimatischer Sicht ist das eine rasante Entwicklung. Aus menschlicher Sicht ist die Erwärmung so schleichend, dass wir sie fast nicht bemerken und uns daran gewöhnt haben. Vor allem der jüngsten Generation kommt daher ein Sommer wie 2021 kühl vor, dabei gehört er zu den zehn wärmsten Sommern der über 250-jährigen Messgeschichte. Warme Sommer mit Hitzewellen sind das „neue Normal“ geworden – wenn es dabeibliebe, könnten wir damit leben. Die laufende Erwärmung ist allerdings nur der Anfang, aber das ist eine andere Geschichte. Spannend ist, wie dieser Sommer 2021 beinahe zum Synonym für den laufenden Klimawandel geworden ist. Angefangen hat es mit dem Tornado in Tschechien.

       4.Wenn Busse fliegen

      Peitschende Orkanwinde mit über 300 Kilometern pro Stunde, abhebende Dachstühle, durch die Luft geschleuderte Autos und Busse und am Ende fünf dem Erdboden gleichgemachte Dörfer mit 6 Toten und über 200 Verletzten – einen derart zerstörerischen Tornado wie in Tschechien an der Grenze zum niederösterreichischen Waldviertel vergangenen Juni gab es das letzte Mal in unseren Breiten vor über 100 Jahren in Wiener Neustadt mitten im Ersten Weltkrieg: 1916 fegte ein F4-Tornado über den Norden von Wiener Neustadt und zog eine Schneise der Verwüstung von gut 20 Kilometern Länge. Dabei zerstörte er unter anderem eine Lokomotivfabrik und soll dabei tonnenschwere Lokomotiven versetzt haben. 34 Tote und 328 Verletzte waren am Ende zu beklagen. Damals ein absolut singuläres Ereignis, das seinesgleichen in Österreich suchte. Die im Volksmund früher als „Windhosen“ bezeichneten Aufwindschläuche von „Superzellen“ (das sind große rotierende Gewitterzellen) sind für Europa durchaus nichts Neues. Speziell über Wasserflächen kommen sie Jahr für Jahr vor. Allerdings sind das normalerweise sehr viel kleinere und harmlosere Ausführungen von Tornados. Orkanschläuche der Stärke F4 waren in Mitteleuropa immer die absolute Ausnahme und entsprechend selten. Und genau deswegen macht der Tornado in Tschechien, an der Grenze zu Niederösterreich, stutzig. Eine der wesentlichen Zutaten für einen Tornado ist warme, feuchte Luft. Die Energie, die bei der Kondensation des Wasserdampfes zu Wolken und Regen frei wird, ist der Treibstoff der Gewitterzelle. Je wärmer die Luft, umso mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Und je mehr Feuchtigkeit die Luft trägt, desto mehr zerstörerische Energie kann frei werden. In der berühmten Tornado Alley des Mittleren Westens der USA sind die Bedingungen für schwere F4-Tornados jedes Jahr gegeben. Wenn feuchtschwüle Luft aus dem Golf von Mexiko auf kalte Luft aus dem Norden trifft, ist die Mischung explosiv. Mit circa 100 Tornadototen ist dort Jahr für Jahr zu rechnen. Kommt das in Zukunft bei uns auch öfter vor? Weil die Luft mit dem Klimawandel wärmer ist und mehr Wasserdampf aufnehmen kann? Keine Sorge: Einem „effektiven“ Aufeinandertreffen von feuchter und kalter Luft stehen bei uns in Mitteleuropa – im Gegensatz zu den freien Ebenen der Great Plains – die Alpen im Weg. So schlimm wie in Kansas oder Oklahoma wird es nicht werden, aber die Luft ist mit dem Klimawandel auch bei uns energiegeladener. Damit muss es nicht immer gleich ein Tornado wie in Tschechien sein, aber die Gewitter werden heftiger ausfallen – so viel steht fest. Der Tornado in Tschechien war aber nicht das Bedenklichste des vergangenen Sommers: Die auf der Nordhalbkugel wie störrische Esel stehenden Hoch- und Tiefdruckgebiete waren es, die die Klimatologinnen und Klimatologen ganz besonders an den Klimawandel erinnerten.

       5.Wenn Hochs und Tiefs störrisch wie Esel sind

      Normalerweise wechseln sich in unseren Breiten Hoch- und Tiefdruckgebiete ab. Wie an einer unsichtbaren Schnur werden sie über unsere Köpfe gezogen. Auf ein paar Tage mit Sonnenschein folgen ein paar Tage mit Regen. Sonne über Wochen, Regen über Wochen, das war immer die Ausnahme. Mit dem Klimawandel werden derart stabile Wetterlagen häufiger. Durch die Klimaerwärmung werden Hoch- und Tiefdruckgebiete größer, unförmiger und vor allem träger. Im schlimmsten Fall – und das ist heuer passiert – kommen sie zum Stillstand und werden ortsfest. Dadurch war es am Atlantik in Nordspanien den ganzen Sommer feucht und kühl und die Temperaturen kamen nicht über 20 Grad Celsius hinaus. Auch in Österreich war der Sommer durchwachsen und vor allem im Osten Österreichs schwül und ein schweres Gewitter jagte das andere. Weiter im Osten und Südosten, in Süditalien, Griechenland und der Türkei war es ungewöhnlich trocken und schwere Waldbrände wüteten. Sogar die hitzegewohnten Wälder und Olivenhaine bei Athen und Antalya gingen in Flammen auf. Das Tief im Westen und das Hoch im Osten waren über Wochen festgefahren. Genau wie es in der Siebenschläfer-Regel heißt: „Das Wetter wie am Siebenschläfer-Tag (27. Juni) sieben Wochen bleiben mag!“ Also alles schon gehabt und insofern eh normal?

      Eben nicht. Wenn ich kurz ausholen darf: Die Siebenschläfer-Regel – also die Fortsetzung der Witterung um den 27. Juni über den ganzen Sommer – ist Jahrhunderte alt. Sie hat statistisch ausgewertet eine Trefferquote von über 60 %. Und sie ist ein sehr gutes Indiz dafür, in welchem Zustand sich die Atmosphäre befindet. Konkret: Ist es um den Siebenschläfer-Tag eher bewölkt und kühl, dann bleibt der Sommer durchwachsen. In „meteorologischen Sprech“ übersetzt: Ein Tief hat sich über unseren Köpfen festgefahren. Ist es um den 27. Juni heiß, dann bleibt der Sommer sonnig und warm – es hat sich ein Hoch festgefahren. Ist die Witterung um den Siebenschläfer-Tag mal so oder so, dann bleiben die folgenden Wochen ebenso wechselhaft. Ein Hoch und Tief nach dem anderen zieht durch. Warm und trocken, kühl und feucht wechseln sich ab.

      Interessanterweise scheint die Siebenschläfer-Regel im Klimawandel nicht an Bedeutung zu verlieren. Im Gegenteil, die alte Bauernregel gewinnt an Schärfe. Es zeigt sich, dass die Klimaerwärmung sowohl sonniges Wetter als auch regnerisches Wetter schnell in eine Naturkatastrophe drehen kann. Vier Wochen Sonnenschein bei Temperaturen unter 25 Grad Celsius wie in den 1990ern ist für die Landwirtschaft gut zu verkraften und für Bergsportlerinnen und Bergsportler ideales Wanderwetter. Bei vier Wochen über 30 Grad Celsius wie zum Beispiel 2003, 2015, 2017, 2018 und 2019 beginnt für die Landwirtschaft in den Niederungen ein Überlebenskampf. Die Trockenheit kann sich schnell in eine schwere Dürre wandeln. Das passiert aus zwei Gründen: Luft mit 35 Grad Celsius kann und will viel mehr Feuchtigkeit aufnehmen als Luft mit 25 Grad Celsius. Dazu kommt, dass mit dem Klimawandel die Vegetationsphase im Frühjahr eher einsetzt und die Pflanzen bis in den Herbst mehr Wasser benötigen. Wenn dann im Frühjahr das Wasser schon knapp ist, wird jede Hitzewelle im Sommer zur Nagelprobe. So kann, was in den 1990er-Jahren noch eine Trockenheit war, in den 2020er-Jahren zu einer Dürre mit schwersten Schäden werden. Erschwerend kommt in Zukunft noch dazu, dass die Schneefallgrenze weiter ansteigen wird. Dadurch sammelt sich weniger Schnee, der im Sommer schmelzen kann. Seit jeher ist in trockenen Sommern das Schmelzwasser der Alpen im Rhein, der Donau oder dem Po unabdingbar für die Landwirtschaft. Mit dem Klimawandel drohen die Alpen ihre Funktion als „Wasserturm“ Mittel- und Südosteuropas zu verlieren.

      Beim Wandern, Klettern und Bergsteigen im Gebirge mag es kühler und angenehmer sein und uns die Klimaerwärmung nicht so viel ausmachen. In den Bergen entwickelt der Klimawandel aber eine andere bedrohliche Seite: Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen und das bedeutet mehr „Treibstoff“ für schwere Gewitter. Es ist einfach mehr Energie da, um „Superzellen“ mit Tornados aufzubauen. Zum Glück sind beim Bergsteigen in den Alpen derartige Tornados auch in Zukunft nicht zu erwarten. Dennoch gilt: In den Alpen haben schwere Gewitter mit Blitz, Hagel, Sturmböen und schweren Wolkenbrüchen in den vergangenen 40 Jahren deutlich zugenommen. Mehr denn je ist in den Bergen der kontrollierende Blick zum Himmel Pflicht. Wenn die Wolken aufquellen und sich Wolkentürme