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Das Neue Testament - jüdisch erklärt


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das ursprüngliche „good“/„gut“ mit „God“/ „Gott“, und so wurde dem Begriff „gospel“ die Bedeutung „Geschichte Gottes“ beigelegt. Der griechische Begriff euangelion war fester Bestandteil des politischen Wortschatzes der Römer: Eine „gute Nachricht“ war normalerweise etwas, was der Kaiser der Bevölkerung überbringen ließ, wie z.B. die Verkündigung der Pax Romana, des „römischen Friedens“, oder die Erklärung eines Steuerfreijahrs. Eine berühmte Inschrift aus dem Jahr 9 v.u.Z., die in Priene (nicht sehr weit von Ephesos in der Südtürkei entfernt) gefunden wurde, spricht davon, dass Augustus Caesar „Freudenbotschaften des Heils [gr. euangelia] ansagen lässt.“ Die berühmte Botschaft Gabriels an die Hirten in Lk 2,10: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird,“ zeigt, wie die Anhängerinnen und Anhänger Jesu diesen politischen Begriff umfunktionierten, um über ihr besonderes Evangelium, ihre „gute Botschaft“, zu sprechen.

      Die Christusgläubigen erkannten auch die Verbindung des „Evangeliums“ zu der „guten Nachricht“, die von den Propheten Israels gemäß der Septuaginta verkündet worden war, wie z.B. „Jerusalem, du Freudenbotin (hebr. mevaseret, gr. euangelizomenos), erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott!“ (Jes 40,9b). Lk 4,18, ein Teil der Synagogenpredigt Jesu, zitiert Jes 61,1–2: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium (gr. euangelizō, hebr. levasēr) den Armen…

      Diese speziellere Bedeutung des Begriffs „Evangelium“ als „frohe Botschaft, die Jesus bringt“, kommt z.B. in Mk 1,14 vor: „Nachdem aber Johannes überantwortet wurde, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes“. Die Erzählung des Evangeliums beschreibt im Anschluss zudem den Inhalt dieser frohen Botschaft, der von Jesu Heilungen und Lehren über seinen erlösenden Tod bis zu seiner Auferstehung reicht.

      Aus diesen Bedeutungen leitet sich eine dritte ab: Der Begriff „Evangelium“ entwickelt sich zur „Erzählung über Jesus“. Mk 1,1 z.B. lautet „Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“; hier kann sich der Begriff euangelion nicht lediglich auf die Botschaft über Jesus beziehen und auf die Botschaft, die er verkündet, sondern muss auch das von Markus verfasste Buch umfassen. Der erste sichere Gebrauch des Wortes euangelion als Bezeichnung eines schriftlichen Textes stammt von Justin dem Märtyrer, dem Kirchenvater aus dem 2. Jahrhundert, der in seiner 1. Apologie (66) von „den Aposteln, in den von ihnen verfassten Memoiren/ Erinnerungen, die Evangelien (gr. euangelia) genannt werden“ schrieb. Der Begriff „Evangelist“, der sich von der lateinischen Version des griechischen euangelion herleitet, entwickelte sich in ähnlicher Weise seit dem 12. Jahrhundert als Bezeichnung für jeden, der die „gute Botschaft“ von Jesus verkündet (seit dem 19. Jh. z.B. auch in der Spezialbedeutung „evangelikales Christentum“). „Evangelist“ bezieht sich insbesondere auf die Verfasser der vier kanonischen Evangelien.

      Urheberschaft und Datierung

      Obwohl es in der Antike mehr als vier Evangelien im Sinne von Erzählungen über Jesus gab, erkennen heute alle Kirchen nur vier davon als kanonisch an (s. „Der Kanon des Neuen Testaments“). Zwei davon sind unter den Namen von Matthäus und Johannes, deren Namen auch im Zwölferkreis belegt sind (z.B. Mt 10,2–3; Mk 3,17–18; Lk 6,14; Apg 1,13), überliefert. Markus wird gemäß altkirchlicher Tradition als Jünger des Petrus und Gefährte des Paulus verstanden (s. Apg 12,12–14.25; 15,36–40; Kol 4,10–11; Phlm 23–24; 2Tim 4,11; 1Petr 5,12–13). Der Verfasser des dritten Evangeliums und der Apostelgeschichte, Lukas, wird ebenfalls in Verbindung mit paulinischen Kreisen gebracht (s. Kol 4,10–11.14; 2Tim 4,11; Phlm 23–24). Dennoch werden bis in die Gegenwart Fragen der Verfasserschaft diskutiert: Schrieben die historischen Gestalten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes wirklich die Evangelien, die ihnen zugeschrieben werden? Sind die Evangelien eher Aufzeichnungen der Erinnerungen dieser vier Gestalten oder wurden sie später von ihren Schülern verfasst? (Joh 21,20–24 enthält Hinweise auf solch einen Prozess, indem die Passage die Frage nach dem Tod des Lieblingsjüngers aufwirft, auf dessen Autorität das Evangelium sich beruft.) Sind die Evangelien Pseudepigraphen, d.h. im Namen einer Lehrautorität verfasst, wie es für die Pastoralbriefe 1–2Tim und Tit wahrscheinlich ist, die im Namen des Paulus verfasst sind, oder bei den nichtkanonischen Schriften wie dem Philippusevangelium, dem Evangelium der Maria, dem Dritten Korintherbrief und den Thomasakten?

      Keines der kanonischen Evangelien nennt ausdrücklich ein Abfassungsdatum. Paulus, der wahrscheinlich während der Christenverfolgung durch Nero im Jahr 64 u.Z. in Rom starb, zitiert die Evangelien nirgends, und die Fachwissenschaft ist sich größtenteils einig, dass die kanonischen Evangelien nach den Lebzeiten des Paulus entstanden sind. Obwohl mündliche Berichte über das Leben und die Lehren Jesu schon vor Jesu Tod existiert haben müssen und vermutlich einige dieser Berichte in schriftlicher Form überführt wurden (vielleicht eine Liste der „Zeichen“ Jesu, auf der das Johannesevangelium aufbaut; vielleicht eine Liste von Worten Jesu, die Matthäus und Lukas kannten), besitzen wir keine vollständige Erzählung des Lebens Jesu zur Zeit des Paulus; möglicherweise hat es einfach keine gegeben. So zeigen die Paulusbriefe zwar eine gewisse Kenntnis dessen, was Jesus gesagt hat, auch hatte Paulus Kontakt mit einigen von Jesu engsten Jüngern wie Petrus und Johannes (s. Gal 2), er scheint aber die Evangelien nicht gekannt zu haben.

      Im Lauf der Zeit wuchs der Bedarf an Erzählungen über Jesus. Die ersten Jünger starben, verschiedene Gruppen diskutierten über Fragen der Christologie (Wie sollte man Jesus verstehen: als vollkommen menschlich, vollkommen göttlich, beides, oder keines von beiden? – S. „Grundfragen der Christologie“), der Eschatologie (Wird das Gottesreich früher oder eher später hereinbrechen?), rechtliche Fragen (Konnte man sich scheiden lassen oder nicht? Wie sollte man, wenn überhaupt, die Sabbatruhe einhalten?), die Beziehungen zu Juden und Nichtjuden vor Ort usw. Die Evangelien bildeten in diesem Zusammenhang eine Art Verfassung für die Christenheit des späten 1. und frühen 2. Jahrhunderts: Sie waren unterschiedlich genug, um verschiedene Schichten zu repräsentieren und für sie attraktiv zu sein, und zugleich ähnlich genug, um häretische Diskussionen zu verhindern.

      Traditionell wird das Markusevangelium, das man zumeist für das älteste Evangelium hält, auf die Zeit kurz nach 70 u.Z. datiert, da Mk 13,1–2 nahelegt, dass der Evangelist um die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer im Jahr 70 u.Z. wusste. Falls aber Jesus in der Tat diese Ungeheuerlichkeit vorhergesagt haben sollte (s.a. Mt 24,1–2; Lk 19,41–44; 21,20), wie auch Jeremia die Zerstörung des Ersten Tempels durch die Babylonier im Jahr 586 v.u.Z. vorhergesagt hatte, könnte das Markusevangelium auch vor 70 u.Z. entstanden sein.

      Die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten das Markusevangelium für eine Quelle des Matthäus- und des Lukasevangeliums; daher müssen auch diese Evangelien später geschrieben worden sein als 70 u.Z.; zumeist werden Daten in den 80er und 90er Jahren vorgeschlagen. Das Johannesevangelium wird normalerweise in die 90er Jahre datiert, da es eine Zeit widerspiegelt, in der die jüdischen Anhängerinnen und Anhänger Jesu sich zunehmend als von der sie umgebenden jüdischen Gemeinschaft getrennt sahen. Das älteste erhaltene Fragment eines Evangeliums, das wir besitzen, ist der P52 (P steht für „Papyrus“). Dieses Papyrusstückchen, das 8,9 × 5,8 cm misst und Teile von