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Das Neue Testament - jüdisch erklärt


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reichen von ca. 120 bis ins frühe 3. Jahrhundert u.Z. Aber selbst wenn wir das Datum dieser frühesten erhaltenen Evangelien-Handschrift kennten, würde uns dies keinen Aufschluss darüber geben, welcher der älteste Text innerhalb des Neuen Testaments ist. Das Datum der Abschrift eines Textes ist eben nicht sein Entstehungsdatum.

      Die Evangelien, die man nicht im Kanon findet, sind sicher jünger als die kanonischen Schriften und wesentlich von ihnen abhängig. Die „apokryphen Evangelien“ umfassen Erzählungen über die Kindheit Jesu (z.B. das Kindheitsevangelium des Thomas), über das Leben Marias vor der Geburt Jesu (das Protevangelium des Jakobus) und über Wunder, die die Kreuzigung und Auferstehung begleiteten (das Petrusevangelium). Diese Schriften könnte man auch als christliche Midraschim verstehen: Ebenso wie rabbinische Quellen die Erzählungen des Tanach über die Kindheit Abrahams und Moses ausmalten, so erzählen diese apokryphen Evangelien die Geschichten Jesu und seiner Anhänger in phantasievoller Weise fort. Andere Schriften, die gewöhnlich unter dem schwer zu bestimmenden Begriff „gnostische Evangelien“ firmieren, wie die Evangelien, die Thomas, Philippus, Judas und Maria zugeschrieben werden, bestehen vorwiegend aus Sprüchen, oftmals esoterischer Natur, und weniger aus erzählenden Materialien. Diese Evangelien, die überwiegend in einem Versteck von Schriften in Nag Hammadi erhalten und in koptischer Sprache (einer späten Form des Ägyptischen) geschrieben sind, obwohl sie vermutlich ursprünglich auf Griechisch verfasst worden waren, könnten Spuren von Material enthalten, das auf Jesus selbst zurückgeht. Mit Ausnahme von Teilen des Thomasevangeliums sind sie jedoch eher jung und den Jüngern Jesu pseudonym zugeschrieben.

      Das literarische Verhältnis der kanonischen Evangelien zueinander

      Angesichts der Tatsache, dass die vier Evangelien erzählerische, thematische und in einigen Fällen auch sprachliche Ähnlichkeiten aufweisen, ist es wahrscheinlich, dass sie voneinander abhängig sind. Das genaue Verhältnis der vier Evangelien untereinander wird von der Fachwelt indes kontrovers diskutiert. Die ersten drei Evangelien, die die gleiche Geschichte in ungefähr der gleichen Reihenfolge erzählen, sind als die „synoptischen“ (gr. für „zusammen-schauen“) Evangelien bekannt. Versuche, das literarische Verhältnis dieser synoptischen Evangelien untereinander zu erklären, beschäftigen sich mit dem in der Fachsprache so genannten „synoptischen Problem“: Wer benutzte welchen Text als Vorlage?

      Das Markusevangelium wird gewöhnlich als das zuerst entstandene Evangelium betrachtet und gilt als Quelle für Matthäus, Lukas und vielleicht auch Johannes. Als kürzestes der vier Evangelien enthält das Markusevangelium keine Geburtsgeschichte und ursprünglich auch keine Auferstehungsberichte; es konzentriert sich auf Jesus als den leidenden Gottesknecht, der als Lösegeld für die Menschheit stirbt (Mk 10,45; vgl. Mt 20,28). Einige frühe Kirchenväter sowie einige moderne Bibelwissenschaftler sehen in Markus einen Erben der paulinischen Kritik an der Befolgung der Tora (z.B. Mk 7,19).

      Matthäus, der vermutlich Markus als Quelle benutzt hat, setzt einen anderen Schwerpunkt: Das Matthäusevangelium betont die Rolle Jesu als Lehrer und seine Kontroversen mit den Pharisäern über die angemessene Interpretation der Tora. Zu den Inhalten des Markusevangeliums fügt Matthäus eine Geburtstagsgeschichte hinzu. Darin enthalten ist die Erzählung von Josefs Traum, ein Zitat aus der griechischen Übersetzung des Jesajabuches, mit dem er die jungfräuliche Empfängnis Jesu erläutert (Mt 1,18–25, vgl. Jes 7,14), dazu den Besuch der Weisen sowie den Kindermord (Mt 2). Markus‘ Geschichte vom leeren Grab ergänzt er durch die Erscheinung Jesu gegenüber einigen Jüngerinnen (Mt 28,1–11) sowie durch den Missionsbefehl (Mt 28,16–20) an die verbleibenden elf Jünger. Man kann Matthäus auch so verstehen, dass er den angeblichen Antinomismus des Markus korrigiert, indem er die dauernde Gültigkeit der Tora erklärt (Mt 5,17–19) und die Sendung des Paulus negiert (z.B. macht Matthäus Petrus und die anderen Jünger zu Aposteln für die Völker [Mt 28,19], während Paulus diese Rolle für sich beansprucht [Gal 1,16; 2,2]).

      Lukas wird ebenfalls generell für abhängig von Markus gehalten. Das Lukasevangelium fügt dem Markusevangelium eine Geburtsgeschichte und Auferstehungsberichte hinzu, die sich von denen im Matthäusevangelium recht deutlich unterscheiden. Das dritte Evangelium enthält Details zur Empfängnis und Geburt Johannes‘ des Täufers, die Ankündigung des Engels Gabriel an Maria, dass sie die Mutter des Messias werden würde (daraus erwuchs das „Ave Maria“ bzw. „Gegrüßet seist du, Maria“ von Lk 1,28), die Volkszählung in der Provinz, die Geburt Jesu in einer Krippe und den Besuch der Hirten. Bei den Auferstehungserzählungen ergänzt Lukas die wohlbekannte Geschichte von der Erscheinung Jesu vor den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24,13–33) sowie die Erzählung von Jesu Himmelfahrt (Lk 24,50–51). Die bekannten/berühmten Gleichnisse vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30–38) und vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) kommen ebenfalls nur bei Lukas vor.

      Das Matthäus- und das Lukasevangelium enthalten auch gemeinsames Material, das im Markusevangelium nicht zu finden ist, wie die Seligpreisungen (Mt 5,3–12 // Lk 6,20–23) und das Vaterunser (Mt 6,9–13 // Lk 11,1–4). Gelegentlich erzählen Matthäus und Lukas die gleichen Geschichten wie Markus, aber mit Details, die Markus nicht hat, wie z.B. die längere Version der Geschichte von der Versuchung Jesu durch Satan (vgl. Mt 4,1–11 und Lk 4,1–13 mit dem begrenzteren Mk 1,12–13). Um die Herkunft des Materials zu erklären, das Matthäus und Lukas gegen Markus gemeinsam haben, gehen viele Fachleute davon aus, dass Lukas und Matthäus zu einer schriftlichen Quelle Zugang hatten, die hauptsächlich aus Worten Jesu bestand. Diese (hypothetische) Quelle ist als Q bekannt (ein vom Wort „Quelle“ abgeleitetes Kürzel). Matthäus und Lukas hatten vermutlich darüber hinaus ihre jeweils eigenen Quellen, die mit „SMt“ für das matthäische und „SLk“ für das lukanische Sondergut bezeichnet werden. Die jeweils unterschiedlichen Geburts- und Auferstehungsgeschichten könnten aus diesen Quellen stammen. Diese Standardlösung des synoptischen Problems wird gewöhnlich als die „Zwei-Quellen-Theorie“ bezeichnet. Als Diagramm sieht sie wie folgt aus:

Schema: Zwei-Quellen-Theorie

      Diese Theorie wurde unabhängig voneinander durch Christian Gottlob Wilke (1838) und Christian Hermann Weise (1838) entwickelt. Die Diskussion um die literarische Abhängigkeit der Synoptiker geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Sie ist verbunden mit dem Namen Johann Jakob Griesbach (1789). Schon 1782 hat Johann Benjamin Koppe für die Priorität des Markus argumentiert, wie auch Gottlob Christian Storr 1794. 1835 hat der Philologe Karl Lachmann dieser Sicht zum Durchbruch verholfen. Breit akzeptiert wurde die Zwei-Quellen-Theorie dann nach Arbeiten von Heinrich Julius Holtzmann (1832-1919) und Bernhard Weiß (1827-1918).

      Andere Gelehrte bezweifeln die Existenz von