Jürg Hulliger

Kleider machen den Herrn


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Die amerikanische Presse nimmt dies sofort auf und sprich von einem New Look. Was will Dior, welcher Tradition folgt er? „… on y travaillerait selon les traditions de la meilleure couture à l’intention d’une clientèle de femmes vraiment élégantes. Je n’y ferais que des modèles apparemment assez simples, mais d’une confection très élaborée.“ „Je disais que, pour les contenter et leur fournir ce qui leur manquait, il fallait revenir à la tradition de grand luxe de la couture française.“10 Mit seinem Modehaus schafft Dior „le château de la féerie retrouvée“. Photographisch präsentiert er die Modelle im Ambiente des Trianons, in einer Interpretation des Stils Louis XVI., wie ihn die Zeit um 1910 gesehen hat. Im hôtel avenue Montaigne richtet ihm Victoire Grandpierre eine Boutique im Sinne „de la tradition des magasins de frivolités du XVIIIe siècle“ ein. Bestimmt vom Geiste der grossen Traditionen wünscht er sich eine „atmosphère decorée, mais non décorative.“ Für die kurze Zeit von nur etwa 10 Jahren versteht sich Christian Dior als „marchand de bonneur“ und erntet damit weltweit Erfolg11.

      Hier noch erwähnenswert: Dior selbst war gekleidet wie es damals üblich war. Für uns Männer hat er nicht neues geschaffen. Der Bereich „Christian Dior Monsieur“ wurde erst 1970 gegründet.

      Das Kombi: schwierig – aber ein no go

      „Mode in unserem Jahrhundert

      wäre bedeutungslos ohne Jeans.“12

      Franco Moschino

      Ob Paris, Mailand oder Sydney, das Bild in der Öffentlichkeit hinsichtlich Bekleidung wird heutzu tage u. a. visuell dominiert von drei Objekten: Bluejeans, Snipes & Sneakers sowie Schirmmützen. Weil dieses Kombi so massenfähig ist, hat sich die öffentliche Szene der Strasse, im Ausgang und selbst bei Festen & Kulturanlässen dadurch gänzlich verändert. Egal wo man sich befindet und was man tut (privat), mit diesem Outfit ist man stets dabei, wird mehrheitlich nur auf Gleichartige stoßen. In Sachen Bekleidung herrscht heute Eintönigkeit vor, obgleich in den Geschäften eine große Vielfalt von andern Kleidern angeboten und auch gekauft wird.

      Weil die Vielfalt an Jeans, Snipes & Sneakers, Schirmmützen und Zugehörigem (T-Shirts, Michelinjacke, Rucksäcke, …) sowie deren Verbreitung munter wächst, wird so mit wenigen Objekten eine eigene Modewelt geschaffen, worin Menschen unabhängig von der ethnischen und sozialen Herkunft sich in einem erscheinungsmäßigen Kollektiv aufhalten können. Dass durch dieses Angebot auf gestalterisch tiefem Niveau das eigene ästhetische Empfinden bezüglich Kleidung zurückgedrängt wird, ist nur wenigen bewusst. Obgleich renommierte Modehäuser sich dem Trend anschließen und versuchen, das Kombi aufzuwerten, ja zu veredeln, ändert daran nichts: Es werden lediglich Preisklassen für Klamotten geschaffen.

      Anhand der Bluejeans sei hier die Frage gestellt, ob denn diese Objekte den meisten Leuten tatsächlich gefallen oder ob das alltägliche Tragen eher der Wirkung von Vorbildern, der unablässigen Werbung & Verfügbarkeit sowie letztlich einem gewachsenen, ja unausgesprochenen, sozialen Zwang, dazuzugehören, zuzuschreiben ist.

      Wir können folgendes Experiment leider nicht durchführen: In Kleidergeschäften mit dem üblichen Angebot hänge zwischen Allerlei auch mal eine Bluejeans. Deutlich blau, blaugrau verwaschen, ganz oder gar mit Rissen. Den KundInnen sei aus ihrem Alltag und der Werbung diese Art Hose noch nicht bekannt:

      „Da hat ein Handwerker versehentlich seine Arbeitskleidung hingehängt“, könnten Stöbernde vermuten. Mit ziemlicher Sicherheit würde dieses Modell nicht sogleich zum Verkaufsschlager werden. Wer braucht denn schon 5 Taschen, will diese dicken Nähte und dann noch all die Nieten! Mit einem solchen Outfit und der dazugehörigen Arbeitswelt möchte sich typischerweise kaum eine der modebewussten Damen identifizieren. Sogar die Arbeitswelt der Männer hat längst viel praktischere Bekleidung entwickelt, dies hinsichtlich Beweglichkeit und Mitführen von Werkzeugen. „Wo versorge ich denn mein Smartphone?“, würden die Leute fragen. Wüssten sie zudem, dass das Blau bei Textilien wie Baumwolle stark abfärbt, nicht waschfest ist, würden sie die Hose wohl kaum tragen wollen. Die bisherige Kundschaft kann von Glück reden, dass der Farbstoff Indigo weder wasser- noch fettlöslich ist, sonst hätten zumindest AllergikerInnen Probleme. Käme noch hinzu, dass nachhaltig eingestellte KundInnen zur Kenntnis nehmen müssen, dass jährlich Unmengen von dem Farbstoff Indigo und andere Chemikalien (Reduktionsmittel) wegen des Wasch- und Färbevorgangs in die Gewässer gelangen. Aus ästhetischer Sicht erscheint überdies Indigoblau, das auf Baumwolle bald einmal zum Blaugrau wird, als Modefarbe wenig attraktiv. Auch in der traditionellen Malerei finden wir diesen Farbstoff nicht. Ganz im Gegensatz zu Move, einst eine führende Modefarbe oder gar Tiffanyblau.

      Dass heute die Jeans die meist getragene Hose darstellt, hat wenig mit dem Objekt an sich zu tun, sondern ist die Folge einer über Jahrzehnte hin wirksamen Werbung auch mittels Stars und deren Filme. In den USA ursprünglich eine Arbeiterhose, wurde das Stück Stoff zum Kultobjekt von Teenagern und anderen, die damit zumindest damals Freiheit & Gesellschaftskritik zum Ausdruck brachten. Zynisch wird das Tragen aber dann, wenn heute insbesondere Junge mit künstlich zerrissenen, gelochten Hosen herumlaufen, Armseligkeit zum Modetrend machen – das cool finden. Der heutige Dandy Zack MacLeod Pinsent (Brighton) hat demgegenüber mit 14 Jahren seine letzte Jeans symbolisch verbrannt.

      Die Vielfalt an Alltagsmode ist wegen der Dominanz der Jeansmachart in Eintönigkeit verfallen – also ganz im Gegensatz dazu, was Franco Moschino behauptet.

      Dieses dominante Set selbstbestimmt zurückzuweisen, sei der Anfang auf dem Weg zum eigenen Stil.

      Die Jeans: Von Segeltuch zum Kultobjekt13. Als Einwanderer führte 1847 Löb Strauss (bald einmal Levi genannt) aus Bayern etliche Ballen Segeltuch mit sich nach San Francisco. Als erstes ließ er daraus Zelte und Planen herstellen, dann Latzhosen mit doppelten Nähten und aufgesetzten Taschen für Goldgräber. Kurz vor 1870 gründete er zusammen mit einem Schneider eine Manufaktur zur Herstellung von Hosen. Hierzu führte Strauss einen noch strapazierfähigeren Baumwollstoff (namens Serge) ein, der bereits im 15. Jh. in den Baumwollmanufakturen von Nîmes hergestellt worden war. Nach seiner Herkunft erhielt der Stoff später den Namen Denim. Einer der zwei zum Weben benutzten Fäden war mit Indigo blau eingefärbt. Kupfernieten verstärkten reißanfällige Partien. Seit 1890 gibt es den Grundschnitt für die „Levi’s“ mit der Nummer 501. Die 5 steht für die Anzahl Taschen und die 1 für die erste Serie. Die kleine vordere Tasche diente ursprünglich zur Aufnahme einer Taschenuhr.

      Europa lernte die neue Hose 1917 und dann nochmals 1945 durch amerikanische Truppen kennen. 1949 stellte eine Firma erstmals Jeans in Europa her, die in den 1950er-Jahren Eingang in die Freizeitbekleidung fanden. Anfänglich war es Kindern untersagt, mit Jeans zur Schule zu gehen. Indem die Filmindustrie („Der Wilde“, mit dem jungen Marlon Brando in der Hauptrolle als Anführer einer Motorradgang, 1953) und Künstler wie Andy Warhol den neuen Look thematisierten, ist die 501 zum Identifikationszeichen einer Jugend geworden, die rebellierend aus gesellschaftlichen Konventionen entkommen wollte und längst wieder eingefangen wurde, da die Jeans zu einer neuen Konvention geworden ist.

      Heute stellen Varianten der 501 die meist getragenen Hosen dar. Wohl mehr als 300 Millionen Exemplare werden jährlich in vielfältiger Art produziert. Laut einer Umfrage der britischen Zeitung Daily Mail aus dem Jahre 2007 belegte die Jeans Platz zwei unter den „wichtigsten“ Kleidungsstücken. Auf Platz eins steht „das kleine Schwarze“ von Gabrielle Chanel8. Würde erneut eine Umfrage durchgeführt, ist zu erwarten, dass die Jeansmachart auf Platz eins käme.

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