Stefan Steinert

Hypnosystemische Kommunikation mit inneren Beratern


Скачать книгу

guten Beziehungen, wenn sie sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer berechtigten Bedürfnisse unterstützen.

      Es ist ein wesentliches Bedürfnis des Menschen, geschätzter und anerkannter Teil der Gesellschaft zu sein. Wenn nun das Bild, das dieser Mensch von sich selbst hat, abweicht von dem Bild, das die Gesellschaft von ihm hat, entsteht eine Inkongruenz und damit eine Unzufriedenheit, deren Hintergründe dem Betroffenen auf den ersten Blick nicht klar sind. In die ärztliche Praxis kommen z. B. Kinder und Jugendliche mit Bauchschmerzen, die, medizinisch abgeklärt, körperlich nicht begründbar sind. Nicht selten stellt sich heraus, dass die Ursache der Beschwerden in Konflikten begründet ist, die in der Schule mit Mitschüler·innen oder Lehrer·innen entstanden sind. Aus Sicht der traditionellen Heilverfahren führen Diskrepanzen in der Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit zu Irritationen im Unbewussten, in den vegetativen Systemen, und in der Folge zu Störungen im Lauf der eigenen Lebenskräfte durch Blockaden der Lebensenergieströme, die sich in seelischen und körperlichen Symptomen zeigen können.

      Das Verblüffende an dieser Erkenntnis ist, dass enttäuschte Erwartungen einerseits krank machen können, andererseits aber auch Krankheiten geheilt werden können, wenn es durch eine besondere Gesprächsführung gelingt, Erfahrungen und Emotionen, die in früheren Auseinandersetzungen mit anderen Menschen entstanden, in einem anderen Licht als bisher sehen zu können. Dadurch können sich einzelne Blockaden auflösen, verlieren ihre kraftraubende Wirkung auf die Selbstheilungskräfte, und seelische und/oder körperliche Krankheitssymptome bilden sich zurück. Beim Aufbau eines konstruktiven Gesprächs spielt die hier vorgestellte Methode der heilsamen Kommunikation eine wesentliche Rolle.

      Auf dem Weg, diese Gespräche aufzubauen, begegnen wir einem weiteren Modell, das bereits auf die in diesem Buch beschriebene Methode der ASOMA-Kommunikation hinweist. Der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun (2003) beschreibt verschiedene Kanäle des Informationsaustausches. Er betrachtet die Botschaft, die der Sender während einer Unterhaltung an den Empfänger richtet, unter vier Aspekten. So fragt er nicht nur danach, welcher Sachverhalt in der Botschaft transportiert werden soll, sondern auch, in welcher Beziehung der Sender zum Empfänger steht, was er diesem darüber hinaus, also außer dem Sachverhalt, zu verstehen geben will, und was er von sich selbst und seiner Sicht der Welt offen zur Schau stellen möchte.

      Die verschiedenen Ebenen, auf denen eine Nachricht transportiert werden kann, nennt er

       die Sachebene

       die Beziehungsebene

       die Appellebene und

       die Selbstoffenbarungsebene.

      Er legt dar, wie unterschiedlich voneinander Sender und Empfänger eine Botschaft meinen, verstehen oder darauf reagieren. Um im Bild der vegetativen Systeme als innere Berater·innen im Unbewussten zu bleiben, wird jede dieser Ebenen durch diverse Steuerzentralen und Berater·innen kontrolliert, die, je nachdem wie die einzelnen aktuell agieren, die jeweilige Nachricht in der einen oder anderen Weise emotional färben.

      Zahlreiche Modelle der Gesprächsführung haben sich als hilfreich erwiesen, wenn man Kommunikation nicht als Small Talk oder als Bühne der Selbstdarstellung, sondern als konstruktiven Austausch von Wissen und Gefühlen nutzen will. Sie erfordern z. T. fachliche Voraussetzungen und Ausbildung, vor allem jedoch die Motivation, die Techniken einzuüben, da uns die Fähigkeiten empathischer Verständigung nicht in die Wiege gelegt wurden. Es bedarf eines Trainings, das uns beim Aufbau dieser Fähigkeiten unterstützt. Übungen sind auch bei der hier vorgestellten Methode der ASOMA-Kommunikation notwendig und erzielen beim Lernenden durch ihre nahezu spielerische Art eine verblüffend schnelle und motivierende Selbstwirksamkeit, weil sie rasch erfasst und durch Achtsamkeitsübungen erfolgreich angewendet werden können. Die Methode baut auf emotionalen Reaktionsweisen auf, die aufgrund ihres archetypischen Ursprungs tief in uns verankert sind. Aus dem eigenen Erleben heraus weiß jeder, wie stark Emotionen mit körperlichen Befindlichkeiten zusammenhängen und sich wechselseitig beeinflussen. Wir werden in diesem Buch erfahren, welche Bedeutung und Wirkung diese äußerlich wahrnehmbaren Signale in der Kommunikation mit anderen Menschen haben.

      Hilfreich erweist sich hier das sogenannte pentatische Prinzip, ein fünffaches Wirkprinzip, das sich aus dem Trancemodell der TCM ableitet. Es postuliert, dass das unbewusste Nervensystem über verschiedene Steuerzentralen und vegetative Systeme die Empfindungen, Beurteilungen und Aktionen in unserem Körper kontrolliert. Diese vegetativen Systeme werden verstanden als innere, bei allen Menschen gleichermaßen vorhandene Persönlichkeitsanteile, die als Unterabteilungen unseres Unbewussten zu verstehen sind. Als Anteile unseres Ichs ähneln sie den Ego-States aus der Ego-State-Therapie von Helen und John Watkins, werden in diesem Kontext aber als archaisch im Menschen festgelegte Kategorien verschiedener Wesensarten verstanden.

      Die regelgerechte Funktion dieser Steuerzentralen beeinflusst unsere Kommunikation und hängt gleichzeitig davon ab. Ein zentrales Anliegen dieses Buches ist es zu demonstrieren, anhand welcher Zeichen oder Symptome wir die Eigenschaften dieser unbewussten vegetativen Systeme besser kennenlernen und mit welchen speziellen mentalen Techniken wir die Positiven darunter stärken können.

      Ein entscheidender Gesichtspunkt beim Aufbau konstruktiver Kommunikation ist die Frage nach den notwendigen Voraussetzungen. Beziehung gelingt erst, wenn ich eine ungefähre Ahnung über mich selbst und meine Bedürfnisse habe und weiß, welche nur einer situativen Laune entsprechen. Damit gelingt es mir, Einfluss auf meine Persönlichkeitsanteile zu nehmen und deren interne Kommunikation zu erfassen. Erst danach sind die Voraussetzungen für eine konstruktive und freudvolle Kommunikation mit anderen Menschen geschaffen. Die notwendige besondere Achtsamkeit für diese Erkenntnisprozesse, wie sie in Kapitel 2 beschrieben wird, kann man sich mit mentalen Techniken aneignen. So gibt es Meditationsübungen verschiedenster Heilkulturen mit dem Ziel, »gesunde« Kommunikationswege herzustellen. Damit sind Trance- oder Selbsterkenntnisübungen gemeint, die Anwender·innen dabei helfen, zu sich zu kommen, sowie sich selbst zu erkennen, zu akzeptieren und sich von Gefühlen wie Angst und Ärger so weit lösen zu können, dass sie die Kontaktaufnahme zu anderen nicht stören.

      Das hier im Buch vorgestellte Modell der ASOMA-Kommunikation (Archetyposomatische Marker in achtsamkeitsbasierter Kommunikation) ist eng verwandt mit dem therapeutisch verwendeten Trancemodell der TCM, das seelische und körperliche Zeichen als Symptome versteht und mentale Techniken mit aus archetypischen Metaphern abgeleiteten Achtsamkeitsübungen anbietet, die in der Hypnotherapie eingesetzt werden. Ziel ist die Förderung von Heilprozessen, nicht nur in der Medizin, sondern auch in jeder Form von konstruktiver Kommunikation. Dieser Vorgang wird als ein Heilprozess sozialer Systeme verstanden. Der Ansatz, der in diesem Buch verfolgt wird, ist daher die Betrachtung der Vorbereitung und Durchführung von Kommunikation unter dem Aspekt von Heilung.

      Vergleichen wir einen kommunikativen mit einem therapeutischen Prozess, so wird der Arzt, bevor er sich für eine Therapie entscheidet, alle Symptome der Patient·in ausführlich untersuchen und prüfen, zu welcher Diagnose sie ihn führen. Aus ärztlicher Sicht ist ohne Diagnose keine sinnvolle Therapie möglich. In gleicher Weise macht es vor jedem konstruktiven Gespräch Sinn, wahrzunehmen, in welchem emotionalen Zustand die Gesprächspartner·innen den Prozess der gegenseitigen Annäherung beginnen. Dazu dienen uns die Vorstellungen traditioneller Heilverfahren und deren relativ klare Vorstellungen vom Zusammenhang seelischer und körperlicher Befindlichkeiten. Dabei sei erwähnt, dass in diesem Buch nicht auf esoterische Aspekte, sondern auf die Grundannahmen der traditionellen überlieferten Wirkmechanismen körperlicher Heilprozesse zurückgegriffen wird, sofern sie im Einklang mit der aktuellen naturwissenschaftlichen Forschung stehen. Gemeint sind primär Inhalte aus den Lehrbüchern der TCM, weil hier besonders deutliche Beschreibungen physiologischer Zusammenhänge im menschlichen