Mila Summers

Vom Glück geküsst


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Meinen Sie, Sie können aufstehen?«, piepste eine besorgte weibliche Stimme, nachdem Dave die Gunst der Stunde genutzt hatte und sich nach der Attacke der alten Lady vor Schmerzen krümmte.

      Dave räusperte sich, während sein Kopf weiter auf dem Schoß der jungen Frau verharrte und entgegnete in mitleiderregendem Tonfall: »Sie haben mir das Leben gerettet. Ohne Sie wäre ich bestimmt nicht mehr hier.«

      »Oh, mein Gott, soll ich einen Arzt rufen? Brauchen Sie irgendwelche Medikamente?«

      »Nein, mit Ihnen an meiner Seite geht es mir bereits viel besser. Sie sind mein Schutzengel. Wie heißen Sie? Wie kann ich mich für meine Rettung nur erkenntlich zeigen?«, wisperte Dave, während er ihr gegenüber eindeutige Avancen machte.

      Ich verließ das Restaurant ohne ein Wort des Abschieds. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass Dave mich nicht vermissen würde.

      Ich hasste Montage. Nicht nur, weil diese den Auftakt der Arbeitswoche darstellen, sondern auch, weil jeder meinte, sich an diesem Tag über sein ach so tolles Wochenende austauschen zu müssen. Erträglich war das Ganze nur, solange man auch etwas an interessantem und aufregendem Gesprächsstoff beisteuern konnte.

      Nach der Pleite mit der Datingseite – wobei diese noch am allerwenigsten dafür konnte, dass meine, über sie arrangierten Verabredungen allesamt zu einem Fiasko geführt hatten – hatte ich mich entschieden, am Wochenende einfach gar nichts zu unternehmen.

      So verkrümelte ich mich mit einem Buch auf die Couch, kuschelte mit meinem Kater Brownie und aß tonnenweise Oreokekse. Das Highlight der beiden vergangenen Tage, wenn man es denn überhaupt so nennen konnte, hatte darin bestanden, dass Estelle anrief und mir Instruktionen für den Ball übermittelte.

      Auf gar keinen Fall durfte mein Ballkleid rosa oder türkis sein, denn das waren bereits die Farben, die ihre Lieblinge Ashley und Madison ausgewählt hatten. Wenn überhaupt sollte ich mir ein passendes Exemplar in Flieder oder Ocker aussuchen, wobei Letzteres nicht zu kräftig ausfallen dürfe. Schwarz oder Weiß war natürlich tabu, die passende Erklärung dazu hatte ich vergessen.

      In der Teeküche begann mein ganz eigener Spießrutenlauf, als ich Miranda über den Weg lief. Der perfekten Miranda, sollte ich an dieser Stelle vielleicht noch ergänzen, denn an ihr war kein Gramm zu viel, die Frisur war wie immer top, von ihrem Teint gar nicht erst zu sprechen.

      »Guten Morgen, Drew. Na, wie war dein Wochenende?«

      Und da war sie auch schon: die unausweichliche Frage nach dem wahren Sinn des Lebens. Was sollte ich tun? Ehrlich antworten oder mir eine Geschichte von Mr. Right und seinen Fähigkeiten als Liebhaber und Romantiker aus den Fingern saugen? Ehe mir jedoch die ersten Schweißperlen auf die Stirn treten konnten, kam Stacy mir zu Hilfe.

      »Guten Morgen, meine Lieben. Ich hab furchtbar geschlafen und brauche dringend einen Kaffee«, hörte ich sie hinter mir sagen.

      »In der Schwangerschaft sollte man auf Koffein verzichten. Wie wäre es ersatzweise mit einem Tee oder einem Kakao?«, flötete Miranda und auch ohne Stacy direkt ins Gesicht zu sehen, wusste ich, dass sie einmal tief ausatmen würde, um schließlich Folgendes zu erwidern:

      »Liebe Miranda, ein bis zwei Kaffee am Tag sind in der Schwangerschaft vollkommen in Ordnung. Wusste gar nicht, dass du in diesem Bereich bereits so viel Erfahrung gesammelt hast. Wenn ich mich recht erinnere, bist du Single und deinem makellosen Körper nach zu urteilen auch noch keine Mutter.«

      Oh, der saß richtig. Das war der eine Punkt, den sie in ihrem bisherigen Leben, trotz perfekter Figur, perfektem Haar und perfektem Teint, nicht hinbekommen hatte: eine Familie. Tief getroffen nahm sie ihre Tasse, drängte an mir vorbei aus dem kleinen Raum und ließ uns beide ohne ein Wort zurück.

      »Was?«, forderte mich Stacy auf zu sprechen, nachdem ich sie einige Sekunden sprachlos angestarrt hatte.

      »Fandest du nicht, das war etwas zu hart?«, gab ich schließlich zu bedenken.

      »Meinst du? Wahrscheinlich hast du recht. Dieser Schlafentzug macht einen Zombie aus mir und wenn mir dann auch noch meine tägliche Ration Koffein versagt wird, kann ich unausstehlich werden. War es denn wirklich so schlimm?«

      »Naja, ich finde schon, dass du dich bei ihr entschuldigen solltest. Versteh mich nicht falsch. Ich bin kein Fan von Miranda, allerdings solltest du sie dir nicht zur Feindin machen. Soviel ich weiß, sind ihre Eltern mit die größten Förderer des Museums.«

      »Du hast ja recht. Ich werde zu ihr gehen und mich bei ihr entschuldigen. Aber erzähl erst mal, wie dein Wochenende war. Du hast mir doch sicher nur abgesagt, weil du ein heißes Date hattest. Komm schon, ich will alle Einzelheiten hören.« Fordernd zwinkerte sie mir zu, während ein schelmisches Lächeln ihre Lippen umspielte.

      »Ich muss dich leider enttäuschen. Am Wochenende lag ich nur faul auf der Couch rum und hab gelesen. Mein Traummann ist dabei nicht aufgetaucht«, erwiderte ich schulterzuckend, während ich mir darüber bewusst wurde, dass der Spießrutenlauf erst begonnen hatte. Plötzlich erschien mir die Vorstellung, von Miranda ausgefragt zu werden, wesentlich angenehmer, als meiner Freundin Rede und Antwort stehen zu müssen.

      »Tatsächlich? Trifft sich ja gut, dass Brian heute Abend endlich kommt. Ich hab ihm übrigens gesagt, dass du zum Dinner da sein wirst. Er freut sich schon sehr darauf, dich endlich kennenzulernen. Das wird bestimmt ein schöner Abend. Mitch kommt sogar etwas früher aus der Kanzlei, um Brian vom Flughafen abzuholen. Am besten nehm ich dich nach der Shoppingtour gleich mit zu uns nach Hause. Ich könnte noch Hilfe in der Küche brauchen«, plapperte meine Freundin ohne Punkt und Komma.

      »Was hast du Brian von mir erzählt?«, versuchte ich die Flut an Informationen Stück für Stück zu hinterfragen.

      »Nichts Schlimmes. Keine Sorge. Nur, dass sein Cityguide heute Abend beim Essen dabei sein wird und er bereits heute die Möglichkeit hat, dich zu sehen. Weiter nichts«, erwiderte Stacy seelenruhig, während es in mir brodelte.

      Stacys Absichten waren sicherlich die besten und wäre die letzte Woche datingtechnisch nicht ganz so katastrophal ausgefallen, dann wäre ich ihr unter Umständen für ihren Verkupplungsversuch sogar dankbar gewesen. Nachdem allerdings immer noch damit zu rechnen war, dass sich Amor, Hermes und Aphrodite weit weg im kollektiven Sommerurlaub tummelten, fiel es mir nun äußerst schwer, dem bevorstehenden Treffen mit Brian etwas Gutes abzugewinnen.

      »Ich weiß nicht … Eigentlich bin ich gar nicht in der Stimmung … Vielleicht verschieben wir es auf ein andermal?«, bemühte ich mich, das drohende Unheil von mir abzuwenden.

      »Ach, papperlapapp. Du wirst sehen, der Abend wird toll und Brian ist ein ganz Lieber.«

      Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, dem Dinner fernzubleiben. Wenn Stacy sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann fand sie Mittel und Wege, um an ihr Ziel zu gelangen. Noch während ich mich meinem Schicksal zu fügen begann, hörte ich Stacy sagen: »Übrigens hatten wir einen kleinen Wasserschaden bei uns im Haus. Nichts Tragisches, allerdings betrifft es das angrenzende Bad des Gästezimmers und die Handwerker können erst in zwei bis drei Tagen die Reparatur in Angriff nehmen. Bis dahin müssten wir uns zu dritt ein Bad teilen und da dachte ich…«

      »Nur über meine Leiche. Stacy, das kannst du vergessen. Ich werde keinen Fremden in meiner Wohnung übernachten lassen.«

      »Na, dafür lernt ihr euch doch später bei uns kennen. Außerdem legt Mitch seine Hand für Brian ins Feuer. Das macht er nicht für jeden. Das weißt du. Es wären doch nur zwei Nächte, in denen du ihn beherbergen müsstest. Zum Essen kommt ihr einfach immer zu uns. Du wirst sehen, das wird lustig. Komm schon, Drew, wann bitte ich dich schon mal um einen Gefallen?«

      In letzter Zeit häufiger, aber das konnte ich einer Schwangeren auf Koffeinentzug nicht sagen, ohne Gefahr zu laufen, einen Tränenausbruch oder einen Tobsuchtsanfall zu provozieren. Alles war möglich, das wusste ich nicht erst seit dem Szenario eben mit Miranda ziemlich genau.

      »Ich schau mir den Kerl heute Abend mal an und …«