Mila Summers

Vom Glück geküsst


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Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr ergänzte sie: »Jetzt muss ich mich aber sputen. Meine erste Führung steht gleich an. Wir sehen uns später und besprechen alles Weitere.«

      Und weg war sie. Stacy war eine Naturgewalt, die einen schlimmer aus der Fassung brachte, als ein Tornado, ein Hurrikan und eine Sintflut zusammen je in der Lage wären. Wieder einmal ließ sie mich perplex zurück und ich verpasste die Gelegenheit, ihr klarzumachen, dass ich mir Brian erst mal ansehen wollte, bevor ich ihm Obdach gewährte.

      Drei Stunden später war Stacys Überfallkommando vergeben und vergessen, nachdem sie mir in der Mall geholfen hatte, ein passendes Kleid für den Ball zu finden, und wir schon im zweiten Geschäft fündig geworden waren. Wie machte sie das nur? Das Kleid sah aus wie ein teures Designerstück, roch sogar danach und dennoch kostete es keine zweihundert Dollar.

      In Gedanken schwebte ich in diesem bereits über das Parkett, bis mein Traum wie eine Seifenblase zerplatzte. Ja, ich schwebte über die Tanzfläche, allerdings mutterseelenallein. Da war niemand an meiner Seite, weil ich es immer noch nicht zuwege gebracht hatte, einen lieben, netten Mann aufzutreiben, der sich unter Kontrolle hatte, Nein zu Drogen sagte, mich seiner Mutter vorzog und nicht nur eine schnelle Nummer suchte.

      Wo waren die Männer, die man lieben konnte? Wo waren die Männer, ohne die ein Leben nicht lebenswert war? Es konnte doch nicht sein, dass alle Exemplare aus der Kategorie ›Must-have‹ vergeben waren. Oder etwa doch? Handelte es sich bei dieser Art von Mann um sogenannte Bückware, die heimlich, still und leise unter dem Ladentisch ausgegeben wurde? Warum hatte ich davon nichts mitbekommen? Wo war meine Einladung geblieben?

      »Drew? Hörst du mich?« Wie aus weiter Ferne drang Stacys Stimme an mein Ohr.

      »Hm …, was? Ja, ich kann dich klar und deutlich hören«, antwortete ich schnell, nachdem mir bewusst geworden war, dass ich ziemlich weit mit meinen Gedanken abgedriftet war. Noch immer schmiegte ich mich innig an mein fliederfarbenes Taftkleid. Der obere Teil war über und über mit schillernden Pailletten bestickt, die sicherlich ein interessantes Muster auf meine Wange gezaubert hatten.

      Als mich die übrigen Kunden fragend anblickten und schon über mich zu tuscheln begannen, eilte ich zur Kasse. Verlegen streckte ich der Verkäuferin meine Kreditkarte hin und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass das Limit noch nicht überschritten sein möge.

      »Schau mal, Drew. Die hab ich gerade gefunden. Würden die Sandalen nicht perfekt zu deinem Kleid passen?«

      Ich steckte die Karte zurück in mein Portmonee und griff dankend nach der Tasche, die mir die Verkäuferin lustlos entgegenstreckte.

      »Danke, Stacy, aber mein Budget gibt diesen Monat nicht mehr her. Ich werde wohl warten müssen, bis der nächste Gehaltsscheck eintrudelt«, gab ich schulterzuckend zu bedenken.

      »Ach, Quatsch, die kauf ich dir.« Noch ehe ich etwas erwidern konnte, setzte Stacy hinzu: »Wir wollen doch, dass dich Prinz Charming vom Fleck weg umwerfend findet und der ganze Zauber nicht endet, bevor er beginnen kann.«

      »Welcher Prinz Charming? Da gibt es nicht einmal den Hauch einer Chance auf ein Date für den Ball. Stacy, du kannst dir gar nicht ausmalen, wie furchtbar die Blinddates verlaufen sind, die ich die letzte Woche hatte. Singlesein in Chicago ist allemal besser, als sich an diese gestörten und hoffnungslosen Gestalten zu binden. Glaube mir, die Welt da draußen hat sich verändert, seit du in den glücklichen Hafen der Ehe eingelaufen bist. Prinzen gibt es nicht mehr. Diese aussterbende Rasse ist entweder vergeben oder schwul.«

      »Na, wer wird denn den Kopf gleich in den Sand stecken? Bisher haben wir doch noch alles hinbekommen. Lass mich nur machen«, entgegnete Stacy zuversichtlich.

      »Gute Fee, wenn du schon dabei bist, dann organisier mir doch gleich noch eine Kutsche. Betsy ist demnächst wieder fällig und müsste in die Werkstatt. Beim letzten Mal hat mir der Mechaniker wenig Hoffnung gemacht. Mit den Worten: Zum Ausschlachten könnte Ihr Wagen unter Umständen noch taugen, fahren würde ich mit dieser Rostlaube an Ihrer Stelle keinen Meter mehr hat er Betsys Schicksal besiegelt. Eigentlich müsste ich mich langsam um ein neues Auto kümmern. Ich hätte auf das Kleid verzichten sollen. Jetzt weiß ich nicht …«

      »Drew, dein Vater hat dir doch bestimmt etwas hinterlassen, als er starb. Versteh mich nicht falsch, aber er war doch ein wohlhabender Unternehmer. Warum gibst du davon nicht etwas aus? Du verschleuderst es ja nicht für irgendeinen Schnickschnack. Ein sicheres Auto ist sehr wichtig.«

      »Tja, ich hab zwar geerbt, allerdings ist Dads letzter Wille klar und deutlich: Ehe ich nicht verheiratet bin, bekomme ich keinen Penny. Bis zu diesem Zeitpunkt fungiert Estelle als Treuhänder über mein Erbe.«

      »Wieso denn das?«

      »Daddy war zwar in vielerlei Hinsicht sehr fortschrittlich und weltgewandt, nicht aber, was mich anging. Da wünschte er sich einen vertrauenswürdigen Ehemann, der das Vermögen, das ich einmal erben sollte, verwaltet und, wenn möglich, noch mehrt. So war mein Vater. Im Grunde wollte er nur das Beste für mich.«

      »Bestimmt wollte er das. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass du auch alleine in der Lage wärst, dich um das Erbe zu kümmern. Wo leben wir denn? Schließlich ist das hier, das 21. Jahrhundert und nicht das tiefste Mittelalter. Dennoch kann es ja nicht schaden, wenn wir einen Mann für dich finden. Vorzugsweise einen, der dich in vielerlei anderen Dingen glücklich macht. Wenn du verstehst, was ich meine? Ich hab da auch schon einen Plan.« Stacy grinste und tat geheimnisvoll.

      »Wie sieht der denn aus, dein Plan?«

      »Lass mich mal machen«, erwiderte sie, ohne etwas preiszugeben, und zwinkerte mir zu. Gerade noch war ihr jeder Schritt zu viel gewesen, darüber hatte sie nicht sprechen müssen, das sah man ihr ganz deutlich an. Nun lief sie beschwingten Schrittes vor mir her, sodass ich große Mühe hatte, ihr zu folgen.

      Auch wenn ich es mir in diesem Moment nicht eingestehen wollte, wusste ich doch nur zu gut, was Stacy vorhatte. Dennoch gab ich mich dem Irrglauben hin, sie würde nicht so weit gehen. Falsch gedacht.

      Während der Autofahrt aus Chicagos pulsierender Mitte in Stacys heimeliges Vorstadtidyll stellte sich dieses ungute Gefühl in meiner Magengegend ein. Eine Mischung aus Panik und begieriger Vorfreude rebellierte in meinem Inneren. Noch war völlig offen, wer die Oberhand behalten würde. Womöglich war es an der Zeit, die Zügel aus der Hand zu geben, doch das widerstrebte mir und entsprach nicht meinem Naturell.

      Bisher hatte ich jede Entscheidung in meinem Leben selbst getroffen. Die eine war gut, die andere weniger, dennoch bereute ich nichts. Jede dieser Erfahrungen bereicherte mein Leben ein Stück weit, auch wenn sie noch so schmerzhaft waren.

      Die Worte meiner Freundin hallten dumpf in meinem Kopf wider: Lass mich mal machen. Im Hinblick auf die kommenden Stunden konnte ich mir ganz deutlich ausmalen, was sie sich zurechtgelegt hatte. Blieb nur zu hoffen, dass ich mich irrte und Stacy anderweitige Pläne schmiedete.

      »Drew, was grübelst du? Du siehst so abwesend aus. Alles in Ordnung bei dir?«, fragte mich Stacy, während sie mir fürsorglich über den Arm strich.

      »Oh, ich hab nur über belanglose Dinge nachgedacht. Nichts weiter«, log ich, ohne den Blick auf den Beifahrersitz zu werfen.

      »Dann ist gut. Dachte nur, dich bekümmert etwas. Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du Sorgen hast«, ergänzte sie im Brustton der Überzeugung und ich glaubte ihr. Nein, ich wusste, dass es so war.

      Stacy und ich kannten uns noch nicht sonderlich lange, dennoch war unsere Freundschaft einzigartig. Wir verstanden uns oft blind. Sie war wie die Schwester, die ich mir immer gewünscht hatte und an deren Stelle ich mich mit Ashley und Madison herumplagen musste. Auf die beiden hätte ich gut und gerne verzichten können.

      Nicht nur, dass mich die beiden vom ersten Tag an geärgert hatten, sie machten mir auch das Leben zur Hölle, indem sie Lügen über mich verbreiteten. Anfangs nur zu Hause, dann auch in der Schule. Über die Strafen und Verbote, die mein Vater daraufhin verhängte, hätte ich hinwegsehen