Mila Summers

Vom Glück geküsst


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wollte mehr etwas mit mir zu tun haben, nachdem die beiden überall herumerzählten hatten, ich nässte mich nachts noch ein. Wohlgemerkt war ich zum damaligen Zeitpunkt bereits dreizehn Jahre alt und mitten in der Pubertät. Kinder konnten grausam sein, das hatte ich am eigenen Leib erfahren müssen.

      Dabei weiß ich bis heute nicht, was ich den beiden getan hatte, dass sie sich dermaßen auf mich stürzten. Manchmal kam es mir so vor, als hätten sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mich zu demütigen.

      »Ich bin dir übrigens sehr dankbar dafür, dass du Brian Unterschlupf gewährst. Aber du wirst sehen, er ist so ein lieber Kerl und ihr versteht euch sicherlich auf Anhieb blendend. Was hast du dir denn für die Zeit mit ihm überlegt?«

      »Was meinst du?«, erwiderte ich planlos und merkte erst zu spät, wie gekonnt mich Stacy ausmanövriert hatte. Anstatt mich dagegen zu wehren, mir ihren Gast aufdrängen zu lassen, überlegte ich fieberhaft, was ich hätte vorbereiten sollen. Ich musste mir dringend ein paar ihrer Tricks aneignen.

      »Na, welche Sehenswürdigkeiten und Plätze Chicagos wirst du ihm zeigen? Was willst du mit ihm unternehmen?«, fragte Stacy weiter, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Die personifizierte Unschuld sprach zu mir, so konnte man fast meinen.

      »Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Stacy, ich kenne den Kerl doch noch nicht mal. Vielleicht ist er mir unsympathisch oder einer von diesen Machotypen, die ich nicht ausstehen kann.«

      »Süße, hab ein bisschen Vertrauen, alles andere fügt sich dann wie ganz von alleine. Du wirst sehen«, bestimmte Stacy und ich wusste, dass Widerworte an dieser Stelle fehl am Platz waren.

      »Schaut mal, wen ich euch da mitgebracht habe«, hörten wir Mitch laut aus dem Korridor rufen, nachdem die Haustür schallend ins Schloss gefallen war.

      Stacy wischte sich ihre nassen Hände an der Schürze ab, öffnete schließlich ihre Schleife und legte sie achtlos neben dem Herd auf die Küchenzeile. In dem ganz eigenen Watschelgang, der ab einem gewissen Monat charakteristisch für alle Schwangeren auf dieser Welt ist, marschierte sie an mir vorbei und signalisierte mir mit einem Wink, ihr zu folgen.

      Nun war der Moment gekommen. Ich würde Brian das erste Mal gegenüberstehen. Wie er wohl aussah? Hoffentlich war er größer als ich, denn Männer, die mich nicht mindestens um einen Kopf überragten, fand ich nicht sonderlich attraktiv.

      Keine Ahnung, woran das lag, aber prinzipiell fühlte ich mich immer nur zu Männern hingezogen, an deren Brust ich mich problemlos schmiegen konnte. Schön wäre es auch, wenn er diesen maskulinen Geruch – eine Mischung aus Moschus und Sandelholz – verströmen würde, bei dem ich immer ganz zittrige Knie bekam.

      Ich liebte es, wenn Männer gut rochen und dazu noch gepflegt waren. Außerdem fand ich etwas längeres Haar auch sehr ansprechend, besonders wenn es sich dabei um dunkles Haar handelte. Passend dazu wünschte ich mir strahlend blaue Augen.

      Sag mal, wir sind doch hier nicht bei Wünsch dir was. Das hier ist das wirkliche Leben und sicherlich kannst du dich noch gut daran erinnern, welche Pleiten du letzte Woche eingefahren hast. Außerdem ist das Ganze sowieso keine gute Idee. Schließlich ist Brian Mitchs Freund. Das führt doch dann nur zu Komplikationen und wirkt sich bestimmt negativ auf die Freundschaft zu Stacy aus, meldete sich das Engelchen auf meiner rechten Schulter trübsinnig zu Wort.

      Ran an den Speck! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!, widersprach das Teufelchen zu meiner Linken euphorisch.

      Ich schob die Gedanken beiseite, schüttelte leicht mit dem Kopf und während ich in Gedanken meinen Traummann ziehen ließ, war Stacy bereits im Korridor angelangt und begrüßte überschwänglich ihren Gast. Ihre liebreizende Stimme schien um eine Oktave erhöht, von Mitch und Brian vernahm ich derweilen nichts. Kein Wunder, Stacy überrannte die beiden Männer buchstäblich mit ihrem Wortschwall.

      »Brian, wie schön, dass du bei uns bist. Ich freue mich sehr, dich in unserem bescheidenen Heim willkommen heißen zu dürfen. Fühl dich ganz wie zu Hause. In wenigen Minuten wird auch das Abendessen fertig sein. Meine Freundin Drew ist mir dabei zur Hand gegangen.«

      Das war mein Stichwort. Langsam durchschritt ich den Türrahmen aus der Küche in den Korridor und hielt auf die Gruppe zu. Ich erhaschte den ersten Blick auf Brian und musste mir eingestehen, dass er meiner Vorstellung eines Traummannes ziemlich nahe kam.

      Seine breiten Schultern und die wohldefinierten Oberarme, die sich unter seinem Hemd abzeichneten, deuteten auf eine athletische Figur hin. Das schwarze, füllige Haar lud einen regelrecht dazu ein, mit den Fingern hindurchzufahren. Einzelne Strähnen hingen ihm in die Stirn und schufen damit einen starken Kontrast zu den strahlend blauen Augen, die mich an das Wasser des Lake Michigan erinnerten.

      Stacy drehte sich zu mir um und erhob theatralisch ihren Arm in meine Richtung.

      »Lieber Brian, darf ich dir Drew vorstellen? Sie wird dir Chicago näherbringen, für die nächsten beiden Nächte ihr Apartment mit dir teilen und dir die Zeit hier versüßen«, hörte ich Stacy trällern, während sie mir mit einer diebischen Freude in den Augen zuzwinkerte.

      Bei ihren letzten Worten hielt ich peinlich berührt inne und wäre am liebsten wieder umgedreht. Spätestens als ich spürte, wie mir die Hitze in den Kopf stieg und meine Wangen sich zu röten begannen, wünschte ich mir ein Loch im Boden, in das ich mich verkriechen konnte.

      Stacys Absichten waren mehr als offensichtlich. Sie wollte uns beide verkuppeln, koste es, was es wolle. Während ich mir vorkam wie Ware, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stand und dringend weg musste, hörte ich Stacy zu der Musik von ›Der Preis ist heiß‹ weitere Angaben über mich machen.

      Dabei ratterte sie Maße, Gewicht, Schuhgröße, Vorlieben und besondere Eigenschaften herunter, während ich mich zu drehen begann, damit man auch wirklich von allen Seiten einen guten Blick auf mich erhaschen konnte. Pfeile in leuchtend gelbem Neonlicht umspannten mich wie einen Bogen und zeigten alle auf das Objekt der Begierde: mich.

      Noch ehe ich mir weitere Einzelheiten über eine imaginäre Verkaufsshow ausmalen konnte, holten mich Brians Worte in das Hier und Jetzt zurück.

      Sein: »Was ist das?«, war nicht ganz das, womit ich gerechnet hatte, dennoch erwiderte ich freundlich: »Ich bin Drew, Stacys Arbeitskollegin« und streckte ihm förmlich die Hand entgegen, als ich endlich bei den Dreien angekommen war.

      »Nicht du. Was ist das für ein merkwürdiges Piepsen? Es riecht auch ganz so, als würde etwas …«, sprach Brian unbeirrt weiter, ohne Notiz von meiner Hand oder gar meiner Person zu nehmen und hechtete schließlich an uns vorbei in Richtung Küche.

      Stacy schien ein Licht aufzugehen, denn plötzlich watschelte sie ihm emsig hinterher und schrie geradezu panisch: »Oh mein Gott, die Schürze!«

      Mitch blickte mich fragend an, bevor wir den beiden nachjagten. In der Küche hatte sich bereits beißender, schwarzer Rauch gebildet, der mir sofort die Tränen in die Augen trieb und mich schwer atmen ließ. Während ich mit der Hand vor dem Mund, Brian zur Hilfe eilte, zog Mitch Stacy aus dem vernebelten Raum.

      Das Fenster hatte er bereits geöffnet, nun galt es noch die Flammen der brennenden Schürze auszutreten. Brian trampelte unnachgiebig und regelrecht panisch auf dem Stück Stoff herum, das er zwischenzeitlich auf den Boden geworfen hatte.

      Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang ich zu ihm und erstickte mit ihm gemeinsam die letzten glimmenden Funken. Doch Brian ließ nicht von der Schürze ab und trat ein ums andere Mal wie in Trance darauf herum, während das schrille Geräusch des Brandmelders die Szenerie untermalte.

      Geschafft. Hustend standen wir uns gegenüber, als der Qualm sich allmählich verzog.

      »Puh, das war knapp«, japste ich schwerfällig, während mir der Rauch in die Kehle stieg.

      »Definitiv. Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, erwiderte Brian kaltschnäuzig.

      »Wie …? Was …? Ich verstehe nicht … Es ist doch alles noch mal gutgegangen«, stotterte ich verlegen.