Ronald Trump

Sexual Magie auf über 200 Seiten


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gegen den Lehrer, anstatt sich auf die ihm gestellte eigentliche Aufgabe zu konzentrieren. Der Meister wiederum muß

      einen Großteil seiner Arbeit darauf verwenden, den Schüler zur richtigen

      Rebellion gegen ihn selbst anzustacheln - zu einer Rebellion nämlich, die zu

      einer echten Abnabelung und Selbstständigwerdung führt. Aleister Crowley, zu dessen Hauptverdiensten um die Magie es nicht zuletzt auch gehörte, das Prinzip der Selbsteinweihung auf feste Beine gestellt zu haben, weist in seinen Abhandlungen zur Magie darauf hin, dass vor allem der Anfänger dazu neigt, Praktiken und Gebiete zu bevorzugen, die ihm am meisten liegen und am leichtesten fallen.

      Dadurch werde, führt Crowley aus, ein bereits bestehendes Ungleichgewicht nur noch verstärkt. Insofern hat der gezielte Tabubruch zugleich eine pädagogische und eine ausgleichende Funktion, weil er zu einer ausgewogenern magischen Persönlichkeit führen will. In kaum einem Bereich wird dies so deutlich wie in

      der Sexualität. Ich möchte an dieser Stelle die Behauptung wagen, dass die Sexualmagie aus dieser Tatsache auch den Großteil ihrer Kraft schöpft:

      Dadurch, dass sie auch mit Sexualängsten und Tabus arbeitet, setzt sie vor allem

      am Anfang eine ungeheure Erfolgsenergie frei, weshalb auch gerade Anfänger

      von ihrer Wirkung so überrascht sind. Doch ist ein Tabu einmal oder gar

      mehrfach gebrochen worden, verliert es natürlich an "Unterdrückungskraft". Es

      ist als würde man den Deckel des kochenden Wassertopfs ständig öffnen, um so

      den Dampfdruck zu vermindern. Allerdings führt die Sexualmagie über den

      reinen Tabubruch weit hinaus. Um ein Beispiel zu geben: Ist der Dampf erst

      einmal (meist explosionsartig) abgelassen worden, kann man sich gezielt der

      Energie des kochenden Wassers selbst bedienen. Mit diesem Bild soll auch

      deutlich gemacht werden, dass es bei der Sexualmagie nicht um den Tabubruch allein geht. Er stellt vielmehr eine wertvolle Hilfe dar und sollte auch als solche respektiert und angewandt werden, aber er ist keineswegs das einzige

      Kraftprinzip dieser Praktik und schon gar nicht ihr alleiniges Hauptziel!

      Ein schwerwiegendes Problem, welches in der Praxis der Sexualmagie eine

      große Rolle spielt, ist das der Liebe. In diesem Werk wollen wir uns allerdings

      nicht ausführlich damit befassen, und zwar aus mehreren Gründen, die hier kurz beleuchtet werden sollen. Dass Liebe und Sexualität eng zusammengehören, galt keineswegs immer als so unfraglich, wie wir es heute oft sehen. Gerade in

      Zeiten unterdrückter Sexualität wurde vornehmlich", die reine durch Sexualität "unbefleckte" Liebe propagiert.

      Das hat sich jedoch inzwischen weitgehend geändert, und heute sind sich, von wenigen religiösen Fanatikern abgesehen, die meisten Menschen darin einig,

      dass die Sexualität zur Liebe gehört. Egal, ob dies nun unbedingt im Rahmen

      einer institutionalisierten Ehe sein muss, oder ob man auch die so genannte

      "freie Liebe" (oder "wilde Ehe") toleriert - die Grundeinstellung ist weitgehend

      dieselbe.

      Doch gilt diese Gleichung auch in umgekehrter Richtung? Gehört zur Sexualität ebenso unverzichtbar die Liebe? Wenn dem tatsächlich so wäre, hätten

      Prostitution und Pornoindustrie wohl schon längst ausgedient, ja sie wären nicht einmal entstanden oder notwendig geworden. Oft wird eingewendet, dass diese Spielarten der verkommerzialisierten Sexualität (der Volksmund spricht ja auch

      von "käuflicher Liebe" - dabei werden Liebe und Sex vollends gleichgesetzt und

      als eins begriffen) typische Erscheinungsformen männlich patriarchalischer Gesellschaften seien und vor allem die männliche, nicht aber die weibliche

      Sexualität widerspiegeln. Es gibt freilich auch gegenteilige Meinungen. Wir

      können diese Frage hier nicht entscheiden, da dies von

      unserem eigentlichen Thema fortführen würde. Festhalten lässt sich nur die vergleichsweise triviale Feststellung, dass diese Angelegenheit recht umstritten

      ist.

      Ob allerdings zur Sexualmagie die Liebe gehört, ist ein gänzlich anderes

      Problem. Viel hängt davon ab, wie man den Begriff der "Liebe" genau definiert;

      dies zu tun ist hier ebenfalls nicht unsere Aufgabe. Ich kann Ihnen nur meine persönliche Meinung dazu wiedergeben, ohne Ihnen jedoch die eigene

      Entscheidung für oder wider abnehmen zu

      können. Wenn Sie unter Liebe die auf einen Partner allein fixierte und

      projizierte Bindung an Ihren eigenen Besitztrieb, Ihre Verlustängste und Ersatzbefriedigungen verstehen, einen Hort der Eifersucht, des Neids und der "wohlmeinenden Missgunst", dann hat die Liebe sicherlich in der Sexualmagie keinen Platz. Ebenso wenn Ihr Liebespartner alles Magische oder gar Sexualmagische, aus welchen Gründen auch immer, ablehnen sollte.

      Auch eine ausschließliche Fixierung auf die Monogamie verschließt Ihnen

      zahlreiche Wege, die tief ins Land der praktischen Sexualmagie führen, ebenso natürlich viele sexuelle Tabus, die ja oft mit Liebe verwechselt werden. Generell

      will die Magie befreien, und nicht versklaven - und die Sexualmagie will dies verstärkt eben auch auf sexuellem Gebiet leisten.

      Wenn Sie dagegen Liebe als Achtung des anderen in seiner Andersartigkeit und

      in seinem Recht auf persönliche Weiterentwicklung verstehen ("Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern", heißt es in Crowleys Buch des Gesetzes); wenn Ihr Liebesbegriff mit Einschließt, dass Sie Vertrauen und Zutrauen haben, dass Sie

      dem anderen zubilligen, auch sexuelle Entscheidungen zu treffen, mit denen Sie selbst vielleicht nicht immer einverstanden sind dann ist Ihre Liebe meiner

      Meinung durchaus reif für die Sexualmagie und kann dieser nur nützen.

      Immerhin beginnt die Praxis der Sexualmagie in der Regel nicht mit der Partnerarbeit, sondern mit autoerotischen Techniken. Das hat verschiedene

      Gründe, auf die wir noch eingehen werden, unter anderem den, dass der

      mögliche Konflikt mit einem vielleicht widerstrebenden Partner dabei

      weitgehend ausgeschaltet ist. Viele Sexualmagier arbeiten sogar ausschließlich

      auf der autoerotischen Ebene. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange es nicht lediglich eine bereits bestehende Einseitigkeit oder Unfähigkeit

      festschreibt und andere Praktiken unmöglich macht. Um wieder unser Beispiel

      vom Autofahren zu bemühen: Das wäre wie ein Autofahrer, der ausschließlich

      80 Stundenkilometer zu fahren bereit ist und ebenso ausschließlich nur Rechtskurven beherrscht: Er hat nur ein sehr beschränktes Ausübungsfeld und

      wird sehr oft sich selbst und andere in Gefahr bringen, weil er nur

      starr reagieren kann. Dennoch muss gesagt werden, dass die autoerotische Sexualmagie nicht etwa nur für den Anfang der Praxis von großer Bedeutung

      ist.

      Es geht jedoch, wie gesagt, vor allem um die Vermeidung von Einseitigkeit.

      Wie bei den Bemerkungen zu den Tabus schon erwähnt, sollte der wirkliche Sexualmagier sich mit möglichst vielen Aspekten der Sexualmagie

      vertraut machen und entsprechende Erfahrung sammeln, bevor er sein persönliches, ganz individuelles System entwickelt und auf der Klaviatur magischer Energien virtuos zu

      spielen