Hannelore Kleinschmid

Wie ein Engel auf Erden


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ich das neue Leben genießen wollte, musste ich es zunächst erkunden und mich über meine Hemmschwellen hinweg ins Vergnügen stürzen.

      So etwa lautete das zweite Ehrenwort, das ich mir gab.

      Nach unruhiger Nacht und wirren Träumen wartete ich am Morgen - wieder ganz in Schwarz - auf Karin. Sie musterte mich kritisch:

      "Wir müssen dir unbedingt Klamotten kaufen. Schwarz steht dir nicht."

      Ich schüttelte den Kopf. Dann zeigte ich wie ein kleines Kind mit dem Finger auf mich selbst. Die gute Karin verstand, dass ich allein einkaufen gehen wollte.

      Meine Sparkasse hatte sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Verchromt glänzte ein Großraumbüro, verschönt mit mannshohen Grünpflanzen. Computer standen auf eleganten Arbeitstischen, und schusssicheres Glas schützte den Kassierer. Früher fragte mich Frau Müller am Schalter, wie lange sie noch auf Christa Wolfs "Kassandra" aus der Bibliothek warten müsse. Eng war damals der Raum mit den beiden Schaltern wegen der sich windenden Schlangen.

      Gefährten im Warten fand ich als Einheimische stets. Ein Wie-geht-es? wurde immer gefragt, und oft genug ergab sich ein Schwätzchen.

      Während Karin jetzt alles Notwendige für mich erledigte, stand ich herum und besah die neue Sparkasse. Ich fühlte mich fremd an einer Stelle, die mir viele Jahre vertraut gewesen war. Durch die Glastür sah ich die Automaten im Vorraum. Für Stumme gut geeignet, dachte ich. Eine Tastatur zu bedienen, war eine wortlose Angelegenheit, genau wie der Einkauf im Supermarkt.

      Insgesamt nickte ich dreimal, unterschrieb viermal und hatte mit Hilfe meiner Freundin ein Girokonto eingerichtet. In den nächsten Tagen würde ich eine Euroscheckkarte erhalten und eine Geheimnummer, die sich der Mensch zu merken hat. Auf meinem Sparbuch befand sich - wie mir Karin mit gewissem Stolz zeigen ließ - eine erstaunlich hohe Summe. Ich begann, mich wohlhabend zu fühlen.

      "Materiell abgesichert." sagte Karin, als habe sie meine Gedanken erraten.

      "Du bist materiell abgesichert. Eine Invalidenrente - zwar nicht hoch, aber immerhin - kommt monatlich dazu. Du brauchst dir also keine Gedanken zu machen."

      Sie sprach mit Nachdruck, als wäre ich mir erst gestern ans Leben gegangen. Da sie es lautstark äußerte, obwohl ich gut höre, sahen sich die wenigen Kunden nach uns um, und ich errötete wie in alten Tagen, sehr zu meinem Ärger.

      Nachdem mir der freundliche Herr an der Kasse zehn Hundertmarkscheine abgezählt hatte, zog ich Karin am Ärmel aus dem Geldinstitut.

      "Kann ich dich irgendwo hinbringen?" fragte sie vor ihrem Auto. Ich schüttelte mein Nein und wunderte mich, als sie losschimpfte. Erst dann entdeckte ich das Zettelchen, das man ihr unter den Scheibenwischer geklemmt hatte. "Verdammt!" schimpfte Karin. "Schon wieder!"

      Mit einem "Bis später! TschüsundallesGute!" fuhr sie wütend davon. Ich blieb auf dem Gehweg stehen und versuchte herauszufinden, warum sie einen Strafzettel erhalten hatte.

      Es dauerte eine Weile, bis ich die Kästen richtig zuordnete, an denen man Tickets ziehen und bezahlen muss. Das Gefühl der Fremdheit nistete sich merkbar in meiner Magengegend ein. Dabei wusste ich genau, dass ich Angst nicht zulassen durfte. Nie wieder wollte ich in schwarze Löcher fallen und mich in finstere Ecken verkriechen.

      So beschloss ich, Stück für Stück meine Stadt zu erkunden und mich mit ihrem bundesdeutschen Gesicht bekanntzumachen. Viele HO- und Konsumläden waren ebenso wie die paar privaten Geschäfte nicht mehr da, wo sie gewesen waren. Statt ihrer hatten sich viele Schuhgeschäfte eingenistet.

      Die Sonnenbrille auf der Nase, durchwanderte ich am Stock langsam bekannte Straßen, die irgendwie unbekannt aussahen. Obwohl ich alles schon einmal gesehen und hier gelebt hatte, fühlte ich mich wie von einem anderen Stern oder zumindest aus einem fernen Land gekommen. Ich lief durch die Straßen, umgeben von einer persönlichen Einsamkeit, die mich auf Distanz zu allem ehemals Vertrauten hielt. Panik stieg in mir hoch. Wieder erfasste mich ein kaum bezwingbares Gefühl, mit meinem Stock um mich schlagen zu müssen. Nur so würde ich die gläserne Kapsel zerschlagen können, die mich von allem Leben ausschloss.

      Ich presste die Lippen zusammen, um nicht zu schreien, und strebte dem Haus zu, in dem sich die sichere Höhle meiner vollgestopften vier Wände befand. "Nach Hause!" dröhnte es in meinem Kopf. Plötzlich explodierte ein Ruf:

      "Beate, bist du das? BeateBeate! Dudasdudasdudas?"

      Ich sah mich nicht um und rannte, wie gejagt, weiter.

      Erst nachdem ich auf meiner Couch wieder zu Atem gekommen war, verebbte die Panik.

      Es war noch ein weiter Weg zu Genuss und Glück!

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