Katelyn Faith

Mad about you 2


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verbringe meine Mittagspause jeden Tag hier. Normalerweise mit einer Kollegin, aber die hat Urlaub und deshalb sitze ich momentan alleine rum. Wenn du also Lust hast ... sehen wir uns morgen wieder?«

      Melanies Augen hellen sich auf. »Ist das dein Ernst?«

      Ich lächle. »Ja, sicher. Sonst hätte ich es doch nicht angeboten.«

      »Das wäre ... oh Gott. Du musst denken, ich bin eine frustrierte, einsame Frau, dabei bin ich das gar nicht. Also, ich meine ... normalerweise. Nur heute ist so ein Tag ...« Sie beißt sich auf die Lippe und starrt geradeaus, durch mich hindurch. ?»Kein Problem. Ich kenne solche Tage. Und wenn du jemanden zum Reden brauchst – ich bin jeden Tag um dieselbe Zeit hier.«?Ich schultere meine Handtasche und wende mich zum Gehen. Mist, die Mittagspause ist seit einer Viertelstunde offiziell vorbei. Hoffentlich gibt das keinen Ärger. Nach dem Anpfiff, den ich heute Morgen kassiert habe, kann ich wirklich nicht noch mehr davon gebrauchen.

      Nachdem ich die Glastür hinter mir zugezogen habe, drehe ich mich noch einmal um – und staune. Melanie tippt fröhlich auf ihrem Smartphone herum. Ihre Stirn ist glatt; sie sieht aus, als wäre nie etwas geschehen. Seltsam. Während ich die Straße überquere und das Büro betrete, denke ich über diese Begegnung nach. Ich werde häufig von Fremden angesprochen und habe kein Problem damit, Leute kennenzulernen. Im Gegenteil. Mein Problem liegt darin, aus einer flüchtigen Bekanntschaft mehr zu machen. Ich will mich nie aufdrängen, deshalb warte ich immer ab, bis der andere den ersten Schritt macht und sich meldet, doch das passiert leider nicht oft. Vielleicht bin ich auch einfach nicht interessant genug für andere.

      Interessant genug für meinen Chef bin ich offenbar, denn der sitzt auf meinem Schreibtisch und klopft mit einem Kugelschreiber auf die Tischplatte. Mein Herz rutscht eine Etage tiefer, als ich die steile Falte zwischen seinen Brauen bemerke.

      »Die Mittagspause ist seit einer halben Stunde beendet, Lilian.«

      »Ich ... ja, tut mir leid. Ich hänge die Zeit hinten dran und bleibe heute länger. Und übrigens habe ich gestern Abend zu Hause den Eremity-Vertrag noch durchgearbeitet, bis elf Uhr, und ich ...«

      »Es ist mir egal, wo und wie du deine Arbeit erledigst«, fährt er mir in die Parade. »Aber wir haben geregelte Arbeitszeiten, und ich erwarte, dass du zu diesen Zeiten im Büro sitzt und nicht in irgendeinem Coffeeshop.«

      Mir wird schlagartig warm. Woher, zum Teufel, weiß er, wo ich meine Mittagspause verbringe?

      »Ich bin ja jetzt ...«

      »Außerdem musste ich erfahren, dass du während der Arbeitszeit private E-Mails schreibst und Facebook nutzt. Ich muss dir wohl nicht erklären, dass das für mich nicht in Ordnung geht?«

      »Wie bitte?«, frage ich verdattert zurück. Ich meine, das macht doch jeder hier. Ausnahmslos. Und bisher war das auch nie ein Problem, schließlich achten wir bei unserer Arbeit auch nicht pingelig genau darauf, ob zufällig gerade Wochenende ist oder später Abend. Der Vorteil an diesem Job ist, dass ich viel von zu Hause erledigen kann, und das mache ich auch. Seit Jahren. Was zum Geier ist jetzt auf einmal in Ken gefahren?

      »Ich habe hier eine Abmahnung für dich.« Demonstrativ legt er einen Briefumschlag auf meinen Schreibtisch, bevor er langsam aufsteht. Meine Knie werden weich. Eine Abmahnung? Wegen einer solchen Lappalie?

      »Ken, was ist hier los?«

      Er schürzt die vollen Lippen und sieht mich aus wässrig-blauen Augen an. Dann schüttelt er den Kopf, während er auf mich zukommt. »Deine Arbeit lässt in der letzten Zeit sehr zu wünschen übrig. Ich weiß, dass du private Probleme hast, deine Ehe und alles. Aber ich kann das nicht länger mit ansehen. Beim nächsten Verstoß muss ich dich entlassen, Lilian.«

      »Ist das dein Ernst?« Ich umklammere den Riemen meiner Handtasche mit beiden Händen, wie einen Rettungsring, und starre ihn fassungslos an. »Nach vier Jahren willst du mich wegen so was rausschmeißen?«

      Seine Augen flackern. Ich erkenne meinen Chef nicht wieder. Wir waren zwar nie beste Freunde und sind uns meistens aus dem Weg gegangen, aber wir kamen irgendwie miteinander klar. Doch langsam dämmert mir, wer dahintersteckt. Der Mann, der mir vor Jahren diesen Job hier besorgt hat. Mir wird heiß.

      »Hat Jonathan etwa ...«

      »Die Abmahnung liegt auf deinem Schreibtisch, bitte nimm sie zur Kenntnis«, unterbricht er mich wieder, dann wendet er sich zum Gehen. Mein Körper ist ganz steif geworden. Mit zittrigen Händen reiße ich den Umschlag auf und überfliege den sachlichen Text. Mein Herz wummert. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Ganz sicher steckt Jonathan dahinter. Ich weiß, dass er mit Ken mehr oder weniger befreundet ist. Was Jonathan halt unter Freundschaft versteht. Grundsätzlich pflegt er Kontakte nur zu Menschen, die ihm irgendwie nützen können. Wütend werfe ich meine Handtasche auf den Schreibtisch, greife zu meinem Handy und wähle seine Nummer.

      »Vorzimmer Jonathan Palmer, Sie sprechen mit Elizabeth Walters, was kann ich für Sie tun?« Der Sopran seiner Assistentin, mit der er vor zwei Jahren auch eine Affäre hatte, sticht in meinem Ohr.?»Elizabeth, hier ist Lilly. Ich muss Jonathan sprechen, und zwar sofort«, sage ich so souverän wie möglich.

      »Tut mir leid, Lilly, er ist gerade in einer ...«?»Das ist mir egal, verdammt! Ich muss ihn jetzt sprechen. Sofort. Und wenn du mich nicht durchstellst, komme ich gleich persönlich vorbei. Das wird ihm allerdings nicht gefallen.«

      Ich höre ein Seufzen, dann raschelt etwas. Gedämpfte Stimmen, Flüstern. Ungeduldig laufe ich im Büro auf und ab, den Hörer fest an mein Ohr gepresst.

      »Lilian?«

      »Was zum Teufel denkst du dir dabei?«, fahre ich ihn an. »Was soll das, Jonathan? Was habe ich dir getan, dass du mich so hasst? Musste das jetzt auch noch sein?«

      Sein eisiges Lachen fährt mir bis in die Eingeweide und lässt mich schlucken. Es liegt so viel Hass in dem Ton, dass mir übel wird. Grundgütiger, wann ist es mit uns so weit gekommen? Und wieso benimmt er sich, als wäre ich die Böse? Nicht ich habe ihn monatelang mit seinem besten Freund betrogen ... Wut steigt in mir auf.

      »Glaubst du denn wirklich ich würde zusehen, wie du dich von Bennet vögeln lässt und mich als gehörnten Idioten der Welt vorführst, Lilian? Ich dachte, du kennst mich besser.«

      »Braden hat nichts damit zu tun. Du hast meiner besten Freundin ein Kind gemacht! Entschuldige mal, aber das ist doch wohl schlimmer als ...«

      »Es ist nicht mein Kind«, unterbricht er mich.

      Ich stutze. »Wie bitte?«

      »Kristens Kind ist nicht von mir. Ich habe das Scheidungsurteil bereits angefochten, dein Bennet dürfte die Unterlagen inzwischen auch haben. Die Scheidung ist damit nicht rechtskräftig, das muss ich dir als Juristin ja nicht erklären. Und solange nicht klar ist, dass ich deiner geliebten Kristen ein Kind angedreht habe, sind wir beide noch verheiratet. Mit allen Konsequenzen.«?Ich schlucke trocken. Meine Hände haben sich so fest um den Hörer gekrallt, dass meine Fingerknöchel schmerzen. Mit einem Plastikkugelschreiber malträtiere ich die Tischplatte.

      »Jonathan, was soll das? Ken hat mir heute eine Abmahnung gegeben, und sag mir jetzt nicht, dass du nichts damit zu tun hast.«

      »Natürlich habe ich was damit zu tun, das hast du schon ganz richtig durchschaut. Ich werde dich ruinieren, Lilian. Du wirst kein einziges Pfund von meinem Vermögen bekommen, weil du dich des Ehebruchs schuldig gemacht hast. Mit deinem Anwalt! Mit Braden Bennet! Was für eine Farce – die gesamte Anwaltschaft lacht über mich.«

      Ich atme dreimal tief ein und aus, bevor ich etwas dazu sagen kann.

      »Mir ist klar, dass es dir nur um dich und deinen Ruf geht und nicht um die Sache an sich. Oder womöglich um mich. Aber das hier ... Was soll das, Jonathan? Was habe ich dir getan, dass du plötzlich solche Rachegelüste entwickelst? Wieso hasst du mich so?«

      »Ich hasse dich nicht, Lilian.« Er spricht auf einmal leise. Bedrohlich leise. Eine Gänsehaut zieht über meine Unterarme. »Aber ich hasse Bennet. Von allen Männern, die in London leben, musste es ausgerechnet er sein?«