Christian Fülling

Traumgleiter


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gehören meines Erachtens zusammen.“

      „Das sagtest du bereits“, bemerkte Borchardt ungeduldig.

      „Was könnte das bedeuten, wenn man sich selbst in die Augen schaut? Und bedenke bei deiner Antwort bitte, dass etwas anderes das fremde Auto fährt.“

      „Theodor, sei mir nicht böse, aber das wird mir jetzt alles zu bunt.“

      „Okay, Martin. Du willst die Abkürzung?“

      „Ich bitte darum.“

      Theodor suchte nach den richtigen Worten. „Wir beide sind uns doch nach wie vor einig darüber, dass es im Leben keine Zufälle gibt, nicht wahr?“

      „Unbedingt, Theodor.“

      „In dem Moment, als mich deine Email erreichte, befand ich mich in einem aufschlussreichen Gespräch mit einem Kollegen hier aus den USA. Er berichtete mir von seinen Erfahrungen rund um das Thema geteilte Träume.“

      „Deren Existenz allerdings nicht nachgewiesen ist.“

      „Und dennoch weltweit seit Jahrhunderten erfahren wird.“

      „Was wiederum nicht bewiesen ist.“

      „Martin, ich weiß, dass du deren Existenz anzweifelst. Ich frage mich nur, warum? Schau mal, ich bin nun einmal parapsychologischer Wissenschaftler, den du nun einmal kennst, und ich befinde mich derzeit auf einem rein schulpsychiatrischen Kongress und laufe Wissenschaftlern über den Weg, die sich mit Träumen beschäftigen. Und nun das mit dir. Wie kann das sein? Alles nur Zufall?“

      „Spielst du auf die Synchronizität an?“

      „Ja, genau. Ich vermute, dass meine Erfahrungen hier drüben gewissermaßen mit deinen zusammenhängen.“

      „Okay, Theodor, vielleicht hast du recht. Ich bin wieder ganz Ohr.“

      „Also, ich stimme dir zu, es gibt zu wenig Beweise rund ums Phänomen ‚Geteilte Träume‘. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass sich sämtliche Wissenschaften im Wandel befinden.“

      „Ja.“

      „Du selbst hast deinem Buch den Titel Paradigmenwechsel gegeben.“

      „Das stimmt.“

      „Die Quantenphysik beispielsweise ist sich relativ sicher, dass die Essenz des Universums Bewusstsein ist.“

      „Eine Aussage, die man bis vor ein paar Jahren nur in esoterischen Kreisen hörte.“

      „So ist es. Das Bewusstsein soll nicht durch die Aktivitäten des Gehirns entstehen, sondern das Gehirn ein Instrument des Bewusstseins sein. Das widerspricht sämtlichen Lehrmeinungen. Und die Neurowissenschaften beweisen mithilfe bildgebender Technologien, dass zum Beispiel Muskelaufbau rein mental ohne körperlichen Einsatz möglich ist.“

      „Auch das widerspricht somit allem, was akademisch gelehrt wird.“

      „In Japan gibt es eine Forschergruppe, die in der Lage ist, den Inhalt von Träumen als Bilder auf einen Bildschirm zu projizieren.“

      „Darüber habe ich gelesen.“

      „Heute in zehn Jahren können wir unsere nächtlichen Träume als Film anschauen. Die Biochemie und Hirnforschung haben nachgewiesen, dass Gedanken elektrochemischer Natur sind, die korrespondierende biochemische Substanzen im Körper ausschütten, die unsere Gefühle erzeugen, die wiederum krank machen oder heilen können. Bis vor ein paar Jahren galt Positives Denken als Hokuspokus. Jetzt beweist die Biochemie, dass es das nicht ist. Sie können auch nachweisen, dass zum Beispiel der ewige Streit zwischen Eheleuten die Folge einer biochemischen Sucht ist, die auf bestimmten Denkmustern basiert.“

      „Das ist richtig“, stimmte Borchardt zu.

      „Es liegen russische Untersuchungen vor, die nachweisen, dass ein Mutterhuhn in den USA auf die Tötung ihrer Küken in Russland zeitgleich emotional reagierte. Auch das widerspricht allem, was gelehrt wird. Wissenschaftler stehen kurz vor dem Beweis, dass die emotionalen Erfahrungen einer Generation über die DNA an die nächste Generation weitervererbt werden können.“

      „Das habe ich gelesen, und das ist gruselig.“

      „Das ist nicht gruselig, Martin. Überleg doch einmal, was das in Bezug auf die Behandlung von Psychosen bedeuten könnte.“

      „Du meinst, dass Psychotiker die Traumata ihrer Vorfahren ausleben könnten?“

      „Das erklärte das Bizarre hinter ihren Erfahrungen“, bestätigte Theodor. „Und die Zellbiologie hat zweifellos nachgewiesen, dass der an den Hochschulen gelehrte genetische Determinismus so nicht existiert. Dass Gene auf die Umwelt, auf Gedanken und Gefühle reagieren und sich dementsprechend anpassen können.“

      Borchardt wurde immer nachdenklicher.

      „Bei der Behandlung schwer Traumatisierter hat sich eine neuropsychotherapeutische Methode als sehr erfolgreich erwiesen und Traumata aufgelöst, die noch bis vor Kurzem als unheilbar galten.“

      „Du meinst EMDR?“, wusste Borchardt.

      „Richtig, mein Guter. Die Neurowissenschaften sprechen mittlerweile von der Neuroplastizität.“

      „Dass das menschliche Gehirn in der Lage ist, sich ein Leben lang zu verändern.“

      „So ist es.“

      „Ich bin mir über einiges von dem, was du aufgezählt hast, durchaus bewusst.“

      „Deshalb, Martin, dürfen wir nichts mehr ausschließen, was ansatzweise möglich sein kann. Du und ich sowieso nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle deine drei Erlebnisse im Bereich der geteilten Träume anzusiedeln sind.“

      „Was genau macht dich da so sicher? Und vor allen Dingen so schnell?“

      „Synchronizität. Als mich deine Mail während des Gespräches mit dem Wissenschaftler erreichte, bekam ich eine Gänsehaut. Und während ich deine Traumdeutung las, bekam ich wieder eine Gänsehaut. Und dann, als du mir von den anderen Phänomenen erzähltest, bekam ich eine weitere.“

      „Dreimal“, bemerkte Borchardt unruhig.

      „So ist es. Dreimal.“

      Beide starrten sich an und wussten, was der andere dachte.

      „Warum bekommen Menschen abgesehen von Kältegründen eine Gänsehaut?“, fuhr Theodor fort.

      „Angst… Angst vor dem Unbekannten.“

      „So ist es. Oft bekommen Menschen auch kurz bevor sie sich an verdrängte Traumata erinnern eine Gänsehaut.“

      „Du hast recht. Das habe ich bei meinen Klienten beobachtet.“

      „Ich habe mich mit geteilten Träumen recht wenig auseinandergesetzt, aber die Tatsache, dass zwei oder mehrere Personen den gleichen Traum träumen oder währenddessen telepathisch miteinander verbunden sind, scheint mir ganz und gar nicht unwahrscheinlich. Wie oft träumt man von einer realen Person, mit der man einen realen Konflikt hat, der im Traum mit der Person gelöst wird, um dann am nächsten Tag einen Anruf von dieser Person zu erhalten, um sich bei einem zu entschuldigen.“

      „Da ist was dran. Ist es in der Regel nicht so, dass sich im geteilten Traum alle Träumende im Wachzustand kennen?“

      „Ich weiß, worauf deine Frage abzielt. Deshalb möchte ich dir jetzt von einem größeren Experiment berichten, welches ich jüngst in meinem Institut durchgeführt hatte - mit erstaunlichen Ergebnissen. Ähnliche Experimente gab es bereits. Die Ausgangsfrage war: Ist es möglich, dass mentale Bilder, die bestimmte Emotionen in einer Person auslösen, von anderen Personen wahrgenommen werden können, ohne dass die Personen sich untereinander kennen oder voneinander wissen? Konkret heißt das: Wir haben einen Probanden A in einem Raum untergebracht und zehn weitere Probanden in einem anderen. Die zehn wussten nichts von Proband A. A wusste aber von den zehn. Alle wurden von professionellen Wissenschaftlern mithilfe des Neurofeedbacks