Hansjürgen Blinn

Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit


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dadurch ein einseitiges Bild der Epoche.

      Das Rokoko ist eine in den letzten vierzig Jahren von der deutschen literaturwissenschaftlichen Forschung vernachlässigte Epoche, die es wieder ins allgemeine Bewusstsein zu heben gilt. Der Band »Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit« will einen wichtigen Beitrag zur Neuentdeckung leisten und darüber hinaus wegen der Lebendigkeit der Texte und der offenen Thematisierung von Erotik und Sexualität einen größeren Interessentenkreis ansprechen.

      Der Herausgeber wählt diesen Weg der Publikation, da es ihm nicht gelungen ist, einen Verleger für einen Text-/Bildband in Printform, der literarische Texte und Abbildungen einander gegenüber stellen wollte, zu gewinnen.

      An die Liebe

      Liebe! allerliebste Liebe!

      Segne mir mit deinem Triebe.

      Lass mich deinen Reiz empfinden,

      Lass mich deine Glut entzünden,

      Lass mich deinen Zucker schmecken,

      Lass mich durch ein Lied erwecken,

      Wenn ich Zeit und Lust versäume,

      Müßig wach’ und müßig träume.

      Lass mir hübsch durch dein Genießen

      Zeit und Stunden schneller fließen.

      Lass mirs an der Müh zu wählen,

      Aber nie an Schönen fehlen,

      Und damit auch viel Beschwerden

      Durch ein Mittel minder werden,

      Lass mir künftig nur von allen

      Eine schön sein und gefallen.

      Lehr ihr denn, sich gut zu schicken,

      Gut zu spielen, gut zu blicken,

      Lehr ihr meine Neigung kennen,

      Klug zu frieren, klug zu brennen,

      Lehr ihr witzig abzuschlagen,

      Lehr ihr reizend ja zu sagen.

      Aus den Worten, aus den Werken

      Lass ihr Wunsch und Willen merken;

      Aber lehr ihr, Wunsch und Willen

      nicht zur Unzeit zu erfüllen,

      Dass sie sich erst artig schäme

      Und sich nicht zu bald bequeme.

      Lehr ihr alle frohe Mienen,

      Die der Lust zum Vorteil dienen,

      Lehr ihr alle Fröhlichkeiten,

      Lehr ihr auch, was sie bedeuten,

      Dass sie stets in Unschuld prange,

      Dass sie nicht zuviel verlange,

      Dass sie mirs vernünftig klage,

      Wenn ich ihr zuviel versage.

      Lehr ihr, wie man nie veralte,

      Wie man Reiz und Wert behalte,

      Wenn auch einst auf Brust und Wangen

      Aller Rosen Schmuck vergangen.

      Lehr ihr, wenn wir uns vereinen,

      Treu zu sein und treu zu scheinen,

      Dass sie mich mit nichts betrübe

      Und mich immer stärker liebe.

      Lehr auch mich, durch deine Lehren,

      Solchen Engel zu verehren,

      Dass er, wenn ich ihn vergnüge,

      Keine Lust zum W kriege.

      Johann Wilhelm Ludwig Gleim

      Küssen und Trinken

      Mädchen, lass mich dich doch küssen!

      Zaudre nicht, sonst wirst du müssen.

      Hurtig! hurtig schenkt mir ein!

      Auf das Küssen schmeckt der Wein!

      Dieser Wein hat Geist und Feuer.

      Mädchen tu doch etwas freier.

      Gönn mir vorigen Genuss:

      Auf das Trinken schmeckt ein Kuss!

      Gotthold Ephraim Lessing

      Bacchus und Cithere

      Soll ich trinken oder küssen?

      Hier winkt Bacchus, dort Cithere.

      Beide winken, beide lächeln.

      Bacchus mit gesetzten Minen,

      Und Cithere mit verliebten.

      Bacchus zeigt mir seine Reben,

      Seht, sie sinken, schwer von Trauben!

      Aber seht nur, dort im Schatten,

      Dort im Schatten, unter Reben,

      Liegt ein Mädchen lang gestrecket!

      Seht, es schläft, es lächelt schlafend,

      Und es lächelte Cithere

      Nicht so reizend, als sie winkte.

      O wie süß mag es nicht schlummern!

      O wie reizend liegt das Mädchen!

      Um den weißen regen Busen,

      Hangen schwarze reife Trauben,

      Und es glänzen um den Locken,

      Um den rabenschwarzen Locken,

      Goldne Blumen in den Schatten.

      Weingott, winke nur nicht länger;

      Denn ich muss erst, bei dem Mädchen,

      Unter deinen Trauben schlummern.

      Johann Wilhelm Ludwig Gleim

      Arbeit für Doris

      Liebstes Mädchen, sei nicht müßig,

      Sieh, wir sind zur Müh’ erschaffen!

      Sei nicht müßig, gib mir Küsse,

      Gib mir hundert, gib mir tausend,

      Küsse, bis ich nicht mehr zähle;

      Küsse heute, küsse morgen,

      Denn du sollst nichts tun als küssen!

      Johann Wilhelm Ludwig Gleim

      Die Träumerin

      Ein kleines schwarzes Mädchen,

      Hielt auf dem weichsten Bette,

      Die sanfte Mittagsruhe.

      Es schlief, wie Mädchen schlafen,

      Es lächelte im Schlafe;

      Es regte sich der Busen,

      So oft es Atem holte.

      Es tat, als wollt es wachen;

      Es warf sich hin und wieder,

      Und lächelte noch zweimal;

      Es steckte bei dem Lächeln,

      Die rechte Hand im Busen.

      Ich bückte mich und lauschte

      Die Linke zu erblicken;

      Allein