Sieglinde Breitschwerdt

Ein Flaschengeist in Wanne-Eickel


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saß demonstrativ vor seinem leer gefressenen Futternapf. Er miaute so steinerweichend, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu fressen bekommen.

      „Luzimöpschen, nu' hör auf zu nerven! Du kriegst ja gleich was!"

      „O Meister, sieh doch nur, das ungeheuerliche Schreckgeheuer, die schreckliche Bestie von heute Nacht!"

      „Luzimops, eine Bestie?", kicherte Fabian. „Keine Sorge, der tut dir nichts!"

      „Ehrenwort?"

      „Großes Ehrenwort!"

      Herrlicher Würstchenduft strömte in Tanballs Näschen. Neugierig schwebte er auf Tante Eulalias Schulter. Entzückt verdrehte er die Augen, als er in die Pfanne sah, und vor lauter Vorfreude schmatzte er laut vor sich hin.

      „Luzimöpschen, hör auf zu gieren", tadelte Tante Eulalia. „Es sind genügend Würstchen für alle da!"

      Flugs schwebte der Kleine vor Eulalia Mehlmanns große Nase, rieb sich erwartungsvoll die Händchen und fragte: „Auch für mich?"

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      Vor Entsetzen taumelte die alte Dame und schnappte nach Luft. Erschöpft lehnte sie sich an die Spüle und griff sich ans Herz.

      „Wa... wa... was is'n das?"

      „Aber Tante, hast du's vergessen? Das ist Tanball!"

      „Es... es war also kein Traum?", stammelte sie tonlos. „Ich habe heute Nacht tatsächlich..."

      „... meine Wüste verwohnt, und jetzt stinkt's dort!", ereiferte sich der kleine Geist und ballte die Fäustchen.

      Das war zu viel! Energisch stemmte Tante Eulalias die Arme in die Hüften und keifte entrüstet: „Flaschen, die ich ausspüle, stinken nicht mehr!"

      Sie scheuchte den Kleinen mit einer herrischen Handbewegung zur Seite.

      „Da macht man wat sauber, und dann soll et stinken", brabbelte sie beleidigt vor sich hin.

      Tanball setzte sich wieder auf Fabians Schulter und wisperte: "O Meister, deine Zürne ist ertantet. Ob sie trotz allem meines Hungers gnädig ist?"

      Verschwörerisch zwinkerte ihm Fabian zu und flüsterte: „Ganz bestimmt!"

      „Fabian", knurrte die Tante. „Hol noch ein Tellerchen für den Dingsbums aus dem Schrank. Und der Senf fehlt auch noch."

      Neugierig betrachtete Tanball das Treiben seines Meisters. Als er im geöffneten Kühlschrank die vielen Lebensmittel sah, geriet er völlig aus dem Häuschen. Er schwebte erneut vor Eulalia Mehlmanns große Nase, setzte sein allerschönstes Lächeln auf und schmeichelte: „O große Meistertante, kann man das da im Schrank wirklich alles essen?"

      Bevor sie ihm antworten konnte, maulte Fabian: „Wir haben keinen Senf mehr!"

      „So was Dummes!", knurrte die Tante ärgerlich. „Den hab' ich doch glatt vergessen! Geh mal rüber zu Frau Würggriff und frag sie, ob sie uns etwas Senf leiht!"

      „Mach ich", sagte Fabian und verließ die Küche.

      „Senf?", staunte Tanball . „Was ist denn das?"

      „Das ist eine Paste aus Senfkörnern! Aber ohne Senf schmecken die Würstchen nur halb so gut!", erklärte Tante Eulalia ihm.

      In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Tante Eulalia nahm die Pfanne vom Herd und sagte: „Pass auf, dass Luzimöpschen von den Würstchen weg-bleibt!", und verließ die Küche.

      Der Kater kauerte vor seinem Fressnapf, Pfote neben Pfote, den Schwanz darum geschlungen. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er den kleinen blauen Wicht. Mit kleinen schlitzigen Augen schien er vor sich hinzudösen. Diesem Flaschenheini werde ich's zeigen, überlegte er böse. Wehe, wenn er mir in die Quere kommt, dann fress' ich ihn samt seinem dämlichen Käppi.

      Der kleine Flaschengeist setzte sich aufs Küchenradio. Neugierig guckte er aus dem Fenster und staunte. Auf der Straße fuhren so viele Autos - manche sehr groß, andere wieder klein und bunt. Solche Autos hatte er noch nie gesehen. Eigentlich hatte er bis zum heutigen Tage nur ein einziges Auto gesehen. Das war riesig und wurde von einem Chauffeur gefahren. Aber das war vor vielen, vielen Jahren gewesen, als er der Dshinni eines reichen Ölscheichs war...

      Mitten auf der Wiese stand ein großer Kasten mit Sand gefüllt. Kleine Kinder spielten und tobten darin. Der Sand erinnerte ihn an die Wüste. Herrliche Sonnenuntergänge gab es dort ..., Oasen mit Dattelhainen, Palmen und...

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      Ein lautes Schmatzen riss ihn aus seinen Träumereien. Verdattert drehte er sich um. Wie von der Tarantel gestochen sauste er zur Pfanne. Sechs Würstchen! Zwei fehlten!

      Fuzziluzzi! Wo war diese verfressene Bestie? Wo steckte dieses alles verschlingende vierbeinige Ungeheuer? Tanball spitzte die Ohren und lauschte. Aha, das Monstrum hockte unterm Küchentisch.

      „Du... du verfressiger Flohsack!", kreischte Tanball außer sich.

      Der Kater hielt im Kauen inne. Ein kleiner Wurstzipfel hing noch aus seiner Schnauze.

      „Rück sofort die Würstchen raus!", schrie der Flaschengeist so laut er konnte.

      Doch für Luzimops Öhrchen war dies nur ein sanftes Säuseln. Wenn sein Frauchen mit ihm schimpfte, klirrten mitunter die Fensterscheiben. Hastig verschluckte er den Wurstzipfel und fauchte: „Hau bloß ab, du Pimpf!"

      Heimtückisch funkelten seine Augen. Blitzschnell schlug er mit einer Pfote nach Tanball, der zornbebend vor seiner Schnauze schwebte.

      „Aua! Mein Kopf! Das sag' ich meinem mistigen Großen! Dann kriegst du nix mehr zu fressen!"

      Wutentbrannt wetterte er weiter:

      „Lass mich bloß in Ruhe, du... du katzige Blöde! Oder ich werde ich dich verzaubern. Ich werde ...", er war so wütend, dass er anfing zu stottern, "ich werde dich in eine Gurkenmarmelade verwandeln oder... oder..."

      Laut schnaubend wirbelte er um Luzimops Kopf herum.

      „He, bist du jetzt total durchgeknallt?", kicherte der Kater hämisch. „Lass das sein, sonst musst du kotzen!"

      Doch Tanball ließ sich nicht stören, sondern sauste immer schneller und schneller um den dicken Katzenschädel.

      Luzimops glotzte irritiert, versuchte den Geist zu schnappen und drehte sich dabei wie ein Kreisel um sich selbst. Mit einem Mal stöhnte er auf, verdrehte die Augen und plumpste auf die Seite.

      Bamase hatte Tanballs Treiben von der Lampe aus beobachtet. Mutig flog sie auf Luzimops Nase. Triumphierend hob sie ein Vorderbein.

      „Er ist k.o.!", surrte sie anerkennend. „Du hast ihn besiegt!"

      Vorsichtig schwebte der Kleine näher. Misstrauisch beäugte er den ohnmächtigen Kater. Er traute ihm zu, dass er sogar Bamase austrickste. Bamase hieß nicht umsonst Bamase, denn das bedeutete auf Persisch schließlich "klug". Und die Fliege war klug - sehr klug sogar.

      Luzimops rührte sich nicht. Ganz allmählich bekam der Kleine seine blaue Flaschengeisterfarbe zurück. Mit stolz geschwellter Brust rieb er sich freudestrahlend die Händchen und sang: „Ich habe den Sieg gemopst! Ich habe den Mops besiegt! Ich habe..."

      „Welchen Mops?", ertönte Eulalia Mehlmanns Stimme. „Was singst du denn da für einen Blödsinn?"

      Ihr Gesicht erschien unter dem Küchentisch.

      „Luzimöpschen!", kreischte sie auf, "mein kleinet süßet Schnuckelchen, was hasse denn auf einmaa? Gehet dir nicht gut?"

      „Oh, mein Süßklöpschen!", äffte Tanball die alte Dame nach. „Oh, wat hat et denn? Diese katzige Blöde! Ha! Der Dicke hat nix! Rein gar nix!", rief er entrüstet und schnellte vor Eulalia Mehlmanns