Gregor Kohl

Zwei Klare auf den Weg


Скачать книгу

Spielen aber, wenigstens vier Punkte, dann sind wir erstmal und wenn nicht, dann auch nicht. Neenee, in die zweite Liga geht es nicht. Was, die Tickets sind da billiger? Ist mir egal, ich gehe sowieso nicht hin. Hast du mal gesehen, was die verdienen. Nee, nichts von mir. Aber so was. Warte mal, habt ihr hier noch? Kann man bei euch noch kucken? Wo? Hinten, in der Nebenkneipe. Da gehen wir doch hin. Das schauen wir uns an. Gegen wen? Was, noch zwanzig Minuten. Gut, das reicht. Länger halte ich es nicht aus. Schon gut. Ich rede lieber darüber. Gib mir noch eine Reval. Gut. Gehen wir. Was, mit der Zigarette nicht durch den Raum. Also gut. Rauchen wir hier zu Ende. Geht auch so. Mach doch mal den Radio an. Das Radio. Auch das.

      Fertig. Aus. Aus. Aus. Das Spiel ist aus. Wieder nichts. Dieses Mal nicht. Selbstbewusst sind wir. Wir können wieder auf die anderen herab schauen. Klar, geht. Wer braucht dazu einen Kick? Jetzt haben wir den Sozialtourismus. Jetzt wird auf unsere Kosten gereist. Schön mal hierher gefahren und auf unsere Kosten den ganzen Tag gefaulenzt. Den ganzen Tag auf das Geld warten und mit fetter Lederhaut herum gelegen. Was denn? Ward ihr heute Mittag auch bei den anderen dabei? Was das heißen soll? Nix. Neenee, nix CSU. Der wie heißt er noch? Der kann doch reden was er will. Der wird doch sowieso immer. Was sag ich denn. Die Demokratie im Facebook-Taumel? Wer will denn noch Politiker werden? Gescheiterte, oder Karrieristen, die nach ein paar Jahren Politik in die Wirtschaft gehen. Der Koch, oder der Merz, oder der, wie heißt er noch? Alles Juristen. Und weiter? Nichts, sind Juristen. Was meinst du denn damit. Nichts. Warum sagst du es? Nur so, ich musste auf das Schnitzel aufstoßen, und da hab' ich es gesagt.

      Wir gehen, die Kneipe, das Restaurant ist nichts für nach sechs. Wir marschieren hoch, ins Café. Noch ein Bier, zwei. Wir kommen rein, es steht schon alles da. Die Bedienung erkennt uns an unseren Stimmen. Bis wir die Treppen oben angekommen sind, steht das Bier schon auf unseren Plätzen. Ich stolpere über meinen Gürtel. Ich habe einen Trenchcoat an, mit Gürtel. Den habe ich im Keller gefunden. War mal teuer. Sieht jetzt ziemlich billig aus. Hatte ich den von Metzen? Teures billig. Ist ihm teuer zu stehen gekommen. Ich stolpere über den Gürtel. Wofür ich den habe. Schmeiß ihn weg. Geht nicht, sieht ohne Scheiße aus. Sieht auch mit so aus. Hör doch auf, mit deinem Wollpulli. Jedes mal, wenn du diesen Überzieher überziehst hängt die Wampe raus. Sieht schlimm aus. Ehrlich? Klar. Warum hast du nie was gesagt? Du hast ja auch nie was über meinen Trenchcoat gesagt.

      Hattest du nicht mit dem Rauchen aufgehört? Die Bedienung fragt. Nee, wie kommst du darauf? Du hast doch wochenlang Nicorette gekaut. Hat er nur hier. Sei still; ja, habe ich so probiert. Ehrlich, nur hier? Ja. Sah eklig aus. Du hast immer gekaut wie ein Kamel. Habe ich ihm auch gesagt, dann hat er wieder mit dem Rauchen angefangen.

      Hier ist Rauchverbot. Schon gut. Wir gehen auf den Balkon. Langsam werde ich müde. Das Bier fängt an bitter zu schmecken. Ich wechsle auf Jägermeister. Habe ich eigentlich noch genug Geld? Für einen Meister reicht es noch. Es ist sieben. Ich gehe dann nach Hause. Ich auch. Ich bin hundemüde. Ich muss morgen früh raus. Was musst du denn morgen so früh machen? Ich bin nur müde. Das reicht, um heim zu gehen. Was machst du morgen Abend? Ich treffe mich mit einer Freundin. Was ernstes? Nein, aber die ist nett. Die sind bei dir doch immer alle nett. Ja, macht doch nichts; du bist auch nett. Mann! Ich gehe jetzt. Tschüß.

      Zu Hause lege ich mich auf's Bett. Warte auf etwas. Nichts. Nichts regt sich. Nichts regt mich auf. Ich stehe auf. Nach dem Schnitzel, jetzt hole mir aus dem Kühlschrank eine Packung Forellenfilet. Preiselbeeren dazu. Die Meerettichsahne ist verdorben. Kein Brot mehr da. Gehe ich nochmal einkaufen? Es ist Samstagabend, das geht noch. Ich packe die Filetstücke in den Kühlschrank zurück. Milch fehlt auch. Nach dem versoffenen Tag bekomme ich Hunger. Habe ich überhaupt etwas gegessen! Den Dönerladen hatten wir übersprungen. Normalerweise ist das immer unser Abschluss. Schnitzel war vorher. Dieses Mal nicht, kein Döner. Doch einkaufen. Supermarkt ist nur fünf Minuten von hier entfernt. Ich gehe hin, eine Tüte habe ich eingesteckt. Mit Hunger einkaufen. Noch nie gut gegangen. Ich habe einen Einkaufskorb unter dem Arm. Aus Plastik. Der Korb füllt sich, mit Brot, Toast, Milch, Joghurt, jetzt wird er schwer, Cornflakes, Kakao, Käse, nochmal Käse. Eier, brauche ich Eier? Also auch Eier. Gut, reicht. Geld zählen. Warum erst jetzt? Ok, einmal Käse zurück. Dann könnte es reichen. An die Kasse gehen und alles im Kopf zusammen zählen. Noch eine Tüte. Eine reicht nicht. Das Geld reicht. Die Kasse addiert alles auf, ich komme über die Runden. Mir bleiben sogar noch drei Euro.

      Die Tüten abgestellt, nochmal rein. Seife vergessen. Jetzt aber nach Hause, Übelkeit macht sich ganz breit, der Hunger drückt. Woher kommt der jetzt? Der Kloß im Bauch, zusammengekniffene Zähne, Muskeln, die nicht beschäftigt werden. Ein leichtes Würgen. Nicht so anstellen, die Menschen in Afrika - nein, jetzt nicht so. Keine billigen Sprüche, schon wieder. Gab es heute hier genug mit all den Glatzen. Etwas schneller den Schritt werden lassen. Tür auf. Erst auf's Clo gehen, Hände waschen. Wo ist die Seife? Hier, ganz oben auf dem Brot. Die Flakes sind zerdrückt. Klar, hatte ich unter den Arm geklemmt, könnten jetzt Brösel nur noch sein. Hände sind gewaschen. In die Küche. Kurzer Weg, Ein-Zimmer-Küche-Bad. Zimmer mit Ausblick. Womit anfangen? Die Forellen. Meerettichsahne vergessen. Wieder. Geht auch so. Ohne Brot, mit Preiselbeeren. Ging schnell, das Filet sehr zart, keine Gräten. Preiselbeeren drauf, kann man auch mit den Fingern. Ist ja niemand da. Finger riechen nach Seife, schmecken auch etwas danach. Etwas Tabakgeruch noch dabei. Hände mit Salz waschen. Jetzt geht's. Und jetzt? Käse mit Brot. Käsebrot, Milch mit Kakao, mit Kaba, der mit dem Bären.

      Hat Deutschlands schönster Briefträger denn niemals frei? Mein blondierter Freund hat mir den Briefkasten am Samstagmorgen gefüllt. Die Umschläge schauen aus dem Schlitz. Der Sportler mit den dicken Unterarmen hat sicher viel Mühe gehabt, alle Briefe in den Kasten zu stopfen. Aber diese sportliche Herausforderung hat er sicher gerne angenommen. Wie immer. Ich stand schon eine Stunde am Briefkasten, um ein Päckchen aus der Klemme zu befreien. Mit der Wasserpumpenzange rückte ich dem Karton zu Leibe, schließlich hatte ich die Verpackung zerfetzt, das Buch aber blieb heil, dann konnte ich den Briefkasten endlich öffnen. Die Frage, wie mein glücklich verbeamteter Freund diese Warensendung da hinein bekommen hat, bleibt bis heute unbeantwortet.

      Jetzt nur Briefe. Der Briefkasten öffnet sich nach etwas Überzeugungsarbeit. Es sind 12 oder mehr. Ich war unvorsichtig. Hatte einen Leserbrief geschrieben. Über die Aufnahme von Flüchtlingen, dass wir eine moralische und geschichtliche Verpflichtung hätten und so. Wir können uns das leisten, die Menschen nicht freiwillig hier. Und sonst noch solche Menschentümelei. So bezeichnen es meine Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Tümelei meine ich. Meine Mitmenschen waren der Meinung, dass doch jeder bitte in seinem Land bleiben soll. Dass unser Boot voll sei und das Maß auch. Ich konnte nicht anders. Ich musste mich dazu melden. Ein Leserbrief wird aber nur gedruckt, wenn die Adresse angegeben wird. Alfred und Edith meinen, mir einen anonymen Brief schreiben zu sollen. Zu meiner Wohlstandseinstellung. Sie erklären mir, dass sie nach dem "Kriesch" mit ihren Eltern im Land geblieben, nicht abgehauen und alles mit der Mühe Arbeit aufgebaut haben. „Nicht alle“ möchte ich einwerfen, manche von euch sind doch nach Argentinien, oder Chile. Alfred und Edith meinten, mir ein Bild mit zwei Kindern vor Trümmern schicken zu müssen. Sie behaupten wohl, dass sie das selbst sind. Die Kinderfreundschaft. Aus dem Elend eine Ehe gemacht, ein neues Elend begangen. Der Brief ist fein mit der Maschine geschrieben. Die Unterschriften säuberlich im ordentlichen Grundschuhlstil gesetzt. Glück gehabt, hat alles auf eine Seite gepasst. Der Stil des Briefs ist männlich. Das zeigen die Beleidigungen. Hat Alfred gut gemacht, der kann mit dem Computer umgehen. Wie ein Junger. Ja, der Alfred, der kann sogar Bilder in den Computer und so. Der kann das. Wir sind nicht vom alten Eisen. Wir sind ja auch geblieben. Nicht so wie die.

      Schreiben über Ausländer. Über Asylanten. Die sollen doch daheim bleiben und mit dem vielen Geld, das sie den Schleuserbanden in die Rippen werfen, sollen doch dort was Schönes aufbauen. Haben Adolf und Eva, Albert und Edith, Pünktchen und Anton, Tim und Struppi, Winnetou und Old Shatterhand doch auch alle so gemacht. Sind nicht einfach abgehauen. Haben tapfer ihren Platz behauptet. Schön was aufgebaut. Eine Hühnerfarm, einen Orangenhain, Zuckerrüben, Kartoffeln. Swimming Pool und Bausparvertrag. Alles mit der Hände Fleiß. Nicht einfach weg gegangen. Das hätten Adolf und Moni doch damals, nein, sie waren ja noch klein. Die Eltern aber, die hätten doch zwischen Siegesjubel, als man es den Franzosen und den Polen und den anderen allen, als der