Volker Gerding

10 Mythen der Geldanlage


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      Abb.4: DAX®nach massivem Kursverlust im Januar 2008

      Bevor Sie weiterlesen beantworten Sie für sich die folgenden Fragen:

       Bedeutet dieser Crash, dass die Kurse jetzt niedrig sind?

       Steigen die Kurse?

       Bleiben Sie in etwa gleich und schwanken nur im Tagesverlauf hin und her?

       Fallen die Kurse weiter?

       Würden Sie jetzt einsteigen?

      Schreiben Sie Ihre Antwort auf einen Zettel und betrachten Sie den weiteren Verlauf des DAX®-Index

      Abb.5: Wöchentlicher Kursverlauf des DAX®mit Markierung des Januar 2008

      Falls Sie falsch gelegen haben und nicht vermuteten, dass der DAX®nach dem kräftigen Kursrückgang im Januar 2008 nochmals rund 50 % seines Wertes verliert – seien Sie getröstet, niemand kann einen Kursverlauf vorhersagen und sie können nur hoffen, dass Sie Ihren Fonds nicht in einer Phase intensiven Kursrückgangs verkaufen müssen. Der Durchschnittspreis-Effekt hilft Ihnen dann herzlich wenig.

       Fazit

       Der passive Ansatz „Regelmäßig kaufen und den Durchschnittskosten-Effekt nutzen“ kann für den Privatanleger eine erfolgreiche und bequeme Form der Geldanlage sein. So manche typische Falle wie „Privatanleger kaufen dann, wenn die Kurse am höchsten sind und verkaufen kurz bevor sich die Aktien wieder erholen“ lässt sich elegant vermeiden und durch den regelmäßigen Kauf können mehr Fonds- oder Firmenanteile erworben werden, als bei unsystematischen Käufen.

       Aber:

       Der Durchschnittspreis-Effekt führt nicht in jedem Fall zum Erfolg und kann selbst bei langfristigen Anlagen zu teilweise empfindlichen Verlusten führen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Fondsanteile oder Aktien in einem definierten Zeitraum veräußert werden müssen. Bedenken Sie, dass für Sie ungünstige Börsenphasen durchaus sehr, sehr lange dauern können.

      Der 2. Mythos: Immer Stopp-Kurse setzen oder „Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen“

      Eine plausible, unumstößlich erscheinende Regel, die hilft erfolgreich an der Börse zu sein? Für einen wirklichen Händler, der möglicherweise täglich Werte kauft, verkauft, auf steigende und fallende Kurse setzt, ist es vor dem Handel überlebensnotwendig (natürlich nur auf sein Leben als Händler bezogen) sein Risiko genau festzulegen.

      Wenn er z.B. über ein Handelskonto von 100.000 Euro verfügt, könnte er festlegen, dass keine Handelsposition (z.B. eine einzelne Aktie) 10.000 Euro übersteigt und dass er als max. Verlust 1000 Euro akzeptiert. Dies wäre 1 % seiner Gesamtsumme und mit dieser Verlustbegrenzung kann er auch längere Durststrecken überwinden.

      Aber hilft dieses Vorgehen auch Siegfried, der zwar nicht über 100.000 Euro verfügt, aber über 80.000 Euro? Wäre dies eine Strategie, um die mageren Zinsangebote seiner Stadtsparkasse aufzupeppen?

       Der Stopp-Kurs-Praxistest

      Siegfried vertraut dem Siemens Konzern, den kennt er, er verwendet viele Produkte dieses Konzerns, zudem lassen große Zeitungsannoncen das Unternehmen modern und aktiv erscheinen.

      Siegfried kauft in der Woche vom 08.07.2007 für ca. 8000 Euro Siemens Aktien zum Preis von 110 €/Aktie.

      Er erhält dafür 72 Stück und setzt einen Stopp bei 93,5 €. Dieser Stoppkurs ist 15 % vom Einstiegskurs entfernt und sollte einen ausreichenden Puffer darstellen, um nicht gleich bei den ersten Schwankungen des Aktienkurses verkaufen zu müssen. Außerdem ist Siegfried zwar optimistisch, aber mehr als 1200 € möchte er nicht verlieren. Da dieser Betrag jedoch nur 1,5 % seines Gesamtvermögens darstellt, ist er bereit das Risiko des Aktienkaufs einzugehen. Schließlich ist sein Verlust von Anfang an bekannt, der mögliche Gewinn jedoch ist erst mal nicht begrenzt. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist somit aus Siegfrieds Sicht vorerst ganz gut.

      Warum, so könnte Siegfried gefragt werden, kauft er Siemens-Aktien zu einem Preis von 110 €/Aktie? Warum steigt er jetzt ein, warum zu diesem Preis? Vielleicht hat er einen Bericht in der Zeitung zur zukünftigen Entwicklung der Siemens-Aktie gelesen, oder er ist unzufrieden mit der möglichen Rendite einer Festgeldanlage. Er ist es einfach leid mit niedrigen Zinsen abgespeist zu werden und trifft eine Entscheidung. Siegfried fühlt sich aber bei Abgabe der Kauforder wohl, weil er gleichzeitig seiner Bank den Stopp-Kurs mitteilt und somit den möglichen verlustbehafteten Verkauf von jeglicher Emotion befreit und sein Risiko begrenzt hat. Er hängt zudem der Theorie an, dass der Einstiegskurs irrelevant für den Börsenerfolg ist, nur der Ausstieg muss klar sein.

      Bei dieser vernünftig klingenden Strategie ist in der Woche vom 29.07.2007 das Spiel allerdings schon vorbei. Das Unternehmen verliert kräftig an Wert und Siegfried wird ausgestoppt. Es verbleiben ihm jetzt nur noch 6732 €, da er für seine 72 Aktien jeweils 93,5 € erhält. Bankgebühren bleiben bei diesem Beispiel unberücksichtigt, es geht lediglich ums Prinzip.

      Abb.6: Wöchentlicher Verlauf der Siemens-Aktie

      Ob Siegfried mit seiner Einschätzung, dass der Kurs von 110 € für die Siemens Aktie akzeptabel ist, einen realistischen Blick auf den Wert des Unternehmens Siemens hat, ist völlig unerheblich. Die Akteure an der Börse sind zu dem beobachteten Zeitpunkt nicht bereit einen höheren Preis zu bezahlen – das ist alles.

      Da Siegfried meinte, dass der Preis von 110 € für eine Siemens Aktie ganz in Ordnung war, er mit dieser Meinung aber leider falsch lag, lastet jetzt der Druck auf ihn, den erlittenen Verlust wieder auszugleichen und zu beweisen, dass er doch recht hat. So ist es verständlich, dass er in der Woche vom 23.12.2007 einen weiteren Versuch startet, zumal die Aktie jetzt „nur noch“ 105 € wert ist. Aus Siegfrieds Sicht ist sein Chance-Risiko-Verhältnis jetzt noch günstiger als beim ersten Versuch.

      Er steigt somit bei 105 €/Aktie ein und ordert 64 Stück, da er jetzt nur noch 6732 Euro zum Spekulieren zur Verfügung hat.

      Der Stopp wird bei 89 € gesetzt (rund 15 %) und leider hat er wieder Pech.

      In der Woche vom 27.01.2008 unterschreitet der Kurs diese Stoppmarke und Siegfried erhält für seine 64 Aktien nur noch 5696 Euro.

      Abb.7: Einstieg und Ausstieg am Beispiel der Siemens-Aktie

      Was passiert jetzt mit Siegfried? Der Verlust lastet schwer auf ihn. Wie wir von D. Kahneman wissen, ist die Reaktion auf Verluste stärker als die Reaktion auf entsprechende Gewinne. Wir gewinnen einfach gern und verlieren ungern. Um dieser Verlustaversion zu begegnen und sein tatsächliches, aber insbesondere auch emotionales Konto wieder auszugleichen, sucht Siegried nach einer neuen Möglichkeit. Noch hat er Geld auf seinem Konto und im Grunde versteht er gar nicht, warum „seine“ Aktie gefallen ist.

      Siegfried lässt sich also nicht entmutigen und erwirbt in der Woche vom 30.08.2008 insgesamt 76 Aktien zu je 75 €. Dieser Kauf hat für ihn verstärkenden Effekt, dass die Aktie jetzt optisch sehr günstig erscheint. Hielt Siegfried den Siemens Konzern beim ersten Kauf mit 110 € für niedrig bewertet (sonst hätte er ja nicht auf Kurssteigerungen gehofft), so erscheint ihm die jetzige Kursnotierung geradezu als Sonderpreis. Ohne das es ihm bewusst ist, sind die 110 € des ersten Kaufs für ihn der Anker, auf den er alle weiteren Entscheidungen bezieht. Bei einem professionellen Händler, der tagtäglich Aktien kauft und verkauft besteht keine Beziehung zu einem Wert, er beurteilt jeden Kauf für sich. Aber Siegfried ist kein Händler, er ist ein Anleger, der sich Sorgen um seine