Volker Gerding

10 Mythen der Geldanlage


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und klammert sich an diese ihm bekannte Regel als Richtschnur für sein Handeln.

      Der Stopp wird bei 64 € platziert.

      Wieder nichts! Die Stopp-Marke wird am 05.10.2008 gerissen, Siegfried verbleiben jetzt lediglich 4864 €.

      Abb.8: Weiter Einstieg und Ausstieg bei Siemens

      Bisher hat Siegfried sein Börsendilemma vor seiner Frau geheim halten können, doch so langsam greift Panik um sich und Siegfried schwört sich, dass er nur noch ein einziges Mal zu dieser verdammten Aktie greift, schließlich muss die doch mal steigen, geht doch nicht mit rechten Dingen zu….

      Neues Jahr, neues Glück, Siegfried hat zwischen den Jahren viel Zeit mit dem Studium der einschlägigen Wirtschaftspresse verbracht und Hoffungsvolles von den Profis vernommen.

      „Nach den starken Zahlen aus dem laufenden Geschäft haben viele Investmentbanken ihre Kursziele für die Siemens-Aktie angehoben. So erhöhte die US-Investmentbank JP Morgan das Ziel für Siemens-Aktien von 84 auf 89 Euro. Die Aktie werde sich in den kommenden sechs bis zwölf Monaten deutlich besser entwickeln als die Branche. Die Citigroup geht wegen erwarteter höherer Gewinne 2007 und 2008 von 95 Euro aus. Die Société Générale erhöhte ihr Kursziel sogar auf 100 Euro. Die Restrukturierung nähere sich nach besseren Ergebnissen angeschlagener Sparten dem Ende, erklärte Analyst Simon J. Smith“. (Süddeutsche.de 20.11.2008, 11:15)

      Siegfried tappt in eine neue Falle. „Privatanleger wenden sich vorhersehbarerweise in Scharen Unternehmen zu, die ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil sie Schlagzeigen machen“ (D. Kahneman). Er fühlt sich wieder bestätigt, er wusste ja von Anfang an, dass Siemens ein gutes Unternehmen ist und selbst der Profi gibt ein Kursziel von 100 Euro an, ganz in der Nähe von Siegfrieds imaginärem Anker des ersten Kaufs.

      Siegfried ordert in der Woche vom 04.01.2009 zum Kurs von 55 € abermals Siemens Aktien und erhält für sein verbliebenes Geld 88 Aktien.

      Er setzt den Stopp bei 47 €.

      Mala suerte, mierda und was der sprachgewandte Siegfried sonst noch so vor sich hin flucht, er ist jedenfalls am Boden zerstört, gesteht seiner Frau, dass er fast 4000 € vom Erbe für nichts und wieder nichts verbraten hat, obwohl er doch so diszipliniert war. Na ja, nach zwei Wochen eisigen Schweigens und dem Schwur nie wieder Aktien zu kaufen, kommt dann langsam wieder die Zeit des Tauwetters.

      Fast überflüssig zu sagen, dass Siemens ab März 2009 zu einer Bilderbuch-Rally startete, die den Kurs bis April 2009 auf fast 100 Euro steigen ließ…

      Abb.9: Beeindruckende Kursentwicklung der Siemens-Aktie

       Sind Stopp-Kurse entbehrlich?

      Zeigt uns diese Geschichte von Siegfried, dass Stopps unsinnig sind? Natürlich nicht. Stopps können dazu dienen, das Risiko sinnvoll zu reduzieren, aber sie schützen auch nicht immer vor erheblichen Verlusten.

      Es stellen sich an dieser Stelle einige grundsätzliche Fragen:

      - Ist es für Siegfried überhaupt sinnvoll in eine Einzelaktie zu investieren?

      - Nach welchen nachvollziehbaren, objektiv ermittelten Annahmen, Analysen, Regeln erfolgte der Einstieg in die Aktie?

      - Kann das „Bauchgefühl“, die subjektiv wahrgenommene Bedeutung einer Firma, Kriterium für eine Geldanlage sein, welche die Versorgung im Alter sicherstellen soll?

      - Gibt es überhaupt objektiv ermittelte Annahmen und Analysen, auf die man sich verlassen kann? Erinnern Sie sich an den Enron-Skandal oder das zu Beginn aufgeführt Beispiel der Sino-Forest-Aktie oder nehmen Sie einfach den Kursverlauf der Commerzbank-Aktie…

      - Wenn, wie im weiteren Verlauf des Buches noch ausgeführt wird, selbst Profis nur selten ein glückliches „Händchen“ bei der Aktienauswahl haben, warum soll dann ausgerechnet Siegfried in die richtige Firma investieren?

      - Ist der eigene Einstiegskurs ein relevanter Punkt für das Setzen eines Stopps oder sollte der Stopp nicht eher an objektiven Kriterien des Kursverlaufes orientiert sein?

      - Werden Stopps überhaupt vom Anleger eingehalten oder im letzten Moment doch wieder missachtet, weil der Kurs ja wieder steigen könnte?

      Tipp: Zur Frage der Verlustaversion bitte unbedingt vertiefend Daniel Kahnemans Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ lesen!

       Fazit

       Auch die „goldene“ Regel des Stopps bewahrt den Anleger nicht vor herben Verlusten.

       Einzelaktien sind mit hohen Chancen, aber auch mit großen Risiken behaftet. Für die Alterssicherung oder die Ausbildung der Kinder sind sie nur bedingt geeignet und dürfen nur einen geringen Teil des zur Verfügung stehenden Geldes einnehmen.

       Übrigens:

       Ganz nebenbei haben wir auch den Mythos „Der Einstiegszeitpunkt ist egal, Hauptsache die Stopps werden eingehalten“ entzaubert, zumindest als generelle Regel. Für einen Tageshändler (auch Daytrader genannt), der morgens einsteigt und spätestens am Abend wieder alles verkauft hat, kann die Welt anders aussehen. Diese Welt ist aber von der Realität Ann-Kathrins, Marcels und Siegfrieds weit, sehr weit entfernt.

      Der 3. Mythos: Es gibt Fondsmanager, die ein glückliches Händchen haben.

      Zugegeben, eine verlockende Regel. Siegfried, aber auch Marcel und Ann-Kathrin, könnten sich denken, dass es Genies unter den professionellen Geldanlegern gibt und dass es daher sehr naheliegend ist, diesen Mozarts des Geldgewerbes sein Geld anzuvertrauen. Dieser Gedankengang hätte auch den beruhigenden Effekt, dass sich unsere Protagonisten bei all den mit einer Geldanlage verbundenen Unsicherheiten plötzlich auf sichereren Boden befinden würden. Ihre Entscheidung für einen Fonds wäre auf einer rationalen Ebene getroffen worden, dem Ranking der Fondsmanager.

      Seit mehreren Jahren werden die erfolgreichsten Fondsmanager gekürt, wobei es unterschiedlichste Kategorien gibt und gerade die Erfolgskontinuität besondere Beachtung findet.

      „Die deutschen Standard & Poor's Fund Awards …, die Standard & Poor's zusammen mit dem Handelsblatt vergibt, werden als weltweit etablierter Standard für die Bewertung von Fondsmanagern und Fondsgesellschaften angesehen. Berücksichtigt werden alle in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Fonds. Untersucht wird die Wertentwicklung eines Fonds gegenüber dem Sektordurchschnitt, die Vermögensaufteilung, die Kontinuität anhand der letzten Monatserträge und … das Risiko-/ Ertragsprofil des jeweiligen Fonds in seinem Sektor (Versicherungsmagazin, 25.04.2006)

      „Jedes Jahr wird der Fondsmanager des Jahres gewählt. Die Spitzen-Fonds jeder Gruppe müssen die beste Wertentwicklung bieten, ohne Anleger einem zu hohen Verlustrisiko auszusetzen“. (Handelsblatt, 08.04.2011).

       Die Protagonisten auf der Suche nach dem Börsenguru

      Nehmen wir an, Marcel und Ann-Kathrin hätten sich für einen Siegerfonds des Jahres 2005 entschieden und zwar einen aus der Kategorie „5 Jahre“. In dieser Kategorie, so sind sie sich sicher, wird Kontinuität belohnt und es zeigt sich, wer wirklich etwas vom Aktiengeschäft versteht. Sie wählen einen Siegerfonds, der wie folgt beschrieben wird:

      Zur Erzielung von Kapitalwachstum investiert der Fonds vorwiegend in Aktien europäischer (ohne Osteuropa) Unternehmen, die attraktive Erträge erwarten lassen. (Finanzen.net)

       ING (L) – Invest Euro High Dividend P Cap

      Monatliche Einzahlung : 200 Euro

      Startdatum : Mai 2005

      Enddatum : Mai 2012