Wolf- Dieter Erlbeck

Unser Fräulein Doktor Teil 2


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ihr euch liebt?“

      „Natürlich.“

      „So natürlich finde ich das gar nicht.“

      Mit dieser Bemerkung ließ sie mich stehen und beschäftigte sich in der Küche.

      „Mal sehen was Papa sagt“, ließ sie sich noch verlauten und dann verließ auch ich die Küche und erledigte meine Hausarbeiten. Anschließend zog ich mein Trainingszeug an und machte mich mit ein paar Runden um die Blöcke warm.

      Als es am Abend bei uns klingelte stürmte ich zur Tür, öffnete sie, nahm meine Babsi in die Arme und küsste sie als hätten wir uns ein paar Wochen nicht gesehen. Dabei achtete ich nicht auf meine Eltern, die im Halbdunkel des Flures standen und uns zuschauten.

      „Und? Hast du es ihnen erzählt“, fragte Babsi flüsternd?

      „Natürlich habe ich das getan“, flüsterte ich zurück.

      „Dürfen wir auch einmal“, hörte ich die Stimme meines Vaters.

      „Entschuldigung“, sagte Babsi, „aber wir haben uns seit heute Mittag nicht mehr gesehen.“

      „Das ist ja auch eine Ewigkeit her“, versuchte mein Vater zu witzeln, dann reichte er Babsi die Hand.

      „Geschmack hat er mein Sohn“, sagte er anschließend anerkennend, „ich hatte dich gar nicht so hübsch in Erinnerung.“

      Da es im Flur nicht sehr hell war, bemerkte auch keiner wie sie vor Verlegenheit leicht rot wurde.

      Mama nahm Babsi ohne Umschweife in die Arme und drückte sie lange und innig, damit niemand ihre Tränen sehen sollte. Irgendwann musste sie sich aber trotzdem trennen und wischte sich dann mit einer fahrigen Bewegung das Feuchte aus den Augen.

      Auch Babsi schien gerührt und schluckte zweimal bevor sie begann:

      „Ich freue mich bei Ihnen sein zu dürfen und soll schöne Grüße von meinen Eltern bestellen und die würden sich sehr freuen, wenn sie uns morgen, nach Dieters Kampf, die Ehre, bei einem kleinen Empfang, zu seinen Ehren, erweisen würden?“

      Sie holte tief Luft und lachte:

      „Den Satz habe ich eine Stunde lang geübt. Jetzt dürfen Sie auch nicht nein sagen.“

      Meine Mutter musste sofort wieder gegen die Tränen kämpfen, als sie sagte.

      „Mein Gott bist du ein süßes Geschöpf! Jetzt kann ich verstehen, dass du Dieter den Kopf verdreht hast.“

      „Das sollten wir aber lieber nicht diskutieren, wer wem den Kopf verdreht hat“, lachte Babsi einmal mehr ihr glockenhelles Lachen, das ich unter Tausenden herausfinden würde.

      „Ach dann erzähle doch mal“, versuchte mein Vater sie zum reden zu animieren, während wir uns ins Wohnzimmer bewegten.

      „Ein kleines Geheimnis dürfen wir doch für uns behalten“, sagte sie später, „aber nachdem wir uns mit allen möglichen Eifersüchteleien heiß gemacht hatten, entschlossen wir uns diesen Kampf aufzugeben und uns unsere Liebe einzugestehen.“

      „Ihr redet von Liebe, obwohl ihr noch zur Schule geht“, fragte mein Vater, „und eure Zukunft erst einmal planen müsst.“

      „Darf man sich als Schüler nicht lieben“, fragte Babsi in entwaffnender Weise mit ihren strahlenden blauen Augen, die mir bei jedem Tag unserer Liebe noch schöner zu werden schienen.

      „Das ist sicherlich eine Frage was der Einzelne unter Liebe versteht und wie weit man damit gehen darf oder kann?“

      Mein Vater wirkte jetzt etwas ernster.

      „Unter Liebe verstehe ich wenn man mit einem Jungen oder angehenden Mann ein ganzes langes Leben verbringen möchte und glaubt, ohne ihn nicht mehr leben zu können. Wenn man schon unruhig wird, weil man ihn zwei Stunden nicht mehr gesehen hat, wenn man Gänsehaut bekommt nur bei seiner Berührung, wenn das Herz flattert, die Hände zittern und Schauer durch den Körper jagen wenn man sich in den Armen liegt. Das verstehe ich unter Liebe.“

      „Und das weißt du seit, wie ich gehört habe, fünf Tagen“, hakte mein Vater nach, während Mama weiter mit den Tränen kämpfte?

      „Nein, natürlich schon viel länger, denn ich sah Dieter täglich und in unserer Gruppe begrüßen wir uns immer mit einem Kuss. Dabei stand ich immer kurz vor einem Ohnmachtsanfall und durfte mir nichts anmerken lassen. Und wenn er mich berührte bekam ich eine Gänsehaut, dass mich die anderen fragten, frierst du? Und wenn er eine Andere küsste hätte ich ihr am liebsten die Augen ausgekratzt.“

      Während mein Vater still in sich hinein lächelte, nahm meine Mutter ihre Hand und streichelte sie.

      „Ich freue mich für Dieter, dass ihr zusammen seid und wünsche euch ganz viel Glück und passt immer schön auf, damit nichts passiert.“

      Dieser Satz musste eigentlich kommen, obwohl ich ihn viel eher erwartet hatte.

      „Darf ich dir denn etwas anbieten“, ging mein Vater zum gemütlichen Teil über und Babsi erwiderte erleichtert:

      „Was hätten sie denn für mich, damit ich nicht gleich aus den Latschen kippe?“

      „Ein Gläschen Sekt zum Anstoßen auf eure junge Liebe wäre doch angebracht, oder?“

      „Gerne“, lachte Babsi und konnte es nicht lassen, mir einen lieben Kuss zu geben.

      „Du besitzt etwas ganz einmaliges“, sagte meine Mutter, noch immer mit leicht tränenverschleierten Blick, „du bist hübsch, verfügst über eine tolle Figur, hast wunderschöne, verträumte Augen und versprühst einen unheimlichen Charme. Kein Wunder, dass mein Dieter da Feuer und Flamme ist.“

      Wieder wurde Babsi etwas rot im Gesicht, aber niemand, außer mir, der sie ständig beobachtete, merkte etwas davon.

      Wir lachten diesen Abend noch recht viel miteinander und verstanden uns, als wenn wir schon seit Jahren bekannt waren.

      Als sich Babsi erhob, fragte sie noch einmal meine Eltern, ob sie die Einladung zum Empfang annehmen würden und freute sich wie ein Schneekönig über deren Zustimmung.

      Anschließend brachte sie mein Vater mit dem Auto nach Hause. Ich fuhr natürlich mit, begleitete sie bis zur Tür, wo wir uns mit einem langen Kuss, der wieder einmal mehr versprach, als wir uns vor der Haustür geben konnten, verabschiedeten.

      Anschließend fuhren wir etwas schweigsam nach Hause, bis mein Vater mit den Worten begann:

      „Wenn ich euch betrachte, wie ihr euch anseht, wie ihr euch küsst und wie er miteinander umgeht, kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr noch nicht miteinander intim ward.“

      Ich sagte zunächst nichts, was ja auch eine gewisse Antwort bedeutet, bis mein Vater seinen Gedankengang fortsetzte:

      „Denke bitte immer daran, dass ihr noch sehr jung seid, dass auf jeden Fall du, als zukünftiger Verdiener, eine richtige Ausbildung brauchst. Ein Kind während der Schulzeit wäre für Babsi eine Strafe...!“

      „Mach dir bitte diesbezüglich keine Sorgen“, begann ich mutig, da er mir offensichtlich wohlgesonnen, sehr entgegengekommen war, „sie nimmt die Antibabypille.“

      „Das allein reicht nicht immer. Wie sieht es aus mit Aids, oder was es sonst noch gibt. Auch dagegen schützt ein Präventiv. Brauchst du Geld dafür?“

      „Babsi ist negativ und ich war die Woche bei unserem Sportmediziner, auch negativ. Alles andere überlasse ruhig uns, wir wissen wie und mit was wir uns schützen und können und müssen, ohne dass die Liebe darunter leidet.“

      „Ich freue mich, dass ihr so umsichtig seid, aber gebe trotzdem Acht! Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, kommt oft jede Rettung zu spät. Versuche auch Mama nichts von eurer intimen Beziehung zu erzählen, sie würde sich sonst unnötige Sorgen machen. Wenn du einen Rat brauchst oder eine Frage hast, kannst du dich vertrauensselig an deinen Vater wenden. Aufgeklärt bist du ja offensichtlich ausreichend.“