Margarita Atzl

Jana und der flitzende Wolkenpilot


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Himmel, von dem eine silberne Rutsche hinunter auf die Erde führte. Am Fuß der Rutsche stand ein kleines Mädchen, das sehnsüchtig durch fallende Schneekristalle nach oben blickte.

      Stolz durfte Jana ihr Gemälde der Klasse vorstellen. Dann wurde es zu anderen Bildern an die lange, weiße Wand gehängt. Dort durften nur die besten Schüler ihre Werke platzieren. Jana bemerkte, wie Noelle sie bewundernd ansah, und freute sich. Sie fühlte den stechenden Blick von Louis in ihrem Rücken. Diesmal hatte sie keine Angst. Sein Bild war nicht gut gelungen. Sollte er sich ruhig darüber ärgern. Sie grinste ihn an, als sie sich zu ihm umdrehte. Dann setzte sie sich leise auf ihren Platz. Noelle lächelte ihr zu und schüchtern erwiderte sie die Geste.

      Nach Schulschluss stürmte sie im Eiltempo heim. Bestimmt würde Bob bereits auf sie warten.

      Sie war enttäuscht, als sie die Wohnungstür öffnete und ihn nicht sah. Er war also nicht gekommen. Wütend schleuderte sie ihren Schulranzen hinter das Bett. »Autsch,« kam es laut aus der Ecke hinter dem großen Kopfkissen. »Willst du mich erschlagen?«

      Nun musste Jana lachen. Denn hinter dem Kissen bewegte sich etwas Buntes. Sie wusste gleich, dass es sich bei diesem wuseligen Wesen um Bob handelte. »Tut mir leid. Ich war wütend, weil ich dich nicht bemerkt hatte.« Bob sah sie strafend an. »Du solltest wirklich lernen, deinen Groll zu beherrschen. Das tut mir nicht gut und dir auch nicht. Und sag mir nicht, dass du dich bei solchen Aktionen gut fühlst. Das glaube ich dir nämlich nicht.« Der bunte Zwerg sprang aufgeregt hin und her und schüttelte ständig mit seinem Kopf, sodass die Bommeln seiner Mütze wild hin und her flogen.

      Jana schämte sich. »Du hast Recht. Ich muss mich zusammennehmen. Es kommt nicht wieder vor.«

      Bob sah sie lange an. »Na gut. Hast du Hunger? Wölkchen hat für uns gekocht und wartet bereits ewig darauf, dass wir endlich kommen.«

      Jana nickte. »Sogar ganz großen Hunger. Aber wer ist Wölkchen?« Erstaunt blickte Bob sie an. »Na mein Wolkenschiff. Ich habe dir doch gestern davon erzählt.«

      Jana war verblüfft. »Dein Wolkenschiff kann kochen?«

      Nun war es an Bob, erstaunt zu sein. »Was denkst du denn. Natürlich kann Wölkchen kochen. Es kann auch backen, zaubern, mit Schneekugeln werfen, schwimmen und natürlich fliegen.« Er sah Jana verschmitzt an. »Willst du es nun kennenlernen oder nicht?«

      Jana nickte. »Na klar.« »Also, dann kann die Reise ja losgehen. Gib mir deine Hand. Schließ die Augen und konzentriere dich nur auf deinen Atem. Sobald ich Kontakt zu deinen Gedanken aufgenommen habe, können wir starten. Du wirst sehen, schweben ist gar nicht so schwer.«

      Jana tat, wie ihr geheißen und fühlte, wie ihr Körper zuerst ganz schwer und warm, dann aber so leicht wurde, wie eine Feder. Langsam verlor sie den Boden unter den Füßen und schwebte Hand in Hand mit Bob über die Wolkenrutsche nach oben in den Himmel.

      »Riechst du schon, was es Leckeres gibt?« Bob setzte sie sanft auf der Wolkendecke ab. Jana nickte. „Es riecht nach Apfelpfannkuchen mit Zimt. Das esse ich besonders gern.“

      »Bingo! Gut erkannt!« Jana zuckte zusammen. Die Stimme klang genauso süß, wie das Essen roch. »Herzlich willkommen in meinem Wolkenbett. Ich bin Wölkchen. Lass es dir schmecken. Es freut mich, dich kennenzulernen.«

      Jana mochte Wölkchen sofort. »Danke für die Einladung. Deine Küchlein riechen wirklich fantastisch.« Sie sah auf den Teller, der ihr gereicht wurde. Dann rollte sie den Kuchen ein und biss herzhaft ein großes Stück ab. Wie fruchtig und süß doch der Geschmack der warmen Äpfel in ihrem Mund war. Und wie köstlich der Geruch von Vanille und Zimt. Es kam ihr vor wie früher. Als Mama in der Weihnachtszeit Pfannkuchen, Zimtsterne und Vanillekipferl gebacken und die ganze Familie dazu eingeladen hatte.

      »Schmeckt es dir, Kleines?« Jana schrak zusammen. Die Stimme kannte sie. Sie gehörte ihrem Papa. Vorsichtig sah sie sich um. Auf dem großen Monitor, der auf Wölkchen stand, konnte sie ihren Vater erkennen. Er hatte sich nur wenig verändert. Seine Gesichtszüge waren zarter geworden. Aber sonst war alles gleich. Er lächelte sie an und winkte ihr zu.

      »Hi, hi! Überraschung gelungen?« Bob quietschte vor Vergnügen und rieb sich den Bauch. »So ein Wolkentelefonator ist richtig super. Wir können überallhin telefonieren. Sogar auf die Paradies-Insel, wie du sehen kannst. Das Bild könnte noch etwas besser sein, aber im Großen und Ganzen funktioniert es gut.«

      Auch Wölkchen lachte laut. »Ich glaube wirklich, dass uns die Überraschung gelungen ist.«

      Jana nickte. »Wohnst du jetzt auf der Paradies-Insel, Papa?« Ihr Vater nickte »Na klar. Wo denn sonst? Vielleicht kommst du mich später mal besuchen? Für heute ist es genug. Deine Mutter wird gleich von der Arbeit zurück sein. Dann sollte sie dich in deinem Zimmer vorfinden. Bestell ihr lieber keine Grüße von mir. Wir wollen sie ja nicht ängstigen, oder?«

      Jana erwiderte das schelmische Lächeln ihres Papas. »Ich freue mich schon auf das nächste Mal. Jetzt schwebe ich heimwärts.« Sie sah Bob an. »Bringst du mich?«

      Der schüttelte den Kopf. »Nein, das kannst du doch schon alleine. Schließ einfach die Augen. Atme tief ein und aus und stell dir vor, wie du entlang der Himmelsrutsche nach unten in dein Zimmer schwebst. Du wirst es fühlen, wenn du zurück bist. Dann musst du nur laut gähnen, dich ein wenig recken und strecken und schon liegst du in deinem Bett. Wir sehen uns Morgen wieder.«

      Bob hob die Hand und winkte ihr zu. Wölkchen klingelte leise zum Abschied mit seiner Hupe und Papa grinste sie an, bevor er vom Monitor verschwand.

      Vorsichtig folgte Jana Bobs Anweisungen. Sie schloss die Augen. Sie achtete auf ihren Atem. Wieder fühlte sie, wie ihr Körper zuerst schwer und warm und danach so leicht wie eine Feder wurde. So sanft, wie sie an Bobs Hand in den Wolkenhimmel geflogen war, kehrte sie nun ganz alleine zurück in ihr Bett.

      Als Mutter Nicole in die Wohnung kam, fand sie Jana friedlich und tief schlafend in ihrem Zimmer vor.

      Die Paradies-Insel

      Als Jana am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich so gut, wie schon lange nicht mehr.

      Fröhlich hüpfte sie in die Schule. Vorbei an dem Streber Florian, der immer darüber gelacht hatte, dass sie die Matheaufgaben nicht lösen konnte. Immerhin hatte er sie nicht geschubst oder geboxt wie Louis. Damit war sie schon zufrieden. Ihre Klassenkameradinnen Noelle, Elina und Yvette standen auf dem Schulhof und flüsterten leise, als sie das Gebäude betrat. Jana wurde traurig, denn Noelle sah nicht in ihre Richtung und erwiderte auch nicht ihr fröhliches »Hallo«. Sie dachte an Wölkchen, Papa, Bob und den gestrigen Tag und gleich stieg ihre Laune wieder.

      Den Vormittagsunterricht überstand sie gut. Nachmittags war sie in der Spielgruppe eingeteilt. So stand sie ziemlich verloren am Rand des großen Spielplatzes, zu dem die ganze Gemeinschaft mit Frau Rosenberg gewandert war.

      Sie blickte in die Wolken und bemerkte Wölkchen, die ihr von oben zulächelte. Jana hob ihre Hand und winkte ihr zu.

      Jonas, der sie beobachtet hatte, tippte sich an die Stirn und rief Max zu: »Jetzt spinnt sie total.«

      Dann kringelten die beiden sich lachend auf dem Boden. Diesmal kamen sie nicht ungeschoren davon, da Frau Rosenberg alles beobachtet hatte und die beiden zur Strafe zehn Minuten auf der Bank sitzen mussten.

      »Geschieht ihnen ganz recht«, dachte Jana ein wenig schadenfroh. Sie marschierte zur Wiese, um dort einen kleinen Schneemann zu bauen. Noelle, die das bemerkte, gesellte sich zu ihr und half dabei, den dicken Bauch des Mannes zu rollen. Auf dem Rückweg zum Schulgebäude ging Noelle neben ihr und Jana fühlte, wie es ihr ganz warm ums Herz wurde. Das war aber schnell vorbei, als Yvette Noelle in Beschlag nahm, sobald sie das Schulgebäude betreten hatten. Die letzten Minuten bis Schulschluss verbrachte sie einsam inmitten der lärmenden Menge.

      Der Heimweg verlief ohne Zwischenfälle und Jana erreichte die Wohnung in kurzer Zeit.

      Sie war müde und beschloss, zunächst ein wenig auszuruhen. Später würde sie